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Wasserstoffstrategie der BundesregierungEnergie soll aus Übersee kommen

Die Bundesregierung will mit Großprojekten in Nordafrika den deutschen Bedarf an Wasserstoff decken. Eigener Strom reicht für eine Herstellung nicht.

Hier will Deutschland in Zukunft investieren: Solarkraftwerk in Marokko Foto: J.D. Dallet/imago

Berlin taz | Deutschland will seinen Bedarf an Wasserstoff künftig zu großen Teilen aus Übersee decken. Details veröffentlichte das Entwicklungshilfeministerium (BMZ) am Mittwoch im Zuge der Fortschreibung der nationalen Wasserstoffstrategie aus dem Jahr 2020.

Dabei wurde schon vor drei Jahren deutlich, dass Deutschland in großem Stil auf Wasserstoff aus dem Ausland angewiesen sein wird. Ausreichende Mengen an erneuerbar erzeugtem Strom für eine komplette Dekarbonisierung wird Deutschland nämlich nicht erzeugen können. Daher geht das Bundesforschungsministerium davon aus, dass Deutschland bis 2050 rund 45 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich wird importieren müssen. Um diese Menge zu gewinnen, benötigt man etwa viermal so viel Strom, wie Deutschland derzeit jährlich verbraucht.

Um die Verfügbarkeit von Wasserstoff „durch Importe abzusichern“, unterstützt das BMZ nun „großskalige Wasserstoffprojekte in Partnerländern“. Konkret nennt es bisher „Wasserstoffallianzen“ mit Marokko und Tunesien, sowie Vorhaben in Brasilien, Südafrika und Algerien. Zudem schafft das Ministerium einen „PtX-Entwicklungsfonds“, wobei PtX für „Power-to-X“ steht, also für Projekte, die überschüssigen Strom zur Erzeugung von beliebigen Energieträgern nutzen, zum Beispiel von Ammoniak. Hunderte von Millionen Euro stellt das Ministerium für diese Projekte bereit und versichert, dass es dabei ausschließlich um grünen Wasserstoff gehe.

Die virtuelle Farbe des Wasserstoffs führt nämlich immer wieder zu Debatten. Als grüner Wasserstoff wird solcher bezeichnet, der mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Rot heißt er, wenn Atomstrom eingesetzt wird. Grau nennt man Wasserstoff, wenn er durch chemische Umwandlung aus fossilen Brennstoffen – zumeist Erdgas – generiert wird, was dem Klima aber nichts bringt, weil dabei unverändert CO2 frei wird. Als blau schließlich gilt Wasserstoff, wenn man Erdgas in Wasserstoff und CO2 wandelt, das CO2 aber nicht in die Atmosphäre entlässt, sondern unterirdisch speichert.

Kritik von Verbänden

Während Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagt, die Bundesregierung habe „pragmatisch und technologieoffen“ entschieden, „zunächst alle klimafreundlichen Wasserstoffsorten“ einzusetzen – was auch blauen Wasserstoff beinhaltet –, stößt diese Herangehensweise in der Branche der Erneuerbaren auf Kritik. Der Bundesverband Erneuerbare Energie beklagt, dass die Bundesregierung statt auf heimische Potenziale zu setzen, „mit ihrer Strategie vorrangig auf Importe per Schiff, auch von blauem Wasserstoff“ setze. Durch seine Vorkettenemissionen, also jenes CO2, das bei Produktion, Aufbereitung, Transport und Speicherung frei wird, sei dieser Wasserstoff „viel klimaschädlicher“.

Auch roter Wasserstoff kann offenbar nach Deutschland gelangen. Die Antiatomorganisation Ausgestrahlt verweist zwar darauf, dass die Bundesregierung eine direkte Förderung der Nutzung von Wasserstoff ausschließe, der mit Atomstrom erzeugt wird. Aber sie fördere Pipelineprojekte, „die dem Import roten Wasserstoffs Tür und Tor öffnen“.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft vermisst indes eine „konsistente Strategie“. Ziel müsse „ein funktionierender und sich selbst tragender Wettbewerbsmarkt sein“. Nötig sei dafür „ein klarer Rahmen, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene“. Dafür fehle aber bisher „ein klares Zielbild“.

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7 Kommentare

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  • "Konkret nennt es bisher „Wasserstoffallianzen“ mit Marokko und Tunesien, sowie Vorhaben in Brasilien, Südafrika und Algerien."



    Interessant. Schauen wir mal hier nach [1], Rangliste der Länder nach dem Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix:



    21 Brasilien 86,94 %



    71 Deutschland 42,95 %



    125 Marokko 19,81 %



    153 Südafrika 9,09 %



    171 Tunesien 4,39 %



    182 Algerien 1,17 %



    Ich würde vermuten, die genannten Länder (vielleicht mit Ausnahme von Brasilien) brauchen ihre erneuerbaren Energien erstmal selbst...



