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Obdachlose im WinterDie Kälte überleben

Für Menschen auf der Straße sind Minusgrade lebensgefährlich. So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen tun, was geht. Vor allem aber darf Wohnen kein Luxus sein.

Decken und warmer Tee reichen nicht, um die aktuellen Temperaturen in Deutschland von bis zu minus 20 Grad zu überstehen Foto: Andreas Arnold/dpa

Brrrr. Auf bis zu 20 Grad minus fielen in den letzten Nächten die Temperaturen in Deutschland. Das ist weit entfernt von der Extremkälte, die Teile Schwedens derzeit erfahren (minus 40!) und doch schmerzt das Näschen beim Rausgehen. Und angesichts der hohen Energiepreise jeder Millimeter mehr am Thermostat.

Doch glücklich können alle jene sein, die überhaupt einen Thermostat haben. Denn besonders hart trifft der Kälteeinbruch die Menschen, die auf der Straße leben. Dort stolpert man über – zumindest gefühlt – mehr Menschen als in früheren Jahren.

Laut Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe waren im Verlauf des Jahres 2022 607.000 wohnungslos. Ein Anstieg um 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil jener, die nach dem Verlust der Wohnung nicht bei Freun­d:in­nen oder anderswo unterkommen, sondern auf der Straße landen, ist wahrscheinlich auch gestiegen.

Was also tun? So fragt man sich als em­pa­thi­sche:r Passant:in. Zeit hat man meist keine und eigene Sorgen genug. Zudem riechen Obdachlose manchmal nicht besonders gut und einige macht ihre prekäre Lage aggressiv.

Kältehilfe-Notruf

Berlin: 030 690 333 690 (20–02 Uhr)

Düsseldorf: 0211 6683 373 (13–15 Uhr); 01578 3505152 (21–01 Uhr)

Essen: 0201 22 22 22 (24h)

Frankfurt: 069 43 14 14 (21.30–5 Uhr)

Hamburg: 0151 65 68 33 68 (19–24 Uhr)

Köln: 0176 240 71 312 (18–23 Uhr)

Leipzig: 01523 3661087 (18–23 Uhr)

München: 089 200045930 (19–23.30 Uhr)

Stuttgart: 0711 219 54 776 (ab 0 Grad, 22–2 Uhr)

Recht leicht hat man es, wenn Betroffene selbst äußern, was sie gerade brauchen. Wenn man kein Geld geben will, kann man ja fragen, ob sie einen Tee oder Kaffee oder etwas zu Essen haben möchten. In der Manteltasche Zettelchen mit den Adressen und Nummern der lokalen Beratungsstellen und Notübernachtungen mitzutragen, kann auch eine gute Idee sein.

Es braucht eine soziale Miet- und Wohnungspolitik

Und dann gibt es da – Göttin sei Dank – noch die Kältebusse, die man rufen kann, wenn eine Person auf der Straße nicht ansprechbar ist und nachts zu erfrieren droht. Stabil, wenn Unternehmen ihre nachts leerstehenden Büroräume zur Verfügung stellen, damit genau das nicht passiert.

Kältebusse wie Notübernachtungen sind auf ehrenamtlichen Einsatz und Spendenbereitschaft angewiesen. Nur lässt beides erfahrungsgemäß nach der rührseligen Weihnachtszeit extrem nach. Genau jetzt ist also die Zeit, um auf diesem Wege zu helfen. Achtung allerdings bei Sachspenden: immer erst bei den Sammelstellen nachfragen, was gerade gebraucht wird! Denn die Mieten sind auch für soziale Einrichtungen hoch, der Lagerraum knapp.

Das führt zum wahrscheinlich wichtigsten Punkt: es braucht eine soziale Miet- und Wohnungspolitik, anders haben selbst die besten So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen keine Chance, Menschen vom ungesunden und viel zu oft tödlichen Leben auf der Straße abzubringen.

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden. An diesem Ziel muss man den sozialdemokratischen Kanzler, die für Obdachlosigkeit zuständige SPD-Bauministerin Klara Geywitz und den FDP-Minister Marco Buschmann messen. Was viele nämlich gar nicht wissen: der ist neben der Justiz auch für die Mietenregulierung im Land zuständig. Im immer noch reichen Deutschland darf Wohnen kein Luxus sein. Es ist das Mindeste.

