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Illegales Parken auf dem GehwegKommunen müssen einschreiten

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Anwohner können gegen zugeparkte Gehwege vorgehen. Der Städte- und Gemeindebund gewinnt dem viel ab.​

Nervt Anwohner: ein Auto in der Bremer Innenstadt, aufgesetzt auf dem Gehweg

Leipzig/Bremen/Berlin dpa | Anwohnerinnen und Anwohner können unter bestimmten Umständen von Straßenverkehrsbehörden verlangen, dass sie gegen Autos auf Gehwegen vorgehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag entschieden.

Voraussetzung ist, dass die Nutzung des Gehwegs vor der eigenen Haustür erheblich eingeschränkt ist. Der Anspruch der Anwohner ist räumlich begrenzt. Kläger Wolfgang Köhler-Naumann aus Bremen sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es ist ein Novum in der deutschen Rechtsprechung, dass man bei Behinderung durch illegales Gehwegparken das Recht hat, zu fordern, dass die Kommune einschreiten muss.“

Der ökologische Verkehrsclub VCD teilte am Abend in einer Stellungnahme mit: „Alle deutschen Städte, die beim Gehwegparken die Augen zugedrückt haben, müssen jetzt umdenken.“ Die Kommunen seien aufgefordert, die Straßenverkehrsordnung durchzusetzen. Die Deutsche Umwelthilfe forderte Städte und Gemeinden auf, Ordnungsgelder zu verteilen oder Autos abschleppen zu lassen.

Geklagt hatten fünf Eigentümer aus Bremen gegen die Stadt. Über das sogenannte aufgesetzte Parken mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig wurde in Bremen seit mehreren Jahren gestritten. Ohne Erlaubnis ist dieses verboten. In vielen deutschen Kommunen wie Bremen ist das aufgesetzte Parken dennoch verbreitet und Behörden dulden es.

„Wegweisende“ Entscheidung

„Gewonnen haben die Kläger auf jeden Fall“, sagte der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Henning J. Bahr der Deutschen Presse-Agentur. Die Stadt Bremen werde verpflichtet, tätig zu werden. Die Kläger hätten allerdings nicht erreicht, dass sich die Stadt direkt um ihre Straßen kümmern müsse. Die Kommune könne in einem Konzept am stärksten betroffene Straßen priorisieren. Der Jurist nannte die Entscheidung „wegweisend“.

Das Bremer Mobilitätsressort, das von Özlem Ünsal (SPD) geführt wird, lobte das Urteil am Abend. Ünsal sagte in einer Mitteilung, das Urteil bestätige das Vorgehen des Ressorts. Man setze derzeit ein stadtweites Konzept um. „Wir nehmen unsere öffentliche Aufgabe sehr ernst“, so Ünsal. Man werde gegen illegales Gehwegparken vorgehen. Kläger Köhler-Naumann sagte, es sei enttäuschend, dass die Stadt weiter auf Zeit spielen könne, um Maßnahmen umzusetzen.

Das Bremer Verwaltungsgericht hatte 2021 entschieden, dass die Kläger ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde verlangen können. Die Behörde könne entscheiden, welche Maßnahme sie wähle. Das Bremer Oberverwaltungsgericht bestätigte das 2022 in einem Urteil grundsätzlich. Es entschied aber anders als die Vorinstanz, dass die Behörde einen Spielraum habe, ob sie einschreite. Gänzlich tatenlos könne sie allerdings nicht bleiben. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte das.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts begrüßt, dass Anwohner gegen zugeparkte Gehwege vorgehen können. Das Urteil schaffe Rechtssicherheit für Straßenbehörden, kommunale Ordnungsämter, Bewohnerinnen und Bewohner und nicht zuletzt für Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, teilte der Verband am Freitag mit.

Der DStGB fordert nun einen anderen Rechtsrahmen für die Kommunen, um die Aufteilung und Nutzung des öffentlichen Raums anzugehen. „Natürlich müssen Parkplätze für jene vorhanden sein, die auf ihr Auto angewiesen sind“, hieß es in der Stellungnahme des Verbands. Es müssten aber auch Alternativen zum Auto gestärkt werden, also Radfahrer und Fußgänger sowie der öffentliche Personennahverkehr. „Die dringend notwendige Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes würde den Kommunen mehr Handlungsspielraum geben.“

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11 Kommentare

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  • "grundsätzlich verkehrsüblich und gemeinverträglich"



    Kern des Problems ist die Legalisierung der Parklawine 1966. Zuvor brauchte, theoretisch, jedes Kraftfahrzeug einen privaten Abstellplatz:



