Butch-Closet im Sommer: Die Kleiderwächter austricksen

Unserer Autorin fällt es schwer, auf Kleidungsuche nicht komplett durchzudrehen. Letzten Endes hilft wohl nur, sich das Nähen selbst beizubringen.

Vier Hemden hängen frisch gebügelt auf Kleiderbügeln im Schrank

Ein kleines Stückchen Hemdsärmel reicht im Sommer schon, um die Leute auf die Palme zu bringen Foto: plainpicture

„Ist dir nicht waaaaaaarm!?“ Auch im verlängerten Sommer lässt die Frage nicht ab. Ein kleines Stückchen Hemdsärmel reicht schon, um die Leute auf die Palme zu bringen. Ich persönlich finde ein Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln nicht nur viel hübscher, sondern auch viel luftiger und angenehmer als irgendwelche eng anliegenden Oberteile, in die mensch so reinschwitzen soll.

Abgesehen von praktischen Unwägbarkeiten fällt allerdings auf, dass Männer so etwas nicht gefragt werden. Ihre Hemdsärmel bleiben in der Regel unbehelligt und im Zweifelsfall dürfen sie bei wichtigen Anlässen auch noch ein Sommerjackett mit drauflegen. Ganz ohne Intervention.

Interessanterweise richten auch immer nur Frauen diese Frage an mich. Es muss also eine Art verinnerlichter Du-sollst-dich-gefälligst-ausziehen-Sexismus am Werk sein, der so clever funktioniert, dass das Policing freiwillig selbst übernommen wird.

Dabei liebe ich Textilien und ihre Texturen. Vielleicht weil meine eine Oma Schneiderin war und sich auch meine andere Omi das Nähen selbst beigebracht hat, um sich die schicken Outfits, die sie im Ausverkauf ergattert hatte, anzupassen.

„Dein Schneider ist dein bester Freund“, sagt Tan, der respektvolle Modeberater aus der Make over-Sendung „Queer Eye“, immer. Darum habe ich kürzlich auch eine Schlafanzughose, die 17 Euro gekostet hatte, für 17 Euro reparieren lassen.

Vielleicht mal selbst Nähen lernen

Jetzt, wo ich selbst einen Sommeranzug suche, scheint es aber wirklich Zeit zu sein, dass auch ich mir das Nähen beibringe. Und vor allem mein eigener bester Freund bleibe. Ich kenne es zwar seit 20 Jahren, ein unheimliches Maß an Geduld erfordert es aber trotzdem, um beim Kleidungsuchen nicht komplett durchzudrehen.

Tatsächlich gibt es heute ein paar mehr Fachverkäufer_innen, die mir nicht sofort hinterherlaufen, um mir fünfmal mitzuteilen, dass ich jetzt gerade in diesem Moment den roten Grenzübergang in die Männerabteilung überschritten habe. Dank dem Universum für die schwulen Verkäufer, die mich kurz angucken und dann komplizenhaft die Regale mit mir durchstreifen.

Geblieben ist das Phänomen, dass in der Männerabteilung die Qualität der Stoffe 10-mal hochwertiger ist als die Materialien in der Frauenabteilung. Im Gegensatz zu vor 20 Jahren habe ich inzwischen auch ein kleines Bäuchlein. Unter der Behauptung der Männerschnitte, Körper verliefen in geraden Linien, reduzieren sich meine Auswahlmöglichkeiten also noch mal. Männern mit bisschen Hüfte geht es übrigens ähnlich. Zurück durch die rote Schranke ist es immer das Gleiche: Je größer die Größen, desto girlier die Kleidung.

Die New York Times berichtete zwar groß darüber, wie sehr Butch-Lesben und Studs die Mode geprägt haben. Der Versuch, eine Ästhetik zu entcodieren, die Femme-Augen und queere Herzen schon immer lesen konnten, übersetzt sich aber bei Weitem nicht in eine Transformation der Kleiderindustrie.

Seit meiner neuesten Shopping-Meditationschallenge muss ich an Mr Bean denken. Ein Schrank voll identischer Sakkos und Hosen, der individuelle Touch über die Krawatte, der beste Freund ein Bear. Eigentlich mein Traumcloset, ich muss nur noch das richtige Jackett finden.Falls das bis Herbst dauert, hält es dann bestimmt auch ganz, ganz warm.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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