Preis für migrantisierte Menschen: Eine Bühne für die Unsichtbaren
Der in Bremen etablierte Diaspora-Preis wird jetzt erstmals auch in Wilhelmshaven verliehen. Es geht darum, das Engagement von Migranten zu würdigen.
„Wertschätzung ist ganz wichtig, um die Kraft zu haben, weiterzumachen“, sagt Virginie Kamche. „Das war meine Motivation, den Diaspora-Preis in Bremen ins Leben zu rufen.“ Es gebe so viele tolle Ideen, mit denen Migrant*innen in Bremen die Welt besser machen wollten. Schon im ersten Jahr seien 31 Bewerbungen eingegangen. „Dieses Engagement wird durch den Dispora-Preis sichtbar gemacht“, erzählt Kamche stolz.
Seit fast 30 Jahren engagiert sich die in Kamerun geborene Kamche für die afrikanische Community in Bremen. „Meine Arbeit ist oft schwer“, sagt sie und klingt trotz ihrer freundlichen Stimme angestrengt. „Aber ich will weitermachen und für die vielen Menschen kämpfen, die hier leben und unsichtbar gemacht oder rassistisch ausgegrenzt werden.“
Kamche war lange Vorsitzende des Afrika Netzwerks Bremen und arbeitet als Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung. „Es braucht mehr Vernetzung und Vorbilder für Menschen, die nicht weiß sind und kein akzentfreies Deutsch sprechen“, sagt sie. Der Diaspora-Preis in Bremen gebe diesen Menschen eine Bühne, auf der sie ernst genommen werden.
Rassismus auf dem Land
Wilma Nyari ist schon seit einigen Jahren in der Jury des Bremer Diaspora-Preises aktiv. „Die Idee hat mich so beeindruckt und begeistert, dass ich den Preis unbedingt auch zu mir nach Wilhelmshaven holen wollte“, sagt sie.
Gemeinsam mit Virginie Kamche und weiteren Personen gründete sie deshalb im vergangenen Jahr das „Dekoloniale Netzwerk Nordwest“, einen Verbund von Engagierten gegen Rassimus aus Bremen, Wilhelmshaven und Oldenburg. „Ziel des Netzwerks ist es, besonders BIPoC, also Black, Indigenous and People of Colour, im ländlichen Raum anzusprechen und zu fördern“, sagt Nyari.
Rassismus betreffe nicht nur Großstädte, sondern gerade auch ländliche Regionen. Auf dem Land sei es aber viel schwerer, Strukturen aufzubauen. „Deshalb haben wir unsere Kräfte gebündelt und das Netzwerk gegründet“, sagt Nyari.
Tatsächlich gelang es dem Dekolonialen Netzwerk im vergangenen Jahr, eine Förderung von der Bundeszentrale für politische Bildung zu erhalten. „Dadurch war es für uns möglich, den Diaspora-Preis dieses Jahr zum ersten Mal auch hier in Wilhelmshaven zu organisieren“, erzählt Nyari. „Außerdem konnten wir die Stadt dafür gewinnen, uns mit den Preisgeldern zu unterstützen.“ Die Landtagsabgeordnete Lena Nzume von den Grünen und Armin Schönfelder, Erster Stadtrat von Wilhelmshaven, haben die Schirmherrschaft übernommen.
Virginie Kamche, Preis-Initiatorin
Mit der Resonanz auf den Preis ist Nyari zufrieden. Zehn Bewerbungen seien eingegangen. „Dafür, dass wir den Preis dieses Jahr zum ersten Mal hier verleihen, ist das ein guter Rücklauf, der zeigt, dass es in Wilhelmshaven bereits tolle Projekte gibt“, sagt Nyari.
Dennoch stößt sie oft auf Widerstände. Die Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung läuft Ende des Jahres aus. Wie das Netzwerk sich danach finanzieren soll, ist noch unklar.
Auch innerhalb der Strukturen gibt es Schwierigkeiten. „Das Engagement hängt noch sehr stark von Einzelpersonen ab“, sagt Nyari. „Viele Menschen mit Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen trauen sich nicht, sich zu engagieren.“
Diese Erfahrung macht auch Virginie Kamche. „Es tut wirklich weh“, sagt sie. „Jeder Mensch hat etwas zu sagen, aber viele Schwarze Menschen sagen mir, dass sie sich nicht politisch einbringen wollen, weil sie sowieso nicht ernst genommen werden.“
Die einzige Schwarze Frau
„Das ist wirklich schwierig und ein allgemeines Problem“, sagt Kamche. „Selbst wenn es darum geht, etwas gegen Rassismus und für die Sichtbarkeit von Migrant*innen zu machen, bin ich oft die einzige Schwarze Frau.“
Kamche und Nyari haben viel bewegt. Ihr Engagement macht deutlich, dass das Eintreten gegen Rassismus oft an einzelnen Leuten hängt, die selbst betroffen sind. Mit den Diaspora-Preisen bekommen diese Menschen ein bisschen Sichtbarkeit und Wertschätzung zurück.
Der Diaspora-Preis in Wilhelmshaven wird am 20. August im Pumpwerk verliehen. In Bremen läuft die Bewerbungsfrist noch bis zum 30. September, Preisverleihung am 28. Oktober.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!