Windkraft wird zum lukrativen Geschäft: Energiemultis kaufen Seegebiete

BP und TotalEnergies bezahlen Milliardenbeträge, um Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee bauen zu dürfen. Droht demnächst ein Oligopol?

Ein Windpark auf hoher See

Lohnt sich, weil die Börsenpreise für Windkraft stark gestiegen sind: Offshore-Park in der Nordsee Foto: Christian Charisius/dpa

FREIBURG taz | Die Energiekonzerne BP und TotalEnergies bezahlen zusammen 12,6 Milliarden Euro, um sich Standorte für Windkraftanlagen in der deutschen Nord- und Ostsee zu sichern. Sie verzichten bei den geplanten Projekten sogar auf garantierte Einspeisevergütungen und setzen darauf, dass die Anlagen durch den Stromverkauf am Markt rentabel sein werden.

Dies hat mit einem neuen Verfahren der Bundesnetzagentur zu tun, die seit einigen Jahren die Vergütungen für Windkraftanlagen per Ausschreibungen zuteilt. Sie nutzte erstmals das Windenergie-auf-See-Gesetz, das unter dem Stichwort „Dynamisches Gebotsverfahren“ verankert ist. In der Vergangenheit bekamen jene Akteure den Zuschlag, die ihren Strom zu den günstigsten Konditionen anboten. Lange Zeit hatten sich die Firmen gleichzeitig staatliche Garantien geben lassen, für den Fall, dass der Preis auf der Strombörse zu sehr fällt.

Zwischenzeitlich aber wurden Gebote zu null Cent immer häufiger – die Unternehmen verzichten also auf garantierte Vergütungen. Um zwischen den Null-Cent-Angeboten eine Entscheidung herbeizuführen, gab es nun erstmals eine zweite Auktionsrunde; dort bekam den Zuschlag, wer zudem die größte Summe oben drauf legt.

Zuschläge für BP und Total

BP war in dem Verfahren erfolgreich und darf nun zwei Parks mit jeweils zwei Gigawatt installierter Leistung rund 120 Kilometer nordwestlich von Helgoland bauen. Dafür bezahlt das Unternehmen knapp 6,8 Milliarden Euro. TotalEnergies bekam den Zuschlag für einen weiteren Windpark in derselben Nordseeregion sowie einen kleineren in der Ostsee, 25 Kilometer von Rügen entfernt. Der französische Konzern bezahlt dafür gut 5,8 Milliarden Euro.

Somit geben die beiden Energiemultis zusammen 12,6 Milliarden Euro für die Nutzung der Flächen aus, auf denen sie sieben Gigawatt an Windkraft installieren wollen. Die Inbetriebnahme der Parks ist für das Jahr 2030 vorgesehen. Die Stiftung Offshore-Windenergie kritisiert nun, dass ausschließlich „zwei finanz- und eigenkapitalstarke Giganten aus dem Öl- und Gassektor“ als Bieter erfolgreich waren und diese nun alleine fast so viel Leistung aufbauen wollen, wie es bisher in deutschen Gewässern insgesamt gibt.

„Akteursvielfalt“ erhalten

Im kommenden Jahr sollen weitere acht bis neun Gigawatt ausgeschrieben werden. Sollte bis dahin das Auktionsdesign nicht überarbeitet werden, bestehe „die Gefahr eines Oligopols im deutschen Offshore-Wind-Markt“, beklagt die Stiftung. Die Politik müsse auch darauf achten, „die Akteursvielfalt zu erhalten“.

Die Milliarden, die der Staat auf diese Weise einnimmt, sind zweckgebunden. 90 Prozent von dem Geld werden zur Senkung der Offshore-Netzumlage eingesetzt. Diese finanziert die Netzanbindung der Offshore-Windparks und wird über die Stromrechnung von den Verbrauchern bezahlt. Für 2023 beläuft sie sich auf 2,3 Milliarden Euro, was für Stromkunden einen Aufschlag von aktuell knapp 0,6 Cent je Kilowattstunde bedeutet.

Mit den Einnahmen aus den jüngsten Versteigerungen könnte die Umlage – verteilt man die Summe auf 20 Jahre – auf rund 1,7 Milliarden Euro jährlich sinken. Damit ergäbe sich für die Stromkunden allerdings nur eine Einsparung von bestenfalls 0,2 Cent pro Kilowattstunde.

Zehn Prozent der Einnahmen aus der Flächenauktion gehen außerdem in den Bundeshaushalt und sind zweckgebunden: Fünf Prozent der Einnahmen sind laut Gesetz „für Maßnahmen des Meeresnaturschutzes“ zu verwenden, weitere fünf Prozent „für Maßnahmen zur umweltschonenden Fischerei einschließlich Fischereistrukturmaßnahmen“. Genutzt werden soll das Geld „möglichst in dem betroffenen Naturraum“, so heißt es im Gesetz.

Spekulieren auf hohen Strompreis

Legt man die Milliardenbeträge, die die Unternehmen für die Flächen auf See bezahlen, auf ihre zu erwartenden Erträge um, ergibt sich bei einer angenommenen Betriebszeit der Turbinen von 20 Jahren ein Wert in der Größenordnung um zwei Cent je Kilowattstunde. Die Unternehmen spekulieren also auf ein Preisniveau am Strommarkt, das es ihnen ermöglicht, den Strom trotzdem gewinnbringend zu verkaufen.

In jüngster Zeit waren die Bedingungen in dieser Hinsicht gut: Die monatlich gemittelten Marktwerte für Windstrom auf See lagen im Jahr 2023 bisher zwischen rund acht und elf Cent je Kilowattstunde. Aber sie schwanken mitunter stark – und das ist nun das Risiko der Investoren. Sehr attraktiv war der Markt für Stromerzeuger im Jahr 2022, als man mit Offshore-Windstrom an der Börse im Durchschnitt 18,3 Cent je Kilowattstunde erlösen konnte. Im Jahr 2021 waren es ebenfalls noch solide 9 Cent gewesen, im Coronajahr 2020 hingegen lag der Marktwert von Offshore-Windstrom bei ruinösen 2,7 Cent.

Wer heute in einen Offshore-Windpark investiert, ohne staatliche Mindestvergütung und wer zugleich auch noch rund zwei Cent je Kilowattstunde für den Standort abführt, muss also vor allem eines haben: Vertrauen in weiterhin hohe Marktpreise an der Strombörse.

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