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Kabinett beschließt neues RentenpaketNach den Boomern kommt das Glück

Kommentar von Wolfgang Mulke

Die Ampelkoalition einigt sich auf das zweite Rentenpaket. Damit wird die Mindesthöhe der Rente gesichert – und die Beiträge steigen kräftig.

So schnell wie die Boomer ins Rentnerleben eintreten, so schnell wird sich ihre Anzahl Mitte der 50er verringern Foto: Frank Hoermann/imago

N ach der Reform ist vor der Reform. Auch das aktuell beschlossene Rentenpaket II wird nicht der letzte Versuch zur Stabilisierung der Rentenfinanzen bleiben. An Vorschlägen dafür mangelt es nicht. Im Gespräch sind die Anhebung des Rentenalters, ein Ende der abschlagsfreien Rente nach 45 Berufsjahren oder der teilweise Umstieg auf die Finanzierung über Aktienanlagen.

Kein Vorschlag alleine löst das Grundproblem des Rentensystems dauerhaft. Es besteht ein wachsendes Missverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Rentnern. Dadurch droht eine hohe Belastung der Beitragszahlenden, insbesondere der jüngeren Versicherten und der Arbeitgeber. Die große Frage ist, wie eine Überlastung vermieden werden kann.

Das nun beschlossene Rentenpaket ist dazu nur bedingt geeignet. Es sichert auch künftigen Rentnern ein gewisses Mindestniveau ihrer Ansprüche. Damit verteuert es das System tendenziell noch. Entlastung soll das aktienbasierte Generationenkapital bringen.

Von einem großen Wurf kann hier jedoch nicht die Rede sein. Es soll ab Mitte der 30er Jahre jährlich 10 Milliarden Euro einbringen. Angesichts von Ausgaben der Rentenkasse in Höhe von fast 375 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist die Entlastung minimal. So rechnet auch die Bundesregierung mit einem kräftig ansteigenden Beitragssatz ab dem Jahr 2028. Dann geht es von 18,6 Prozent des Bruttolohnes auf 22,3 Prozent im Jahr 2040 hoch. Bei einem Bruttolohn von 4.000 Euro müssen Arbeitnehmerinnen wie auch die Arbeitgeber dann 74 Euro mehr im Monat bezahlen.

Babyboomer haben ausgeboomt

Im Vergleich zu den Spitzenbeiträgen von über 20 Prozent, die die Boomergeneration früher mal entrichtet hat, sind es 40 Euro Mehrbelastung. Der Vorwurf, die Rentenpolitik gehe einseitig zulasten der jüngeren Generation, stimmt daher nur bedingt.

Auch steht es um die Aussichten junger Leute mit Blick auf die eigene Rentenerwartung gar nicht schlecht. So schnell wie die Boomer ins Rentnerleben eintreten, so schnell wird sich ihre Anzahl Mitte der 50er verringern, was zu sinkenden Rentenausgaben bei hohen Einnahmen führt. Für die danach in den Ruhestand gehenden Generationen sieht es also nach einer guten Rente aus. Wer heute 30 Jahre alt oder jünger ist, kann daher eher optimistisch sein.

So bleibt die Frage nach der Belastungsgrenze. Sie kann heute nicht abschließend beantwortet werden. Die Höhe der Rentenbeiträge hängt vom Arbeitsmarkt, der Lohnentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ab. Insofern sind langfristige Prognosen von erheblichen Unsicherheiten geprägt. Bisher jedoch konnte noch jede Schieflage durch Reformen vermieden werden.

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12 Kommentare

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  • Heute beim Focus bekam ich Werbung von der Deutschen Rentenkasse eingespielt: www.deutsche-rente...endliche_node.html



    So schön und gut dieses Projekt ist, aber was hat die Deutschen Rente mit gesundheitlichen Rehamassnahmen zu tun. Warum müssen ArbeiterInnen dem Arztkind seine Reha bezahlen?

