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Gutachten zu überhöhten MietenMietwucher den Kampf ansagen

Ein neues Gutachten kommt zum Ergebnis: Mietwucher ließe sich durch eine Reform besser bekämpfen. Die Bundesregierung bleibt skeptisch.

Wie kommt man Haien, die Wucher betreiben, juristisch bei? Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, will Mietwucher stärker bekämpfen. Oder wie er es formuliert: die derzeitige Rechtsprechung „geländegängig“ machen. Dafür hat der Deutsche Mieterbund ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie die derzeitigen Regelungen reformiert werden könnten.

Derzeit gilt: Übersteigt eine vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 20 Prozent, wird rechtlich von „Mietpreisüberhöhung“ (Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz) gesprochen. Dies ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro bestraft werden.

Sind es mehr als 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete und nutzt der Vermieter eine Zwangslage aus, gilt das als Straftat. „Wucher“ (Paragraf 291 Strafgesetzbuch) kann mit Geldstrafen und Haftstrafen bis zu 3 Jahren sanktioniert werden. Wichtig: In der öffentlichen Debatte werden meist beide Fälle als Mietwucher bezeichnet.

Das juristische Gutachten, das am Dienstag online vorgestellt wurde, beschäftigt sich mit Reformperspektiven für das Verbot der Mietpreisüberhöhung und der Frage, wie verfassungskonform ein Gesetzentwurf des Bundesrats ist, der im Frühjahr 2022 in den Bundestag eingebracht wurde, um Mietwucher besser bekämpfen zu können. Das Fazit: Verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken.

Verbot der Mietpreisüberhöhung „weitgehend wirkungslos“

Vom Bundesrat werden vor allem zwei Punkte gefordert: eine Verdopplung des Bußgelds, zudem soll es leichter werden, gegen überhöhte Mieten vorzugehen. Kritisiert wird, dass das bestehende Verbot der Mietpreisüberhöhung „in der Praxis weitgehend wirkungslos“ sei. Mie­te­r*in­nen müssen nachweisen, dass Ver­mie­te­r*in­nen das geringe Angebot an vergleichbaren Wohnungen bewusst ausgenutzt haben.

Was das in der Praxis bedeute, erklärte Katharina Wagner, Leiterin des Amtes für Wohnungswesen in Frankfurt am Main. Die derzeitige Rechtsprechung sei für die Verwaltung eine große „Herausforderung“ und für Mie­te­r*in­nen vor allem mit viel „Unsicherheit“ verbunden.

In Frankfurt würden über ein Onlinetool etwa 200 Verdachtsfälle überhöhter Mieten pro Jahr gemeldet. Darunter seien extreme Fälle, wo die Kaltmiete 1.700 Euro beträgt, obwohl sie laut Mietspiegel nur 900 betragen dürfte. Alle Fälle würden geprüft und gegebenenfalls Ver­mie­te­r*in­nen aufgefordert, die Miete zu senken. Wenn diese jedoch Widerspruch einlegen, geht es weiter vor Gericht. Dort müssen Mie­te­r*in­nen genau nachweisen, wo sie überall gesucht haben, wo sie abgelehnt wurden und dass diese schwierige Lage bewusst ausgenutzt wurde.

Kritik am Entwurf

Kilian Wegner, Juniorprofessor für Strafrecht an der Stiftung Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), der das Gutachten erstellt hat, versuchte die Bedenken der Bundesregierung zu entkräften. Diese sehe Schwierigkeiten beim „verfassungsrechtlichen Schuldprinzip“. Das hält Wegner aber für unberechtigt und vermutet eher politische Gründe dahinter.

Das Bundesjustizministerium steht dem Entwurf des Bundesrats jedenfalls nach wie vor kritisch gegenüber. Das Ministerium verweist auf taz-Nachfrage nur auf eine Aussage von Bundesjustizminister Marco Buschmann aus dem April 2022. „Für einen liberalen Justizminister“ sei der Bundesratsentwurf „weder sachlich vertretbar noch zielführend“, sagte er da. Der Vorschlag stehe „in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Prinzip der sozialen Marktwirtschaft“.

