Kommentar von Jost Maurin zu den neuen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
: Aus Angst zu viel Fleisch

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beeinflusst maßgeblich, was hierzulande gegessen wird. Wenn Deutschlands wichtigste Vereinigung von ErnährungswissenschaftlerInnen zu weniger Fleisch rät, dann orientieren sich daran zum Beispiel Kantinen. ErnährungsberaterInnen lernen die Ratschläge teils auswendig. Die Medien haben die kürzlich veröffentlichten Empfehlungen der DGE weit verbreitet.

Deshalb können die neuen Orientierungswerte des Vereins Gesundheit und Umwelt nützen. Denn sie berücksichtigen stärker als bisher, dass tierische Lebensmittel mehr Umwelt- und Klimaschäden sowie auch von der Ernährung bedingte Krankheiten verursachen als pflanzliche. Aber die DGE hätte weitergehen können – und müssen.

Das zeigt sich besonders am Beispiel Fleisch: Ab sofort rät die DGE gesunden NichtvegetarierInnen im Alter von 18 bis 65 Jahren mit einem täglichen Energiebedarf von 2.000 Kilokalorien, höchstens 300 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche zu essen. Bisher hatten die Experten maximal 300 Gramm bei geringem und 600 Gramm bei hohem Kalorienbedarf empfohlen. Dabei lässt sich nach Berechnungen der DGE der Nährstoffbedarf auch bei einem Speiseplan mit zum Beispiel lediglich 119 Gramm Fleisch decken – also mit rund 60 Prozent weniger als der nun empfohlenen Menge.

Für die Umwelt wäre das besser. Denn vor allem die Tierhaltung ist dafür verantwortlich, dass die Landwirtschaft laut Umweltbundesamt 14 Prozent der deutschen Treib­haus­gase verursacht. Sie trägt auch maßgeblich zum Artensterben bei. Und viele Nutztiere werden unter ethisch nicht vertretbaren Bedingungen gehalten.

Deshalb hätte die DGE ebenfalls weit mehr als wöchentlich nur eine Portion Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen empfehlen sollen. Sie können dazu beitragen, zum Beispiel tierisches Eiweiß zu ersetzen. Auch Alternativprodukte wie Tofu oder Sojamilch mit Calcium müssten eine größere Rolle spielen.

Die DGE begründet ihre Zurückhaltung damit, dass sie „eine höhere Akzeptanz“ erreichen wolle. Die ExpertInnen mussten tatsächlich mit einer Kampagne der Fleischbranche rechnen. Deren inoffizielles Zentralorgan Bild-Zeitung, rechtsradikale Medien und CDU/CSU-Politiker hatten schon gegen angebliche Fleischverbote gewettert, als die DGE über geringere Mengen auch nur diskutierte. Ähnlich nutzt die AfD die jetzt beschlossenen Empfehlungen. Aber von Propaganda sollten sich WissenschaftlerInnen nicht einschüchtern lassen. Von einer überwiegend vom Staat finanzierten Ins­ti­tu­tion wie der DGE darf man mehr Mut zugunsten von Klima und Umwelt erwarten.