Spanien und Katalonien: Einigung auf Amnestiegesetz
Das Gesetz befreit Kataloniens Unabhängigkeitsbefürworter vom Vorwurf des Terrors und des Hochverrats. Rechte wollen vors Verfassungsgericht ziehen.
Am Donnerstag haben sich auf den neuen Entwurf die Sozialdemokraten von Regierungschef Pedro Sánchez und die Parteien der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter geeinigt. Letztere sind die in Barcelona regierenden Republikanischen Linken (ERC) und die Partei Gemeinsam für Katalonien (JxCat) des im Brüsseler Exil lebenden katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont. Das Gesetz dürfte angesichts der Mehrheitsverhältnisse sowohl im Justizausschuss wie im Parlament gebilligt werden.
Sánchez hatte die Amnestie versprochen, um die im letzten Herbst zur Regierungsbildung nötige Parlamentsmehrheit zu bekommen. Das jetzt dem Ausschuss vorgelegte Gesetz wird mehr als 400 Menschen betreffen, darunter auch mehrere dutzend Polizisten. Sie waren am Tag des Referendums in Katalonien im Einsatz und werden der Gewalt gegen friedliche Wähler und Wählerinnen beschuldigt.
Auf einer der kommenden Plenarsitzungen wird das Gesetz dann endgültig verabschiedet. Es wird anders als vor fünf Wochen eine Mehrheit bekommen. Damals hatte JxCat dagegen gestimmt, um Nachverhandlungen zu erzwingen.
Für rechte Richter ist Puigdemont ein rotes Tuch
Dabei ging es vor allem um die Delikte Terrorismus und Hochverrat. Entsprechende Ermittlungen wurden just parallel zu den Verhandlungen um die Amnestie von Ermittlungsrichtern wieder aktiviert. Die dazu ermittelnden Richter stehen Spaniens rechter Opposition nahe. Ihnen geht es um Puigdemont. Der soll, so die spanische Justiz, Massenproteste des sogenannten „Demokratischen Tsunami“ vom Exil aus organisiert haben.
Bei den Protesten im Oktober 2019 gegen die Verurteilung von neun Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten bis zu 13 Jahren Haft wegen „Aufstand“ wurde der Flughafen von Barcelona blockiert. In der Innenstadt kam es an mehreren Tagen zu Ausschreitungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dies sei Terrorismus gewesen, so der Vorwurf.
In einem anderen Verfahren wird Puigdemont Zusammenarbeit mit Russland vorgeworfen, um Spanien und der Europäischen Union zu schaden. „Lass nicht zu, dass die Realität eine gute Anschuldigung verdirbt“, sagte Puigdemont ironisch zu den Ermittlungen. „Es fehlt jetzt nur noch ein geheimes Bankkonto in Panama“, fügte er zynisch hinzu.
Die jetzt vereinbarte Version des Amnestiegesetztes nimmt Terrorismus und Hochverrat nicht grundsätzlich von Bestrafung aus. Doch die angewandte Definition begünstigt Puigdemont. Als Grundlage für zu amnestierende Delikte im Bereich vom Terror und Hochverrat dienen jetzt internationale Definitionen und nicht die spanische Rechtslage oder die Interpretation einzelner Richter.
Terrorismus ist nur dann von der Amnestie ausgenommen, wenn es entsprechend europäischer Richtlinien um vorsätzlich schwere Menschenrechtsverletzungen geht. Dies ist im Falle der damaligen massiven Proteste wohl kaum der Fall. Ähnlich beim Hochverrat. Der ist im Sinne der UN-Charta nur bei einer „wirksamen Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit Spaniens“ strafbar. Auch das war nicht der Fall.
„Vollständige Amnestie, die niemanden zurücklässt“
„Mit diesem Gesetz schließen wir eine Etappe der Konfrontation und Spannungen und öffnen eine Etappe des Dialogs“, sagte Justizminister Félix Bolaños vor dem Ausschuss. „Wir hatten uns verpflichtet, eine vollständige Amnestie zu erreichen, die niemanden zurücklässt, und wir werden eine vollständige Amnestie, die niemanden zurücklässt, beschließen“, bewertet JxCat die Einigung.
Die rechten Oppositionsparteien, die konservative Partido Popular (PP) und die rechtsextreme VOX, kündigten erneut an, im Senat die Verabschiedung der Amnestie hinauszuzögern und später vor das Verfassungsgericht zu ziehen. In der zweiten Parlamentskammer haben die Rechten die Mehrheit. Eine aufschiebende Wirkung wird dies Vorgehen aber nicht haben. Denn das Gesetz sieht die unmittelbare Umsetzung vor, sobald das Parlament es verabschiedet hat und es im Amtsblatt veröffentlicht wurde.
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