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Militärisches Eingreifen in NigerGerechtfertigt und doch fatal

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Eine nigerianische Militärintervention in Niger würde bedeuten: Zwei Armeen mit historisch schlechtem Ruf führen auf dem Rücken der Menschen Krieg.

Welche Rolle wird Frankreich beim Umgang mit dem Putsch spielen? Foto: AP Photo/Sophie Garcia

N ach allen grundsätzlichen Kriterien ist eine Militärintervention in Niger voll gerechtfertigt. Der legitime Präsident wird von illegitimen Putschisten festgehalten und er hat anders als andere weggeputschte Präsidenten in Westafrika nicht seinen Rücktritt erklärt, sondern die Welt um Hilfe gebeten. Afrikas Regionalorganisationen haben Niger Fristen gesetzt und befolgen den Grundsatz, Putsche grundsätzlich nicht anzuerkennen. Die Junta in Niamey muss nachgeben, und notfalls muss sie dazu gezwungen werden.

Aus zunehmender Nähe betrachtet erscheint das alles aber zunehmend unwirklich. Nigers Putsch ist ein Ergebnis innerer Probleme, die nicht von außen zu lösen sind, vor allem nicht vom großen Nachbarn Nigeria mit seiner eigenen Geschichte von Militärputschen.

Die beiden Länder teilen 1.500 Kilometer Grenze und eine eng miteinander verflochtene Haussa-Bevölkerung beiderseits dieser Grenze. Niger beherbergt eine Viertelmillion Flüchtlinge aus Nigeria, in Nigers Hauptstadt Niamey tummeln sich viele nigerianische Händler. Im Fall einer nigerianischen Militärintervention in Niger würden zwei Armeen mit historisch schlechtem Ruf auf dem Rücken all dieser Menschen Krieg führen. Das menschliche Leid wäre immens, das Risiko nationalistischer Pogrome wäre hoch und könnte sich sehr schnell auf andere Länder Westafrikas ausbreiten.

Ausgerechnet Frankreich ruft am lautesten zum Eingreifen

Die Interventionisten haben zwar recht mit der Analyse, dass dieser Putsch die regionale Sicherheit gefährdet. Für die Intervention gilt das allerdings auch. Es gibt auch zu denken, dass ausgerechnet die zunehmend unbeliebte Exkolonialmacht Frankreich am lautesten zum Eingreifen in Niger ruft.

Afrikanischen Vermittlern ist es bislang immer gelungen, bei Krisen im eigenen Hinterhof einen schäbigen Kompromiss zu finden, der allen Akteuren einen halbwegs gesichtswahrenden Ausweg lässt. Dies dürfte auch in Niger möglich sein. Vielleicht merken ja beide Seiten, dass es besser wäre, miteinander auszukommen, statt ihr Land zum Spielball fremder Interessen zu machen und damit herunterzuwirtschaften.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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11 Kommentare

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  • Die Drohung der Ecowas und das Völkerrecht

    Zitat: „Nach allen grundsätzlichen Kriterien ist eine Militärintervention in Niger voll gerechtfertigt. Der legitime Präsident wird von illegitimen Putschisten festgehalten und er hat anders als andere weggeputschte Präsidenten in Westafrika nicht seinen Rücktritt erklärt, sondern die Welt um Hilfe gebeten."

    Da droht also eine regionale Wirtschaftsorganisation offen mit militärischer Gewalt gegen einen souveränen UNO-Mitgliedstaat. Dazu die UNO-Charta: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ (Art. 2,4)

    und

    „Die abstrakte Gefahr durch einen "verrückten Diktator" oder ein "Schurkenregime" aber kann nach geltendem Völkerrecht in keinem Fall zu präventivem Eingreifen berechtigen.“ (bpb)

    Jegliche Intervention der Ecowas manu militari in Niger mit dem Ziel eines Regime Change wäre mithin eine Angriffshandlung gem. Art 3 UNO- Charta und erfüllte den Tatbestand der Aggression i.S. der UN-Resolution 3314 (XXIX).

    Daraus ergibt sich augenreibend die Frage, wo die Protestreaktion der UNO (oder der EU) nach der Ankündigung der Ecowas bleibt. Dies ist angesichts der fortgesetzten Aggression Rußlands gegen das souveräne UNO-Mitglied Ukraine um so unverständlicher. Befremdlich auch die Tatsache, über einen solchen Sachverhalt völlig meinungsneutral zu berichten, ohne auf die fehlende Reaktion der UNO hinzuweisen, geschweige zu erklären.

