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Kritik an Bafög-ReformViele sehen Nachholbedarf

Der Bundestag debattiert über die Bafög-Reform. Der Entwurf sieht keine Erhöhungen des Bafög-Satzes oder des Wohnkostenzuschusses vor.

Auch das Leben für Studierende wird immer teurer Foto: Christoph Hardt/imago

Berlin taz | Der Bundestag hat am Donnerstag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bafög debattiert – und Kritik daran gab es selbst aus der eigenen Koalition: „Wenn wir die Bedarfssätze und Wohnkostenpauschale nicht anheben, wird es bis 2025 keine Erhöhung geben. Das ist nicht hinnehmbar“, sagte Lina Seitzl von der SPD. Laura Kraft (Grüne), die den Entwurf ebenfalls kritisiert hatte, war in der Debatte hingegen etwas versöhnlicher. Sie forderte, dass „wir in dieser Koalition schauen, wie wir das Bafög noch so weit verbessern, dass es zu der aktuellen Lebensrealität der Studierenden passt“.

Auch die Opposition kritisierte die Bafög-Reform bei der ersten Beratung des Gesetzes aus dem Bildungsministerium von Bettina Stark-Watzinger (FDP). Nadine Schön (CDU) bemängelte etwa, dass sich bereits die erste Reform 2022 auf eine Erhöhung der Bedarfssätze beschränkt hat, „diese wurden aber von der enormen Inflation wieder aufgefressen“.

Trotz steigender Lebenshaltungskosten sieht die Strukturreform keine Erhöhung des generellen Bafög-Satzes und des Wohnkostenzuschusses vor. Außerdem ist keine dynamische Anpassung an die Einkommensentwicklung im Entwurf enthalten, wie beispielsweise bei Bürgergeld, Renten und Abgeordnetendiäten. Auch der Bundesrat fordert, das Bafög zumindest auf gleiche Höhe wie das Bürgergeld anzuheben. Aktuell liegt der Grundbetrag des Bafög bei 452 Euro, das sind 111 Euro weniger als beim Bürgergeld.

Geplante Änderungen

Im Gesetzentwurf des Ministeriums für Bildung und Forschung sind mehrere Änderungen geplant, die vor allem auf arme Studienanfänger abzielen. Unter anderem durch eine Starthilfe sollen Studierende aus Familien, die Sozialleistungen beziehen, einmalig 1.000 Euro erhalten.

Außerdem sind Fachwechsel bis zum fünften statt wie bisher nur bis zum dritten Semester möglich. Zudem wird ein sogenanntes Flexibilitätssemester eingeführt, mit dem Studierende auch ein Semester länger als die bisherige Maximaldauer gefördert werden können.

Im Koalitionsvertrag der Ampel steht, dass Freibeträge deutlich erhöht und die Bedarfssätze angehoben werden sollen, vor allem wegen der sehr stark gestiegenen Wohnkosten. Hinter diesen Vorsätzen bleibt die Bafög-Strukturreform zurück. Die Freibeträge sollen zwar um 5 Prozent erhöht werden, die Bedarfssätze allerdings nicht.

Kritik an der Reform

Entsprechend fordert ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, kirchlichen Organisationen und Studierendenvertretungen deutliche Änderungen an dem Gesetzentwurf. „Die Mehrheit der in WGs lebenden Studierenden ist von Armut bedroht oder akut betroffen, hier muss die Ampelkoalition ansetzen. Studieren muss unabhängig der finanziellen Mittel möglich sein“, forderte Rahel Schüssler, Referentin für Bafög und studentisches Wohnen des Studierendenverband fzs.

Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagte: „Diese Misere ist nicht nur sozialpolitisch skandalös, sondern verschärft auch den Fachkräftemangel, weil die Studienanfängerzahlen zurückgehen und die Studienabbrüche zunehmen.“ So würden die Vorschläge im Gesetzentwurf nur einen Teil der finanziellen Mittel nutzen, die im Haushalt für einen Ausbau des Bafög vorgesehen wurden. Von ursprünglich 150 Millionen Euro würde die aktuell geplante Strukturreform nur 62 Millionen Euro verwenden.

Nach der ersten Debatte wird der Gesetzentwurf an die Ausschüsse verwiesen und überarbeitet. Möglich also, dass hier nicht nur die Opposition noch auf Änderungen drängt.

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4 Kommentare

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  • 452 Euro insgesamt.

    Derweil sich unsere Bundestagsabgeordneten ab 1. Juli eine Erhöhung *um 635.50 Euro* genehmigen.

    Obszön, würd' ich sagen.

  • Bafög ist ein Feigenblatt das kaschieren soll, dass akademischer Rang von nichts so sehr abhängt als von der sozialen Herkunft.



    Wie eine aktuelle Studie wieder sehr anschaulich gezeigt hat.

  • Tja und damit kann die Reform gleich wieder nach Hause gehen. Solange es nicht substanziell mehr Geld vor allem bei den Wohnkosten gibt und der Anteil der Beziehenden von derzeit traurigen 11 Prozent auf deutlich über 30 erhöht wird, brauch man von Bildungsgerechtigkeit in DE nicht zu reden.

    Das Ganze schlägt einen Bogen zur Kindergrundssicherung, die viel zu niedrig und bis heute nicht beschlossen ist. Die FDP ist dabei an Zynismus unübertroffen. Gerade hat sie die Mittel fürs BAföG um hunderte Millionen gekürzt. Jetzt ist EU Wahlkampf und man will ein völlig ausgehöhltes Gesetz verabschieden, das niemandem Hilft uns keinem was bringt.

  • Das BAföG sollte einfach komplett gestrichen werden. Dann könnten die Studierenden Bürgergeld beziehen und gut ist's. Es ist ein Relikt der sechziger Jahre, dass man empört meinte, es dürfen ja nicht Hinz und Kunz studieren. Wer keine Scheine entsprechend üblichem Studienverlauf vorlegt, muss dann eben wieder Arbeitsbemühungen zu über 20 h / Woche nachweisen, um einer Sanktion zu entgehen. Dann endet das Studium automatisch.