    • @Arne M:

      "Reha vor Rente" ist doch seit hundert Jahren erfolgreich, wer will schon eine Rente , wenn er durch Reha weiter ein Erwerbseinkommen erzielen kann ? Die Rentenversicherung bezahlt deswegen pro Jahr ca. 1 Mio Rehaverfahren, seit einger Zeit auch für Kinder. Das Arztkind bekommt seine Reha zu Lasten der Rentenversicherung , wenn seine Eltern bei der Rentenversicherung versichert sind und dort Beiträge bezahlen. Die Unterscheidung in LVA (Arbeiter) und BfA ( Angestellte) gibt´s seit 2000 nicht mehr, alle sind bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) versichert.

  • Wir sollten im Auge behalten, dass es in jeder Gesellschaft die „Jungen“ gibt, die arbeiten und den gesamten Warenkorb generieren und die „Alten“ die daraus auch mitversorgt werden.



    Sich allein auf die Frage zu konzentrieren, wie viel Junge gibt es und wie viel Alte, greift viel zu kurz, denn eine Gesellschaft besteht nicht nur aus der Menge ihrer Mitglieder sondern auch aus den technischen Möglichkeiten, ihrer Produktivität.



    Variante A) wäre es, die Löhne auf das produktiv Äquivalent von 1950 anzuheben und dann über Sozialabgaben auf das heutige Netto zu senken. Es sähe für die arbeitenden Individuen verwirrend aus und würden zu Vermeidungsstrategien anregen.



    Variante B) ist neue Einnahmequellen zu gerieren, wie Beamte oder Selbständige in die Rentenkasse einzahlen zu lassen, das ist jedoch nicht nachhaltig, da diese Quelle ja ebenfalls zu Rentenempfängern wird und damit keine dauerhafte Lösung für eine schrumpfende Gesellschaft ist.



    Variante C) ist über Verbrauchssteuern abzuschöpfen und das in die Rentenkasse fließen zu lassen.



    Über das Thema muss primär immer der Gesamte Warenkorb ins Auge genommen werden und über seinen Summeninhalt für eine gerechte Verteilung gesorgt werden.

    • @Andreas Severidt:

      Das stimmt , man muss den ganzenWarenkorb betrachten. Rentner werden ja nicht versorgt und um das Geld , das sie erhalten physisch zu verbrennen. Es fließt zurück , lohnintensiv z.B. in verschiedene Konsumformen , dort erzeugt es wieder Beiträge bei den aktiven Beitragszahlern. Es gibt dazu verschiedene Untersuchungen unter dem Titel "Kaufkraft der Rentner" .

  • Mit der Aktienrente werden wir alle indirekt zu Börsenspekulanten.



    Jede Reform des Finanzwesens, zum Beispiel die Einführung einer Transaktionssteuer, kann nun mit dem Hinweis, die Rente werde damit gefährdet, verhindert werden.

  • Auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn eigentlich leiden wir, auch mit der kommenden KI unter zu starker Automation. Für die Renten müsste es eine Art "Maschinensteuer" geben. Solch eine Zusatzbelastung klingt natürlich wirtschaftsfeindlich. Unter einem anderen Namen klingt es jedoch zukunftsweisend. Als Kapital-gedeckte Rente profitiert man von den Erträgen. Ein dauerhaft gefüllter Staatsfonds garantiert auch dauerhaft Geldmittel für Rentner. Nur so werden wir mit dem demographischen Faktor klar kommen.

  • 1962 kamen noch 6 Beitragszahler auf einen Renter, 2020 sind es noch 1,5 Beitragszahler. Mit dem Tod der Boomer wird die Situation leider nicht viel besser, 2050 sind es nur noch 1,3 Beitragszahler pro Rentner. Die hier angegebenen 376 Milliarden sind sehr viel Geld, es werden aber bald 800 Milliarden sein.



    Im übrigen bezogen 1962 Rentner im Schnitt 10 Jahre Rente, heute sind es 21 Jahre Tendenz steigend. Wie man da weiter an der Rente mit 64/65 festhalten kann ist mir schleierhaft. Ebenso warum das Eintrittsalter nicht an die Lebenserwartung gekoppelt wird…. Aber klar Deutsche sind ja alles Dachdecker….

