Nach Tod von zwei Kälbern: Bauern nehmen Nabu auf die Hörner
Der Naturschutzbund kämpft in Ostfriesland um seinen Ruf und eine ordentliche Abwicklung seiner Weideprojekte. Er sieht sich als Opfer einer Kampagne.
„Wir haben von Anfang an versucht, transparent aufzuklären“, sagt der Landesvorsitzende Holger Buschmann. Allerdings habe man viele Dinge eben auch selbst erst einmal rekonstruieren und intern aufklären müssen.
Es begann mit zwei toten Heckrindkälbern, die nach einem verunglückten Zusammentreiben verletzt wurden und eingeschläfert werden mussten. Videoaufnahmen eines im Morast liegenden geschwächten Kälbchens sorgten für Empörung. Der Friesische Verband für Naturschutz, ein Zusammenschluss aus Jägern und konventionellen Landwirten, verbreitete sie via Bild und Facebook. Wie und wann sie zustande kamen und warum der Filmende offenbar nichts unternahm, um dem Tier zu helfen, bleibt unklar.
Es blieb nicht bei diesen Bildern und nicht bei diesen Vorwürfen – und damit begann das, was der Nabu-Vorsitzende Holger Buschmann mittlerweile als „Rufmordkampagne“ bezeichnet. Die ganze Herde sei in einem katastrophalen Zustand, hieß es. Die Flächen seien für diese Art der Haltung vollkommen ungeeignet.
Heimlich Proben genommen
Das ist aus Laiensicht an diesem sonnigen Dienstag schwer nachzuvollziehen. Die Tiere verfolgen wachsam, aber ohne Anzeichen von Panik, wie man auf einem kleinen roten Trecker auf sie zu rumpelt. Ihr Fell glänzt in der Sonne, es sind keine Rippen unter dem Fell oder eingefallene Flanken auszumachen.
Mittlerweile gibt es allerdings auch mindestens zwei Kontrollgänge täglich auf der Weide, fest angestellte Tierbetreuer kümmern sich um die Tiere und füttern Kraftfutter zu, wie vom Veterinäramt verlangt. Auch der Versorgungsplatz, auf dem sich das Drama ereignete, wurde geräumt und gesäubert, wie von der Behörde vorgeschrieben.
Darum entspann sich allerdings gleich das nächste Drama: Der zusammengeschobene Misthaufen konnte nicht schnell genug entsorgt werden. Weil das Veterinäramt ihn unnötigerweise als „tierisches Nebenprodukt der Kategorie 2“ eingestuft hatte, sagt der Nabu – weil keine Blutuntersuchung durchgeführt werden konnte und daher der Seuchenstatus nicht klar war. Allerdings gab es auch keinen Verdacht auf Seuchen. Weil sich Kies und Folien darin befanden und der Mist deshalb nicht auf dem üblichen Wege entsorgt werden konnte, sagt der Landkreis. Es ist nicht der einzige Punkt, an dem sich die Darstellungen widersprechen.
Und mittendrin: Der Friesische Verband für Naturschutz, der heimlich Proben entnahm, um dem Nabu nachzuweisen, dass er mit dem Sickerwasser Boden und Gewässer verunreinigt hat. Die Beprobung muss die zuständige Untere Gewässerbehörde nun allerdings noch einmal wiederholen – weil ja vollkommen unklar ist, wo und wie genau sie genommen wurden. Der lokale Umweltverband scheint das Projekt jedenfalls genau zu beobachten: Auch der Besuch der taz wird aufmerksam registriert.
Nabu wehrt sich mit Klagen
Für den Nabu entwickelt sich das Ganze zum perfekten Sturm: Man hat nicht nur mit ungebetenen Besuchern und Beobachtern zu kämpfen, auch der Landkreis scheint entschlossen, das Projekt abzuwickeln.
Das will auch der Nabu mittlerweile. „Man kann solche Projekte nicht gegen so einen Widerstand realisieren“, sagt Buschmann, „das geht nur, wenn man mit dem Veterinäramt gut zusammenarbeiten kann.“ Doch mit dem Veterinäramt hier redet man mittlerweile nur noch über Anwälte. „Wir haben uns bemüht, alle Auflagen so schnell wie möglich umzusetzen. Wenn das nicht ging, haben wir unser Vorgehen genau begründet, aber von der anderen Seite kam nichts außer einer Zwangsgeldverfügung.“ Die Vorgaben und Fristen seien zeitweise vollkommen unrealistisch gewesen. Bescheide seien kaum eingetroffen, aber schon über die Presse kommuniziert worden. Einsichten in Akten und Obduktionsberichte seien verweigert worden.
Der Nabu wehrt sich mit Klagen. Dabei geht es auch darum, wie dieses Projekt denn nun abgewickelt werden soll. Zuletzt hatte der Landkreis angedeutet, die Flächen schon bis Ende September tierfrei haben zu wollen. „Es ist unmöglich, das tierschutzgerecht zu bewerkstelligen“, sagt Buschmann. Eine so wilde Herde kann man nicht einfach mal eben in einen Anhänger treiben. Eine Massenschlachtung auf der Weide kommt aber genauso wenig in Frage. Man müsste die Tiere nach und nach einzeln entnehmen und in andere Projekte bringen oder töten.
Folgen für ähnliche Projekte
Für den Nabu ist das auch deshalb schmerzhaft, weil man hier über 20 Jahre lang investiert hat. Und Buschmann ist von dem Konzept nach wie vor überzeugt: Die Vielfalt der offenen Landschaft, die Vielzahl an Pflanzen, Insekten, Vögeln und Fledermäusen, denen sie Heimat bietet, im Vergleich zu den monotonen Weideflächen ringsherum; die Entwicklungen der Herden, die hier – anders als im Stall – in komplexen sozialen Strukturen leben können – all das wird verloren gehen.
Und möglicherweise wird sich das auch auf andere Weideprojekte auswirken. Schon lange kämpfen die darum, dass man bei ihnen nicht die gleichen Auflagen macht wie in der konventionellen Tierhaltung. Denn Ohrmarken setzen, Blutabnehmen oder Hufeschneiden sind bei einer wilden Herde eben mit sehr viel mehr Stress verbunden als im Stall. Doch die Landwirte pochen auf Gleichbehandlung, nicht nur in Ostfriesland.
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