Beim SPD-geführten Bauministerium klingt das etwas anders. „Wucherisches Verhalten“ dürfe „nicht ohne Sanktionen hingenommen werden“, teilte es der taz mit. Daher sei es wichtig, dass der Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes „seine […] weitgehend eingebüßte Wirkung wieder entfalten kann“. Die Bundesregierung scheint sich offenbar nicht ganz einig zu sein.

„Dringend geboten und auch rechtlich möglich“

Rechtspolitikerin Zanda Martens (SPD) begrüßte das Gutachten und sieht eine Reform nun für „dringend geboten und auch rechtlich möglich“. Grünenpolitikerin Canan Bayram sagte, eine solche Reform wäre eine „große Erleichterung für viele Mieter*innen“, sei aber nur ein „Mosaikstein einer dringend anstehenden Reform des sozialen Mietrechts“.

Das Gutachten widerlege „all die vorgeschobenen Bedenken der Bundesregierung deutlich“, sagte die Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Linke) der taz. Dennoch verweigere die Bundesregierung „sich jeder Reform zum besseren Schutz von Mieterinnen und Mietern und verteidigt stattdessen die Interessen der Miethaie“.

Der Eigentümerverband Haus und Grund sieht grundsätzlich keinen Reformbedarf. Eine weitere Verschärfung sei ein „Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters“. Dies sei „eine weitere Stellschraube, um in den Mietmarkt einzugreifen und die Mieten künstlich zu beeinflussen“, heißt es in einer Stellungnahme zum Bundesratsentwurf.

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10 Kommentare

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  • Grundsätzlich wäre es wichtig, dass die Mieten sich nicht nur am Markt, sondern vor allem auch am (vielleicht Median-)Einkommen orientieren. Denn bei Grundbedürfnissen funktioniert das mit der Selbstregulation nicht.



    Aber auch dann muss es für jene, die finanziell unterdurchschnittlich gestellt sind, Wohnraum geben. Und alle in einen Block zu packen ist da eine schlechte Idee.



    Letztlich ist Wohnraum eine unterschwellige Form von Aufenthaltsrecht. Ich lese immer häufiger, dass Menschen einen Umzug nicht vollziehen oder gerade deswegen vollziehen, weil sie sich einen Ort nicht (mehr) leisten können. Das fordert letztlich auch Unternehmen heraus, die in weniger profitablen Branchen unterwegs sind. Es ist also durchaus auch von wirtschaftlicher Bedeutung.

  • Analog zu den klimapolitischen Forderungen, wie etwa beim Thema Mobilität, wären hier doch Forderungen nach Konsumeinschränkungen angebracht.

    Also max. 30 Quadratmeter pro Person (+ 10 weitere pro Nase

  • Solange es reicht, mit einem Bett und einem Tisch aus einer einfachen Mietwohnung ein möbliertes Apartment zu machen, solange bringen solche Gesetze reichlich wenig. Mit diesem "Kniff" lässt sich die ortsübliche Miete leicht umgehen.

  • Zunächst mal hier das Gutachten: mieterbund.de/app/...trafgesetzbuch.pdf

    Das Gesetz ist sowohl in der jetzigen Form, als auch in der Form der geplanten Änderung vollkommen untauglich, den der Mietwucherparagraph trennt nicht zwischen Alt- und Neubau. Bei der Berechnung des Mietspiegels werden Neubauten nicht berücksichtigt, wohingegen die ortsübliche Miete beim Wucherparagraph unter Berücksichtigung des Neubaus berechnet werden müsste. Ferner werden bei der Berechnung des Mietspiegels Anpassungen vorgenommen (z. B. werden hohe Mieten icht berücksichtigt) während die Ortsüblichkeit beim Wucherparagraphen ohne solche Anpassungen bleiben müsste.

    Weder Vermieter, Mieter oder Gericht könnten ohne Gutachter feststellen, was ortsüblich ist. Bei einer derart unklar formulierten Rechtslage halte ich das Ganze perse für verfassungswidrig - auch in der Fassung nach der geplanten Reform.

