piwik no script img

Buch über italienische EssensmythenPasta mit heiligem Ernst

Um italienisches Essen wird viel Gewese gemacht. Der Historiker Alberto Grandi räumt in einem Buch mit den größten Mythen auf.

Spaghetti-Performance mit Alfonso Sessa Foto: Jungeblodt

N eulich hatte ich Probleme, im Supermarkt Spaghetti zu finden, die nicht mit Bronzeformen hergestellt wurden. Das war vor einigen Jahren noch umgekehrt. Damals lernte ich, dass die guten Pastafabrikanten in Italien ihren Teig allesamt durch Formen aus Bronze pressen (anstelle von teflonbeschichteten). Das ist teurer, aber dafür ist die Nudeloberfläche angeraut, was wiederum die Soßenaufnahmefähigkeit verbessert. Und darum geht es schließlich.

Die Bronzekunde verbreitete sich offenbar schnell. Kein Wunder: Wenn es um italienische Küche geht, ist es sehr wichtig, alles genau so wie die Italiener zu machen. Nudeln müssen al dente sein, klar. Sie sollten außerdem schon vorm Servieren mit der Sauce verrührt werden. In die Sauce sollte immer etwas Nudelwasser, denn seine Stärke bindet. Apropos Nudelwasser: Hier gehört Olivenöl so wenig hinein wie beim Verzehr ein Löffel auf den Tisch oder Parmesan auf Spaghetti Frutti di Mare.

So sehr es sich bei alldem um sinnvolle Tipps handeln mag, sind es doch gleichzeitig auch Distinktionssignale. Schaut her, sagen sie, ich weiß wirklich, wie man in Italien kocht – am besten ergänzt durch eine Reiseanekdote, wo man es vor Ort gelernt hat. Und, bitte: Es heißt „Ragù alla Bolognese“ und man isst es mit Tagliatelle, nicht mit Spaghetti.

Dummer deutscher Gaumen

Der heilige Ernst der Italiener im Umgang mit ihrem Essen und ihre empörten Reaktionen (Ananas auf Pizza?!?) sind längst eine eigene Internethumor-Kategorie. Etwas entspannter sieht die Sache Alberto Grandi, ein Historiker aus Parma. Seine These: Der Mythos der italienischen Küche ist erst in den 1970ern entstanden und wurde seitdem systematisch groß gemacht. Und auch viele Gerichte sind noch gar nicht so alt, bei ihrer Popularisierung spielten die italienischen Amerika-Auswanderer vor 100 Jahren eine wichtige Rolle. Gern verwendet Grandi den von Eric Hobsbawm geprägten Begriff der „erfundenen Tradition“.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Dieser Tage erscheinen Grandis Thesen in Deutschland in Buchform („Mythos Nationalgericht“, Harper & Collins). So war beispielsweise Parmesan vor dem Zweiten Weltkrieg noch deutlich weicher als heute. Die Carbonara wurde in den USA erfunden und auch die Tomatensauce war lange in Italien wenig bekannt. Besonders genüsslich nimmt Grandi sich den Zinnober vor, den die Italiener mit ihren Gütesiegeln für regionale Zutaten betreiben, DOP, IGP, PAT und wie sie alle heißen.

Im Supermarkt habe ich schließlich die letzten glatten Nudeln gekauft, weil mein dummer deutscher Gaumen ab und zu Spaghetti mit Butter und Parmesan mag und sie dafür besser geeignet findet. Das mit den Bronzeformen ist bestimmt eh nur ein Marketingtrick.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Für die religiösen und spiritistischen Spagettianbeter:



    www.google.fr/url?...5kN6xP6mXwFYWKNJlF

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Ich vergass: das Foto spricht ja auch Bände



      Schönen Sonntag

  • Ob man es Ragout a la Bolognese oder wie im Schwabeländle Haschee nennt, ist doch wumpe. Am Ende ist doch alles bei genauer Betrachtung belegtes Brot. 😁

  • Das Buch möchte ich lesen!



    Hatte gerade teure Mancini-Pasta (Bronce only, 10Euro/Kilo) zu Mittag. So was pelziges kommt mir nicht wieder in die Küche! Die Verpackungs-Haptik und Werbe-Lyrik können auch leider nicht über den flachen Geschmack hinwegtäuschen. Verkaufen wohl mehr im Ausland ;-)



    Ich bevorzuge weiterhin den ital. Marktführer mit "B"! Diese Nudeln esse ich auch gern solo, leicht gesalzen und mit wenig(!) Butter, bevor ich die Soße hinzufüge ...

  • Naja, Rezepte mit Mortadella, Marzipanmasse, Ravioli und Tortellini findet man schon im Liber de Coquina aus dem späten Mittelalter. Lucanica, Crescentine und Kalbsbraten mit Rosinen sind sogar noch viel älter und werden schon im Kochbuch des Apicius beschrieben.



    Spaghetti sind ursprünglich jedoch gar nicht Teil der italienischen Küche. Angeblich wurden sie von Marco Polo aus China mitgebracht und Tomaten waren im 17. Jhdt. noch nicht Teil des Pizzabelags (obwohl es das Wort "Pizza" damals schon gab).

    Wer die klassische italienische Küche kennenlernen will, greift am bestem immer noch zum Artusi (der sich nicht sehr positiv über die deutsche Küche äußert).

    Und daneben gibt es ja auch die vielen regionalen italienischen Spezialitäten. Gerade im tiefen Süden Italiens gibt es noch jede Menge zu entdecken.