    • @Wombat:

      Die Sache mit dem Dachdecker kommt daher, dass die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung 2001 über Nacht abgeschaft worden war, weil sie nicht missbrauchssicher ( als Instrument der Arbeitsmarktpolitik), mit der Folge Kostenexplosion war. Somit sind die Handwerksberufe seither nicht mehr berufsspezifisch versichert. Deswegen schleppen wir die Berücksichtigung der besonderen Risiken der Handwerker in der allgemeinen Diskusssion auch für die versicherten 2/3 akademischen und Büroberufe mit. Sinnvoll wäre die Wiedereinführung der gesetzlichen Berufsunfähigkeitsversicherung , im Gegensatz zu früher mit einem besseren Missbrauchsschutz, dann wären alle gut versichert

  • Belastungsgrenze? Welche Belastungsgrenze? Selbst, wenn ich privat vorsorge, muss ich monatlich ungefähr die Hälfte des Betrages zurücklegen, den ich später ausgezahlt bekommen will. Das liegt ganz einfach daran, dass ich ca. 40 Jahre lang arbeite, um ca. 20 Jahre lang Rente zu beziehen. Lege ich mein Gespartes in den richtigen Wertpapieren an (möglichst weltweit breit gestreut), erhalte ich am Ende vielleicht noch etwas über den reinen Inflationsausgleich hinaus als Sahnehäubchen. Ich kann aber auch Pech haben. Sinkt die Geburtenrate, hat man mit einem Überschuss an Rentnern zu kämpfen, aber dafür steigt rein statistisch der individuelle Wohlstand z. B. durch Erbschaften tendenziell, natürlich nicht für alle.



    In die Bredouille kommen als Rentner hauptsächlich diejenigen, die niedrige Einkommen und evtl. eine löchrige Erwerbsbiographie hatten, da sie weder eigenes Vermögen ansparen können noch eine auskömmliche Rente erhalten. Um dieses Problem müssten wir uns eigentlich zuerst kümmern, aber solange wir das Geschwätz einiger "Experten" glauben, dass ein entsprechend höherer Mindestlohn schlecht für die Wirtschaft sei, wird uns die Altersarmut wohl noch lange erhalten bleiben.

    • @Aurego:

      ... und man könnte die Sozialsysteme auch auf eine breitere Basis stellen, und Extrawürste wie für Beamte abschaffen, funktioniert in anderen Ländern sehr gut.

      • @Axel Schäfer:

        Das stimmt. Die Versorgungsprivilegien der Beamten (Pensionshöhe und -Steigerungen) haben sich verselbständigt. Ökonomisch macht das aber im Vergleich mit den über Jahrzehnte zu niedrig berechneten Beiträgen m.E. relativ wenig aus.Das ist eine politische Frage. Die schlechte Leistung der gesetzlichen Versicherung "treiben den privaten Versicherern die Hasen in die Küche " hat Norbert Blüm vor ca. 20 Jahren gesagt. Umgekehrt : Je besser die Leistungen der Gesetzlichen Verischerung , desto weniger Grund zur Flucht und Argumente für Aktien und Sonderversorgungen gibt es. Das Grundprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung ist immer noch etwas unerreicht Solides.

    • @Aurego:

      Die einzige positive Nachricht ist , dass der Beitrag ab 2028 bis auf 22,3% steigen wird. Das ist allerdings etwas zu spät und wird sich frühestens mit dem Wegsterben der Boomer in den 50ern auswirken, kalt gerechnet. Löchrige Erwerbsbiographien sind ein Grund, der Mindestlohn erst ab 2015 der andere für geringe Punktzahlen auf dem Rentenkonto. Wer Renten auf Aktien aufbaut muss Zahlungen der Aktiengesellschaften , die nicht an ihn geleistet werden finanzieren. Das gilt es zu beachten. Der DGB hat auf seiner Rentenseite stehen: "Die Berechnung der Grundrente ist komplex". Das ist wahr und daher geht es darum etwas zu vereinfachen , damit diejenigen, die zahlen und entscheiden die Konsequenzen besser verstehen.