  • Der Mietspiegel verzerrt die Realität und sollte daher nicht als Vergleichsmaßstab für "Wucher" gelten. Dies wäre die sinnvollste Reform.

  • Ein verpflichtendes Register in der alle Mietverträge hinterlegt werden müssen wäre doch ein Anfang so lange man kein Mietendeckel durchsetzt. Dann muss auch keiner mehr klagen sondern kann einfach nicht mehr gewuchert werden.

    • @Oliver Grimm:

      Das ist falsch, den die Mietparteien können die Miete zwar auf Basis eines solchen Registers festlegen, sind dazu jedoch nicht verpflichtet. Insoweit kann sich insbesondere die Linke in der Stadt weiter um ein solches Register bemühen (es fehlt jedoch an der Zuständigkeit zur Verpflichtung der Auskunft), der erhofte Effekt würde jedoch ausbleiben.

  • Noch am 12.4.2022 resümierte die hier schreibende Journalistin, höhere Bußgelder könnten die Mietpreisüberhöhungen in den Griff kriegen. Wegen der Abschreckungswirkung. Freilich schrieb sie auch damals schon, dass der Weg aufgrund der Beweislast zu steinig sei. Der Schuldige war auch schnell ausgemacht: Justizminister Buschmann von der FDP.

    Fast auf den Tag zwei Jahre später, am 10.4.2024 ist es wieder die böse FDP in Person von Minister Buschmann, die es gewagt hat, die Mietpreisbremse mit der SPD nur um vier Jahre zu verlängern. Die hätte viel zu viele Ausnahmen und müsste insgesamt verbessert werden.

    Verbessert? Doch wohl eher als nutzlos abgeschafft... Denn was passiert eigentlich in der Praxis dort, wo eine Mietpreisbremse gilt? Richtig. Die Wohnungen werden nicht teurer. Aber der Wohnungsmangel bleibt erst einmal. Das heißt, es bewerben sich im Zweifel immer noch mehr Leute, als Wohnungen zur Verfügung stehen.

    Wen aber wählt ein Vermieter wohl in aller Regel dann aus, wenn man die Wahl hat? Die prekär beschäftigte Familie mit drei Kindern oder den gut situierten Beamten oder Berater, Double-income-no-Kids?! Bingo... Und der kriegt die begehrte Wohnung dann auch noch zum Premium-Preis, spart also Geld.

    Das Ergebnis ist also dasselbe: Gentrifizierung und Verdrängung sozial benachteiligter Personen vom Mietmarkt. Nur, dass die Preisentwicklung durch staatlichen Eingriff künstlich gehemmt wird, wovon dann aber im Zweifel wiederum nur Gutverdienende profitieren.

    Wer wirklich linke Politik für die unteren Einkommensschichten machen will, muss neuen Wohnraum fördern und sozial binden, und nicht die Mieten für Gutverdiener niedrig halten.

    Eine unabhängige Mietpreisüberprüfung wäre hier neben der Angebotsverbesserung sicherlich hilfreicher. Aber: Wenn ein Viertel als "angesagt" durch die Decke geht, sind Angebot und Nachfrage in aller Regel gnadenlos. Da hilft aber auch der Staat nicht. Wie vorstehend ausgeführt, erweist er den ärmeren meist einen Bärendienst.

  • Angebot und Nachfrage bestimmt den Preis. Ist so.

    Das Angebot ist knapp, zumal künstliche Mietpreisdeckel den letzten Investor nachdenklich stimmen.



    Die Nachfrage dagegen steigt dagegen überproportional.

    Was stimmt da nicht?

  • Die Miethaie pieksen hat keinen Sinn. Wir brauchen eine grundsätzliche, gemeinwohlfreundliche Änderung unseres renditeorientierten Mietzinssystems.

    De Fakto wird dies zu einer (entschädigunslosen) Rekommunalisierung der börsennotierten Wohnungsunternehmen führen müssen.

    Wer jetzt sagt "dies ist nicht rechtens"... .

    Doch! Guckst Du hier:

    de.wikipedia.org/w...ftung_(Wirtschaft)

    Müssen nur wollen... . ;-)