    [1] de.wikipedia.org/w...Energien#Rangliste

  • "Um diese Menge zu erzeugen, benötigt man viermal so viel Strom, wie Deutschland derzeit jährlich verbraucht.

    Dieser Satz verrät, wie unmöglich das "weiter so mit anderen Mitteln" ist.

    Erstens steigt der Energiebedarf aller Industrienationen rapide, das heißt, noch mehr Wasserstoff wird gebraucht.



    Zweitens muss der Strom zur Wasserstofferzeugung in den Ländern südlich des Mittelmeers durch Solar und Wind produziert werden. Dafür werden seltene Erden benötigt, und für diese Bergbau, der sicher CO2-neutral sein wird. Wasserstoff wird aus Süßwasser gewonnen. Entsalzungsanlagen helfen, brauchen aber auch Energie. In Ländern, in denen Wasser- und Energieknappheit herrschen. Dann muss der Wasserstoff hierher gebracht werden. Spezialtanks auf Schiffen - Fahren die mit Strom? Müssen erst gebaut werden, weil die winzigen H2-Moleküle sonst nicht dicht aufbewahrt werden können. Und Wasserstoff ist hoch explosiv, also sind Lecks keine gute Idee. Schon wird gesagt: Hauptsache Wasserstoff, egal wie. Aber war nicht die Ursache für die ganze H2-Revolution, dass wir CO2-neutral werden wollten? Egal, erstmal konkurrenzfähig bleiben. Also bauen wir neue AKWs, für die Uran benötigt wird, um Wasserstoff zu erzeugen, damit wir von der Kohle wegkommen. Für das Uran wird Bergbau betrieben usw...



    Drittens: Deutschland ist nur eine Industrienation von vielen. Es wird Kriege geben um die Rohstoffe. Die Mächtigen werden die Erde verwüsten, um das Letzte herauszuquetschen. Es ist nicht genug da.



    Fazit: Nur die Anlagenbauer und ihre Aktionäre profitieren von H2-Wolkenschlössern. Es wird viel mehr Energie aufgewendet, als herauskommt. Natur wird zerstört und der Klimawandel angeheizt.



    Was können wir stattdessen tun? Degrow. Rohstoffe schonen, Konsum minimieren, alte Kulturtechniken lernen, Solidarität üben, denn wir werden die globale Krise nur überstehen, wenn wir unsere Mitwesen lieben und retten.

  • Das ist der Grundstein für eine gute Zusammenarbeit und Zukunft.



    Im Gegensatz zur Ausbeutung der Länder, wie sie Russland und China weiterhin betreiben, geht es um Hochtechnologie in den Energieproduzierenden Ländern. Eine derartige Zusammenarbeit begrüße ich ausdrücklich und sie ist eben das Gegenteil von Kolonialismus, der von Manchen bei jeglicher Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern vorgeworfen wird.

  • Wir tauschen die Energie-Abhängigkeit von Russland gegen die von Afrika und Amerika.



    Irgendwo hat die Energietransformation wohl einen Denkkurzschluss in der Wicklung.

  • Wasserstoff aus Marokko, Tunesien und Algerien, Kohle aus Südamerika...läuft ja, die große Energietransformation.

    • @SeppW:

      Deutschland produziert selbst nicht einmal dauerhaft genügend Strom für den eigenen Bedarf, sondern ist auf Importe angewiesen, wenn es hier mal wieder nicht reicht. Und nun soll in Partnerländern, von denen man offenbar meint, dass sie nichts anderes im Sinn hätten, als Deutschland zu versorgen, das 4fache des gegenwärtigen deutschen Stromverbrauchs dafür aufgewendet werden, eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, die noch nirgends flächendeckend erprobt wurde und von der niemand weiß, ob sie in der Praxis funktioniert. Und das in weniger als 30 Jahren - in einem Land, in dem der Neubau nahezu jeglicher Infrastruktureinrichtungen in Zeitlupe verläuft und das es seit Jahren nicht einmal mehr schafft, seine Bevölkerung mit ausreichend bezahlbarem Wohnraum zu versorgen.

      Das ist keine Strategie, das sind Luftschlösser, die den Ministerien wahrscheinlich von irgendwelchen Berater-Schlaulis auf bunten Folien präsentiert wurde, womit sich bekanntlich jeglicher Unsinn gut verkaufen lässt.

  • 6G
    687478 (Profil gelöscht)

    Es wurde aber auch höchste Zeit, Nordafrika endlich als eine hervorragende Gelegenheit für Investitionen zu verstehen und nicht lediglich als Europas Türsteher! Dass DESERTEC damals gescheitert war, ist ausgesprochen Schade, aber so ist das nun mal, wenn man Private „machen“ lässt. Die EU sollte hier nun selbst Fakten schaffen, damit die Gierhälse nicht wieder alles kaputt machen können.