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7 Kommentare

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  • Ich hatte ja mal gehofft, dass der zwölfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland es in seiner zweiten Amtszeit endlich mal schafft, das theoretische Thema seiner Doktorarbeit - "Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit" - in die Praxis umzusetzen, aber dafür hat Frank-Walter Steinmeier wohl keine Zeit, denn er muss Manager und Wirtschaftsbosse im Schloss Bellevue empfangen, damit der klimaschädliche Wahnsinn des Wirtschaftswachstum in die nächste Runde gehen kann.

    **Frank-Walter Steinmeier: Bürger ohne Obdach, zwischen Pflicht zur Unterkunft und Recht auf Wohnraum, Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit; Giessen, Univ., Dissertation, 1991, Bielefeld**

  • Wieso können leerstehende Gewerbeimmobilien nicht umgewandelt.



    Das ergibt Millionen Quadratmeter zusätzlicher Wohnflächeohne versiegeln der Natur.

  • Obdachlosigkeit wird nie ganz verschwinden, da es immer Menschn geben wird, die auf der Straße leben möchten. Eine eigene Wohnung ist ja nur der Anfang, und zieht viele bürokratische Vorgänge nach sich oder setzt diese voraus. Für eine Wohnung braucht man in der Regel ein Konto und auf diesem Konto muss auch Geld für die Miete eingehen. Dafür muss man dann einer geregelten Arbeit nachgehen oder beim Jobcenter gemeldet sein, was auch wieder einiges an Verplfichtungen mitbringt. Diese ganzen Dinge und Verpflichtungen scheuen viele Obdachlose oder sind ihnen einfach nicht gewachsen. Selbst wenn der Wunsch nach einer eigenen Wohnung da sein sollte, reicht es also nicht, wenn man einfach diese Wohnung bereitstellt. Diese Menschen müssen in gewisser Weise erst einmal wieder "Lebensfähig" gemacht werden, und wenn dann eine Wohnung bezogen wurde, müssen die Menschen weiter betreut werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele der Menschen ohne eine richtige und langfristige Nachbetreuung nämlich dann nach kurzer Zeit wieder auf der Straße sitzen.

    • @Christian29:

      Da ist was dran. Jedoch fehlen die Mittel. Wir haben eine Schuldenbremse und Sparzwang. Vielleicht wäre es eine Idee das Flugbenzin der Privatflieger endlich zu besteuern? Oder die Sektsteuer für diese Zwecke nutzen? Ach nö, geht nicht - die FDP hat ja Steuererhöhungen ausgeschlossen....

  • Was auch viele nicht wissen: Der Staat ist grundrechtlich dazu verpflichtet, jedem Menschen das Existenzminimum zu gewähren. Dazu gehört auch die Deckung des Bedarfs an Wohnraum. Näheres dazu hier: correctiv.org/fakt...auf-unterbringung/ (Anmerkung dazu: Das Recht auf Unterbringung gilt nicht nur für deutsche Staatsbürger.)



    Die Sozialarbeiter sollten die Obdachlosen, die sie betreuen, mal zu einem guten Anwalt bringen.

  • Ein nachvollziehbarer aber frommer Wunsch - Neubaupreise von fast 5.000€ pro Quadratmeter zeigen: Wohnen IST Luxus.

  • taz-Zitat: "(...) Das führt zum wahrscheinlich wichtigsten Punkt: es braucht eine soziale Miet- und Wohnungspolitik, anders haben selbst die besten So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen keine Chance, Menschen vom ungesunden und viel zu oft tödlichen Leben auf der Straße abzubringen. (...)"

    Was ist denn diesbezüglich mit den Housing first-Projekten in Deutschland?

    "(...) Deutschland will bis 2030 die Obdach- und Wohnungslosigkeit überwinden. Doch wie kann das gelingen? Bauministerin Klara Geywitz machte sich nun ein Bild von einem „Housing First“-Projekt für Frauen. Was es damit auf sich hat und was weibliche von männlicher Obdachlosigkeit unterscheidet. (...)"

    www.rnd.de/wirtsch...H4CO73RBIHPNI.html