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Buch über Kölner AvantgardeJammern auf hohem Niveau

Das Buch „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ will über Kölner Subkulturen der 1980er und 90er Jahre erzählen. Geht das Konzept auf?

Der Club „Blue Shell“ war schon in den 1980ern ein zentraler Ort in Köln Foto: imago

Ein Gespenst geht um in Köln. Es heißt „Wir waren hochgemute Nichtskönner. Die rauschhaften Jahre der Kölner Subkultur 1980–1995“, stammt von dem Autor*innen-Duo Gisa Funck und Gregor Schwering und ist ein Buch von knapp 350 Seiten. Die Gespenstergeschichte verbreitet sich als Geraune in der gesamten Domstadt, wodurch sich etliche Au­to­r*in­nen und Mu­si­ke­r*in­nen von dem Werk ins falsche Licht gerückt fühlen. Statt Balsam für die gescholtene und durch den Braindrain nach Berlin in Mitleidenschaft gezogene Seele der Kölner Subkultur zu sein, stellt die Rechercheleistung der Literaturkritikerin Funck und des Literaturwissenschaftlers Schwering einen Stein des Anstoßes dar.

Bei „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ handelt es sich um eine sogenannte oral history, eine Nacherzählung zur Kölner Geschichte, die sich aus Originalzitaten von Zeit­zeu­g*­in­nen speist und schon durch ihre Form zum vielstimmigen Prisma verschiedener Erfahrungen und Anekdoten wird. Vulgo beleuchtet das Buch eine – und das ist wichtig zu betonen – subjektive und persönlich gefärbte Ausdeutung der Periode zwischen 1980 und 1995.

Das Buch

Gisa Funck/Gregor Schwering:

„Wir waren hochgemute Nichtskönner. Die rauschhaften Jahre der Kölner Subkultur 1980–1995“, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023, 352 Seiten, 28 Euro

Die sich daraus ergebenden formimmanenten blinden Flecken – was die Befragten nicht sahen, können sie schließlich auch nicht beschreiben – haben bereits in der Vergangenheit (zum Beispiel bei der Berliner Techno-Geschichte „Der Klang der Familie“ von den Autoren Sven von Thülen und Felix Denk) für Unverständnis gesorgt. Nur teilweise ist das gerechtfertigt: Einerseits ist der unverstellte, direkte Zugang zur Vergangenheit für Prominente vorteilhaft, andererseits führt so viel Subjektivität leider zu keinem enzyklopädischen Nachschlagewerk.

Beim Blick ins Buch zeigt sich indes schnell: Da wollen zwei erzählen, was für kultige Gestalten in der viertgrößten deutschen Stadt rumliefen, vor allen Dingen aber, wie es Köln in den 1980er und 1990ern schaffte, sich sowohl in avantgardistischen Diskursen zu ergehen als auch dabei locker zu bleiben und massenhaft Dosenbier zu trinken. So erklingt das eintönige Hohelied eines Milieus, das im Gleichklang der wiedervereinigten Berliner Republik schon lange keine hervorgehobene Rolle mehr spielt.

Köln als melting Pot

Warum der Bedeutungsverlust nach 1995 kommen musste, und was das über eben jenes kulturzentralistische Deutschland aussagt, verrät das Buch nämlich nicht. Oder wenn, nur in wenigen knappen Andeutungen. Stattdessen bietet „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ einen fröhlichen, streckenweise wirklich luziden Schwank von Wohl und Wehe eines melting Pot wie des BRD-Kölns, das sich selbst im richtigen Maß genug war.

In vier Kapiteln resümiert man erneut die (Entstehungs-)Geschichte des Popmagazins Spex – dieser wird hier eindeutig zu viel Platz eingeräumt. Zentral auch das Kölner Nachtleben, der rheinische Minimal-Techno, der weltweite Anerkennung unter dem Label „Sound of Cologne“ gewinnen sollte, und selbstverständlich darf die „Kunststadt Köln“, die für einige Jahre in einem Atemzug mit New York und London genannt wurde, nicht fehlen. So weit, so gut?

Wo das Buch endet, beginnt erst die Kritik: Konkret wirft man dem Buch vor, dass integrale Persönlichkeiten, wichtige Orte und bahnbrechende Partys ausgelassen werden, Fakten verdreht sind und auch im Detail gravierende Recherchefehler auftreten. taz-Autor Olaf Karnik etwa beanstandet in einem offenen Brief die Nicht-Berücksichtigung der deutschlandweit bedeutsamen Northern-Soul-Partyreihe „Soulful Shack“, darüber hinaus beschweren sich andere Ak­teu­r*in­nen über die Diskrepanz zwischen der internationalen Bedeutung des Plattenladens „A-Musik“ sowie seinem Umfeld und dem wenigen eingeräumten Platz dafür im Buch.

Vor allen Dingen verärgert auch die „Weißzeichnung“ der Geschichte, die in der Funck/Schwering-Version gänzlich ohne Menschen mit familiärer Migrationshistorie auskommt; genauso vergeblich sucht man HipHop aus der Domstadt.

Torkelige Analysen

Zugegeben: Dem Gedanken folgend hätte das Buch mindestens den doppelten Umfang angenommen – und entsprechend mehr gekostet. So bleibt das Buch sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene insuffizient: Während der knapp 100-seitige Teil über die lokale Kunstszene noch sauber gearbeitet ist – man hat sich hierfür auch im ausgezeichneten Audioarchiv Kunst der Autorinnen Sabine Oelze und Marion Ritter bedient –, kranken die anderen drei Kapitel indes an torkeligen Analysen, fehlendem Fachwissen und erratischen Exkursen: Warum genau braucht es eine längere Passage zur Hamburger Schule und zur Band Blumfeld? Dass dazwischen mehr oder minder unerhebliche Prosa-Passagen eingeschoben werden, ließe sich noch verkraften, selbst wenn ihr Sinn schleierhaft bleibt.

Dass der Unmut in Köln selbst am größten ist, liegt in der Natur der Sache: Niemand möchte aus der Geschichte getilgt werden oder in Vergessenheit geraten. Dass das Autoren-Duo hierbei wirklich bedeutende Gruppen, Labels und Partyreihen auslässt, zeugt schon von Ignoranz. Das ist insofern sehr ärgerlich, als „Wir waren hochgemute Nichtskönner“ sonst für all jene, die nicht in Köln waren oder qua später Geburt noch nicht aus­gehen durften, eine mitunter wirklich interessante Lektüre hätte sein können.

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2 Kommentare

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  • Kölner Avantgarde?



    Wann war dat denn?



    Mann kann aus einer Mücke nen Elefanten machen und mit genügend Brimbamborium ein Buch draus machen.



    In ein paar Monaten, steht dann der größte Teil der Auflage für 2 Euro auf der Resterampe

  • Im Gegensatz zur Behauptung " wer sich erinnert, ist nicht dabei gewesen",



    verzichte ich hiermit großzügig auf die Erinnerung der Anderen.



    Das Blue Shell, als sehr passende Fotosuswahl, ist mir Erinnerung genug.



    Die wilden Jahre brauchen keine Beschreibung, sie sind Geschichte.