NGOs warnen: „Tiefpunkt“ bei Asylpolitik droht

Hilfsorganisationen fürchten Ausnahmezustand an den Grenzen durch neue EU-Krisenverordnung

Von Frederik Eikmanns

Über 50 Menschenrechtsorganisationen warnen vor einer weiteren Verschärfung der EU-Asylpolitik durch die derzeit unter den Mitgliedstaaten diskutierte „Verordnung im Fall von Krisen, höherer Gewalt und Instrumentalisierung“. Die Organisationen – unter ihnen etwa Pro Asyl, die Diakonie und Amnesty – befürchten, die Verordnung ermögliche „die Verzögerung von Registrierungen, die Verlängerung von Grenzverfahren sowie massive Absenkungen bei den Unterbringungs- und Aufnahmestandards“. Deshalb müsse die deutsche Bundesregierung die Pläne blockieren, so die Forderung der Organisationen in ihrem Aufruf.

Schon Anfang Juni hatten sich die EU-Innen­minister*innen auf eine grundsätzliche Verschärfung der Asylpolitik geeinigt. Ihr Kompromiss sieht vor, dass bestimmte Geflüchtete beschleunigte Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen durchlaufen sollen, mutmaßlich in Lagern mit haftähnlichen Bedingungen. Außerdem sollen Geflüchtete in sogenannte sichere Drittstaaten außerhalb der EU zurückgezwungen werden, wenn sie über solche Länder eingereist sind. Auch die deutsche Bundesregierung trägt diese Pläne mit.

Die nun diskutierte Krisenverordnung könnte diese Regelungen in bestimmten Situationen noch weiter verschärfen und bisher vorgesehene Ausnahmen aufheben. So sollen deutlich mehr Geflüchtete in die Grenzverfahren genommen werden können, unter bestimmten Umständen sogar alle. Das soll auch für Kinder und andere besonders vulnerable Gruppen gelten, für die es ansonsten eigentlich Ausnahmeregelungen gibt. Außerdem sollen die Grenzverfahren und die Haft auf eine Dauer von bis zu fünf Monate verlängert werden dürfen.

Illegale Pushbacks könnten durch die Verordnung leichter zu legitimieren sein

Gelten soll die Verordnung in Situationen, in denen schlagartig sehr viele Geflüchtete Asyl beantragen wollen und in Fällen, in denen Geflüchtete von anderen Staaten instrumentalisiert werden. Ein Beispiel dürfte das Vorgehen der belarussischen Regierung sein, die Geflüchtete eingeflogen und über die Grenze nach Polen und in die baltischen Staaten gesendet hatte, um Druck auf die EU-Staaten auszuüben. Polen, Litauen und Lettland reagierten darauf, indem sie eine Art Ausnahmezustand verhängten und ihre Grenzen für Asyl­be­wer­be­r*in­nen schlossen. Durch die neue Verordnung würde dieses harte Vorgehen legitimiert und der Ausnahmezustand wohl dauerhaft zementiert.

Auch die verbotenen Mittel, zu denen Polen und auch andere EU-Staaten schon griffen, könnten durch die Verordnung einfacher und leichter zu verstecken sein. Polen zwang Geflüchtete teils direkt zurück nach Belarus, ohne dass diese die Möglichkeit hatten, einen Asylantrag zu stellen. Solche sogenannten Pushbacks sind eindeutig illegal.