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Zukunft des LieferkettengesetzesZurückdrehen ist kurzsichtig

Kommentar von Leila van Rinsum

Wirtschaftsminister Habeck will das Lieferkettengesetz pausieren. Ein Aufschieben kann das Ende bedeuten. Angesichts der Lage wäre das fatal.

Ob der Kakaobauer einen angemessenen Lohn dafür erhalten hat, weiß ein Unternehmen heute oft nicht Foto: Joerg Boethling/imago

A us Kreisen der Grünen-Fraktion heißt es, Wirtschaftsminister Robert Habeck habe mit seinem Vorstoß beim Kongress der Familienunternehmer am Freitag in Berlin lediglich laut überlegt, eine Debatte anzuregen. Dort hatte Habeck gesagt, er wolle angesichts der wirtschaftlichen Stagnation das Lieferkettengesetz pausieren und reduzieren. Ob es um eine Debatte ging, Sympathiepunkte bei den konservativen Familienunternehmern oder andere politische Absprachen – Habeck hat Feuerholz für die Gegner des Lieferkettengesetzes geliefert.

Die Union hat prompt einen Gesetzesentwurf dazu vorgelegt. Jens Spahn sprach von einem „Bürokratiemonster“ und die Diskussion dreht sich wieder einmal darum, ob das Lieferkettengesetz weg soll oder nicht. Ganz im Sinne der Wirtschaftsverbände, die sich von Anfang an gegen verpflichtende Regeln für Unternehmen gestellt haben. Angesichts der politische Lage in Deutschland und auch in Europa, wo rechte und konservative Kräfte gestärkt sind, ist das fatal. Ein Aufschieben kann schnell ein Ende bedeuten.

In den Hintergrund gerät, was das Lieferkettengesetz leisten soll. Es verpflichtet sehr große Unternehmen dazu, ihre Lieferketten auf Verstöße gegen Menschenrechte zu analysieren und Abhilfe zu schaffen. Es geht darum, dass Unternehmen nicht nur den Aktionären verpflichtet sind, sondern auch der Gesellschaft.

Während sichergestellt werden kann, ob die Kakaobohne Bioqualität hat oder wie lange sie getrocknet wurde, weiß ein Unternehmen auch heute oft nicht, ob der Kakaobauer einen angemessenen Lohn dafür erhalten hat. Niemand hat behauptet, dass es nicht aufwendig ist, Menschenrechte entlang der Lieferkette einzuhalten. Sicher sollten Politiker darüber nachdenken, wie sie die Unternehmen dabei unterstützen. Das passiert ja auch, mit elektronischen Lösungen etwa vom Rat für Nachhaltige Entwicklung und Vorschlägen zur Harmoniserung der verschiedenen Berichtspflichten. Aber Vorstöße wie die von Habeck und der Union läuten keine inhaltliche Debatte ein, sie bieten eine Steilvorlage, die Uhr zurückzudrehen. Das ist kurzsichtig.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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7 Kommentare

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  • Das Lieferkettengesetz zeigt mal wieder, das Theoretiker an der Macht sind.



    Die Aussage, das betrifft nur Große ist falsch, weil ja auch jeder Zuliefere den Nachweis erbringen muss.



    Naja, aber man kann dann bald sicherlich irgendwo das Zertifikat kaufen und das Problem ist gelöst.

  • Habeck wird seiner Rolle als Wirtschaftsminister einer FDP-geführten Koalition gerecht. Der grünste Umweltminister, den wir je hatten.

  • Ausbeutung und Raubbau ist kein Geschäftsmodell deutscher Unternehmen -



    zumindest nicht soweit es das Lieferkettengesetz betrifft.



    Das sieht man daran, dass es nach seinem Inkrafttreten keine plötzlichen Geschäftsaufgaben und Umlenkungen von Handelsströmen gegeben hat.

    Den großen Anlaß für das Gesetz scheint es also kaum zu geben.

    Umgekehrt stellen Medien praktisch nie dar, was so ein Gesetz für ein Unternehmen bedeutet, das überhaupt kein Interesse an Kinderarbeit hat:

    Es birgt ein unglaubliches Risiko, aufgrund des Gesetzes extreme Bußgelder zu zahlen - es sei denn, es durchleuchtet alle Lieferanten bis ins letzte Detail.

    Eigentlich kaufen Unternehmen Waren und Dienstleistungen bei Zulieferern ein.



    Dem Lieferkettengesetz entsprechen würde es, wenn Verbraucher für die Produktion der Waren haften, die sie kaufen.



    Wer möchte für seinen Supermarkt, für seine Telefonanbieter die Hand ins Feuer legen?

    Und bei alledem gibt bis heute nicht einen Hinweis darauf, dass das Gesetz auch nur ein Kind befreit hat.



    Auch der Artikel schreibt nur davon, was das Gesetz "leisten soll".



    Leistet es denn überhaupt etwas?

    • @Frauke Z:

      Wunderbar, genau das ist es, was die hiesigen Unternehmen bewegt. Wenig eigene Handlungsmöglichkeit, hier Aufwand, hohes Risiko. Denn: spätestens beim zweiten Zwischenlieferanten hört die effektive Überwachungsmöglichkeit auf. Und es trifft gerade nicht nur die großen...JEDER Zulieferer an Siemens, BMW, Bayer (das Gesetz unterscheidet nicht, ob Kaffee, Kakao, Pharma oder Hightech) muss sich darauf einlassen, wenn weiterhin geliefert werden soll - der Kontrollazfwand explodiert auch gerade für die kleineren Unternehmen. Gut gedacht, schlecht gemacht, das zeichnet leider die gutmeinende Politik aus. Die Folge ist der schreckliche Rechtsruck... Nicht ursächlich eine "rechter" gewordene Bevölkerung.

  • Vor etwa 20 Jahren wäre ein Minister der Grünen, der zum wiederholten Mal in diesem Maße das Geschäft des politischen Gegners betrieben hätte, zum Rücktritt gezwungen worden und es wäre ein Parteiausschlussverfahren von der Basis angestrengt worden. Das Schlimmste ist aber, dass die Führungsriege, ob im Bund oder den Ländern, die grüne Partei nur noch dazu benützen, sich selber an den Fleischtöpfen der Macht zu halten.

    • @Tastenpunk:

      Wer soll eigentlich NICHT zurücktreten in dieser Verwandtschaft, die sich von allen Klimainitiativen und damit von einer aktiven WählerInnenschaft verabschiedet hat. Grüne, FDP, der blinde Scholz, die schwarze Gang, alles die gleiche Sosse....

    • @Tastenpunk:

      Schön auf den Punkt gebracht.



      Der Sonntag hat endlich gezeigt was viele Parteigänger mit Verweis auf die stabile Sonntagsfrage seit Monaten leugnen: Die Habeck-Baerbock-Grünen sind einfach nur lost.



      Vielleicht ist es aber auch schon schlimmer... und sie sind schon im Neo-Stadium angekommen.