    BVerwG, Urteil vom 4. März 1966



    – Az. IV C 2/65



    "Damit erweist sich das Abstellen von Kraftfahrzeugen über Nacht sowie an Sonn-



    und Feiertagen an öffentlichen Straßen als grundsätzlich den Verkehrsbedürfnissen entsprechend



    und damit



    als grundsätzlich verkehrsüblich und gemein verträglich



    . Es gehört daher zum



    Parken im Sinne von



    § 16 StVO [§ 12 StVO n. F"

    www.rewi.uni-jena....n-strassenraum.pdf Seite 12

  • Müssen wollen dürfen



    @ BRENDANB



    "Brauchen die Behörde ein Gerichtsurteil, um sich bestätigen zu lassen, dass sie die Straßenverkehrsordnung durchsetzen dürfen?" Überzeugen müsste mensch die Kommunen, dass sie .geltendes Straßenverkehrsrecht durchsetzen MÜSSEN. Aber scheint's müssen sie nicht ..... Nach wie vor nicht.

  • Zu verstehen ist alldies immer noch nicht: Nach StVO unzulässig: Wo bleibt da. eigentlich, ein "Spielraum" ????? Wieviel Rote-Ampel-Fahren is denn dann z.B. zulässig ?

  • Yessss



    aaaber: Allejahrewieder steht was im großstädtichen Amtsblatt, wird Aktionistisches angekündigt, und geschieht: wieder nix. Immerhin dürfen ein paar Schrebergärtner im Grünzug tatsächlich nicht mehr den breiten Gehweg zuparken, sodass die paar gelegentlichen Fußgänger auf den ebenfalls breiten Radweg ausweichen müssen. In umliegenden Vierteln aber parken sie selbst die (abgeflachten) Ecken an den Kreuzungen zu, und die Parkplatzkontrolleties sagen dir dann, die Stadtverwaltung gebe vor, nicht einzuschreiten.

  • Ich vermute, dass die Kommunen weiter jeden Spielraum nutzen werden, um nicht gegen zugeparkte Gehwege vorgehen zu müssen. Es wird eine Flut von nebulösen "Konzepten" mit unklaren Zeithorizonten geben, um ja nicht handeln zu müssen. Die Kalkulation Wählerstimmen der Autonutzer gegen Wählerstimmen der Fußgänger ändert sich ja nicht.

    • @BommelDrommel:

      Hier bei uns haben die Grünen das Sagen und gehen sehr strikt vor. Bei den nächsten Wahlen werden sie abgestraft. So viel steht fest. Wer das als Politiker nicht will, muss das dann halt etwas lockerer sehen.

  • Verlangen kann man viel von Behörden, mit der Ausführung hapert es immer öfter.



    Eine weitere Illegalität ist der gewollt erzeugte, sehr oft rechtswidrige Motorradlärm. Laut VAgM e. V. knicken Politik und Behörden trotz Klagen und Beshwerden seitens Verbänden, Vereinen und Initiativen sowie generell von Lärmgeschädigten wieder mal vor den Lärmterroristen ein.



    Dabei muss man berücksichtigen: Motorradlärm, auch Auspufflärm von PKWs wird ABSICHTLICH erzeugt, gesetzwidriges Parken erfolgt meist notgedrungen.

  • Viele Städte sind historisch gewachsen, Parkplätze für Autos waren einfach nicht vorgesehen. Wenn man jetzt aber alle pragmatischen Lösungen abschafft und hofft, dass sich das Problem von alleine erledigt, wird man wohl enttäuscht sein. In meiner Heimatgemeide wurden Parkplätze gestrichen, Radwege auf die vorhandenen Straßen gemalt und Fahrradstraßen eingerichtet. Nach Protesten der Bürger, trat der Bürgermeister und der Stadtrat wieder den Rückzug an. Die Stellen der Stadtpolizei, die man nahezu verdreifacht hatte, wurden wieder gestrichen - die nächste Wahl stand halt an.

  • Auch wenn das noch nicht ausreicht, ist es der erste Punkt, um den Ordnungsämtern und Verkehrsdezernenten mal abzuverlangen, ihre Arbeit auch zu machen. Für Menschen und nicht für Autos.

  • Ja, es ist wirklich ein Novum. Das sagt viel über unser Land und die Menschen hier aus. Gleichzeitig sehe ich in meiner Stadt, wie ältere Damen mit ihren Gehhilfen, Eltern mit Kinderwagen und Kinder auf ihren Laufrädern leider auf die Straße ausweichen müssen, weil der Gehweg wieder einmal zugeparkt ist.

  • "Das Urteil schaffe Rechtssicherheit für Straßenbehörden, kommunale Ordnungsämter,"

    Wie das? Parken auf Gehwegen ist und war verboten. Daran hat sich durch das Urteil nichts geändert. Brauchen die Behörde ein Gerichtsurteil, um sich bestätigen zu lassen, dass sie die Straßenverkehrsordnung durchsetzen dürfen?