  • Was mich wundert, ist folgendes: was sagt denn das (sonst immer und immer und immer) beschworene Völkerrecht?



    Eine rechtmässige Regierung wegzuputschen rechtfertigt einen Einmarsch aus Nachbarländern?



    Ein Verlust eines Rohstofflieferanten rechtfertigt sicher nicht eine Intervention!



    Oder?

  • Ich habe gelesen, dass Frankreich deswegen eine militärische Intervention erwäge, weil Niger Uran liefern könnte für französische Kernkraftwerke.



    Die alternativen Lieferanten Russland und Kasachstan (?) seien Lieferungen an Frankreich derzeit nicht gerade zugeneigt.

    Ich habe es nicht überprüft. Aber klingt logisch...

  • "Nach allen grundsätzlichen Kriterien ist eine Militärintervention in Niger voll gerechtfertigt. "

    Nach welchem grundsätzlichen Kriterium soll das gerechtfertigt sein? Ein Putsch ist kein militärischer Angriff. Da greift das Recht auf kollektive Selbstverteidigung nicht.

    Das ist die Logik, die hinter dem Jemen-Krieg steht. Man sieht, wohin das führt.

    Herr Johnson ist viel zu schnell dabei, militärisches Eingreifen zu rechtfertigen.

    Mit dem Rest des Artikels hat er aber natürlich Recht.

  • "Afrikanischen Vermittlern ist es bislang immer gelungen, bei Krisen im eigenen Hinterhof einen schäbigen Kompromiss zu finden, der allen Akteuren einen halbwegs gesichtswahrenden Ausweg lässt."..., heißt es im Artikel.

    Ist es nicht positiv, Kompromisse zu finden, statt Krieg zu führen? Warum wird hier das mit "schäbig" kleingeredet?

  • "Nach allen grundsätzlichen Kriterien ist eine Militärintervention in Niger voll gerechtfertigt."

    Ist das so? Oder ist das nur die überhebliche Sichtweise der ehemaligen KolonialherrInnen?



    Ich versuche mir gerade vorzustellen, dass wir fröhlich in ein Polen einmarschieren, in dem das Militär die PIS weggeputscht hat. Fällt mir schwer

    • @Nansen:

      So ist es.

    • @Nansen:

      Sie haben mehr als Recht, der Vergleicht mit Polen ist sehr angebracht. Frankreich drängt auf ein militärisches Eingreifen, weil es zahlreiche Rohstoffe aus Niger bezieht, unter anderem Uran für die Kernkraftwerke. Also es geht wieder einmal um den Imperialismus, wie schon im Irak, Afghanistan, Libyen und da fallen mir noch einige andere Länder ein.

    • @Nansen:

      Verdammt guter Punkt.

    • @Nansen:

      Überheblich ist es, keine Hilfe und Unterstützung zu bieten, wenn danach gefragt wird.

      Sinnvolle Hilfe wäre z.B. Flüchtlingslager hochzuziehen, die massiv bewehrt sind mit Europäischem Militär.



      So könnte man die lokale Zivilbevölkerung schützen, während sich die Militärs die Köpfe einschlagen.



      Blauhelme sind dafür zu zahnlos, das hat die Vergangenheit gezeigt.

      Dann möchte ich sie noch auf ihre persönliche Überheblichkeit hinweisen. In ihrer europäischen Arroganz gehen Sie direkt davon aus, dass es ein Europäisches Land ist, dass hier bereits eine Intervention plant.



      Tatsächlich geht die Initiative aber von Ecowas und dem gewählten Präsident des Nigers aus.



      Frankreich hat bis jetzt bloss seine Meinung abgegeben, dominiert aber nicht wie früher den Diskurs.

      Wir erleben gerade, wie sich Afrika emanzipiert. Nur passt das weder ins linke noch ins rechte Bild, dass man von Afrika hat.



      Damit tun sich jetzt alle schwer, die es sich in ihrem Weltbild zu bequem eingerichtet haben :-)

      • @Stubi:

        "Dann möchte ich sie noch auf ihre persönliche Überheblichkeit hinweisen. In ihrer europäischen Arroganz gehen Sie direkt davon aus, dass es ein Europäisches Land ist, dass hier bereits eine Intervention plant."







        Ich wüsste gern, wie Sie auf diesen Unsinn kommen.