Deutschland schwächelt: Nur noch 0,2 Prozent Wachstum

Regierung senkt die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum für dieses Jahr radikal, 2025 soll es kaum besser werden. Berlin ist alarmiert – und uneinig.

Habeck und Lindner

Sehen nur einig aus: Habeck und Lindner Foto: dpa

BERLIN rtr/dpa/taz | Die Bundesregierung rechnet für das laufende und auch für das kommende Jahr nur mit einem geringen Wirtschaftswachstum. Für 2025 werde laut Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts ein Plus von 1,0 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) erwartet, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwochabend von einem Insider erfuhr.

Im Herbst vorigen Jahres war die Regierung für 2025 noch von einem Wachstum von 1,5 Prozent ausgegangen. Zuvor hatte Reuters bereits berichtet, dass die Wachstumsprognose für das laufende Jahr drastisch zurückgenommen wird von 1,3 auf 0,2 Prozent. Positiv ist dagegen, dass die Inflation nach Einschätzung der Regierung in diesem und im nächsten Jahr deutlich sinken wird. Dem Insider zufolge erwartet die Regierung für 2024 eine Teuerung von 2,8 Prozent und für 2025 1,9 Prozent.

Bundesfinanzminister Christian Lindner warnte vor den Folgen einer stagnierenden Wirtschaft in Deutschland. Mit Blick auf das schwache Wachstum sagte der FDP-Chef am Mittwochabend in Potsdam: „Ich finde das nachgerade peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich.“ Deutschland werde damit wieder in der Schlussgruppe der Industriestaaten landen. Bei der andauernden Wachstumschwäche sei das Aufstiegsversprechen in der Gesellschaft in Gefahr.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will am kommenden Mittwoch den Jahreswirtschaftbericht vorlegen, der die Einschätzung der Regierung zur Konjunkturentwicklung wiedergibt. Der Ausblick auf ein schwaches Wirtschaftswachstum dürfte die Debatte in der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP über Wachstumsimpulse anheizen. Die Grünen plädieren für ein über Schulden finanziertes Sondervermögen für Investitionen, während Finanzminister Lindner auf Steuererleichterungen und Bürokratieabbau setzt.

„Staatliches Geld würde einen Impuls setzen“

„In Zeiten von hohen Zinsen werden die Investitionsentscheidunden manchmal aufgeschoben“, sagte Habeck bei einem Handwerksforum in Leipzig. „Und da würde staatliches Geld einen Impuls setzen, natürlich helfen.“

Einzelne Wirtschaftsforschungsinstitute sind etwas zuversichtlicher als die Bundesregierung. Das Münchner Ifo-Institut erwartet für 2024 0,7 Prozent Wachstum, das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) 0,9 Prozent. Im März wollen beide Institute neue Vorhersagen vorlegen.

Im aktuellen Monatsbericht zur wirtschaftlichen Lage hatte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch eingeräumt, dass derzeit wenig auf eine spürbare konjunkturelle Belebung hindeute. Die Stimmung der Verbraucher habe sich zuletzt wieder eingetrübt. Verwiesen wurde unter anderem auf die vielen Streiks sowie den hohen Krankenstand in Deutschland. Positiv sei aber die im Januar deutlich auf 2,9 Prozent gefallene Inflationsrate. Zudem habe sich der Arbeitsmarkt zu Jahresbeginn angesichts der milden Witterung etwas günstiger entwickelt. Im vorigen Jahr war die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,3 Prozent geschrumpft.

Aus den Eckdaten für den Jahreswirtschaftsbericht geht dem Insider zufolge hervor, dass die Regierung für 2024 und 2025 trotz des mauen Konjunkturausblicks bei der Erwerbstätigkeit noch mit einer leichten Zunahme rechnet. Die Arbeitslosenquote könnte allerdings 2024 auf 5,9 Prozent (nach 5,7 Prozent im Jahr Jahr 2023) steigen und 2025 auf 5,6 Prozent sinken.

Deutschland dennoch drittgrößte Volkswirtschaft

Deutschland hat Japan laut Daten aus Tokio als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt abgelöst. Trotz eines Wachstums seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,9 Prozent im vergangenen Jahr wurde Japan von Deutschland überholt, wie am Donnerstag aus von der japanischen Regierung veröffentlichten vorläufigen Wirtschaftsdaten hervorging. Japans BIP lag demnach 2023 mit 4,2 Billionen Dollar (3,9 Billionen Euro) unter Deutschlands BIP von umgerechnet 4,5 Billionen Dollar.

Im vierten Quartal des vergangenen Jahres war Japans BIP den Angaben zufolge um 0,1 Prozent geschrumpft. Der Wirtschaft des asiatischen Landes macht insbesondere der Sinkflug der Landeswährung Yen zu schaffen.

Deutschlands Aufstieg zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt hat eine weitgehend symbolische Bedeutung. Er ist weniger auf Deutschlands wirtschaftliche Stärke als auf die Schwäche des Yen zurückzuführen.

Deutschland hat vielmehr selbst mit Konjunkturproblemen zu kämpfen. Im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft. Für dieses Jahr wird nur mit einem geringen Wachstum von weit unter einem Prozent gerechnet. Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt sind mit großem Abstand weiterhin die USA und China.

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