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Polizeiaffäre in Baden-Württemberg zieht weitere Kreise

Die Akte des karrieristischen Polizeidirektors Andreas Renner wird immer dicker. Jetzt beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss des Stuttgarter Landtages mit ihm

Das wird nicht alles gewesen sein. Bild vom Prozessbeginn in Stuttgart, 9. Mai 2023 Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Aus Stuttgart Benno Stieber

Das Bild des Polizeiinspekteurs Andreas Renner bekommt auch jenseits des Strafprozesses wegen sexueller Nötigung weitere Risse. Vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags in Baden-Württemberg zur Affäre um den suspendierten obersten Polizeibeamten des Landes hat am Montag noch einmal dessen ehemaliger Chef, Ralf Michelfelder, ausgesagt. Im Untersuchungsausschuss soll die Frage geklärt werden, ob bei der Blitzkarriere von Renner, der sich derzeit vor dem Landgericht Stuttgart wegen sexueller Nötigung einer jungen Polizeibeamtin verantworten muss, alles mit rechten Dingen zuging.

Daran bestehen Zweifel. Renner war mit gerade einmal 48 Jahren auf den höchsten Posten gekommen, von dem es keine weiteren Beförderungsmöglichkeiten gibt. Der Untersuchungsausschuss untersucht den Verdacht, dass Renner von Innenminister Thomas Strobl und einigen Abgeordneten aus der CDU-Fraktion protegiert wurde.

Bislang hatten alle Verantwortlichen den Karrieristen Renner in höchsten Tönen gelobt. Innenminister Strobl hatte die Ernennung Renners im Untersuchungsausschuss gerechtfertigt: Renner sei ziemlich komplett gewesen, er habe nie etwas Negatives über ihn gehört. Zudem habe er immer Spitzenbeurteilungen erhalten.

Ein überraschend anderes Bild zeichnete in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses der ehemalige Präsident des Landeskriminalamts, Ralf Michelfelder, dessen Stellvertreter Renner bis zu seiner Ernennung 2021 war. Michelfelder hatte sich aktiv dagegen gewehrt, dass Renner zu seinem Stellvertreter ernannt werden sollte. Renner habe zu wenig Polizeipraxis gehabt, sagte der damalige LKA-Chef. Im entscheidenden Gremium hatte er auf einer Protokollnotiz bestanden, nach der er die Ernennung Renners für ein „Sicherheitsrisiko“ halte. Er habe aber mit seinen fachlichen Argumenten kein Gehör gefunden. Über Renners Leistungen hatte er ebenfalls wenig Schmeichelhaftes zu berichten. Renner habe wenig motiviert gewirkt. Zudem habe er ihn zur Rede gestellt, nicht interne Informationen an einzelne Abgeordnete aus der CDU-Fraktion weitergegeben zu haben, als er von Besuchen eines Abgeordneten in Renners Büro erfahren habe.

Im Polizeiapparat machte da schon das Gerücht die Runde, Renner habe die Station im Landeskriminalamt nur angetreten, um seinen Lebenslauf auf den letzten Metern zum Polizeiinspekteur zu optimieren. Als Renner zum Polizeiinspekteur berufen werden sollte, wurde Michelfelder als sein direkter Vorgesetzter gar nicht erst um eine Beurteilung gefragt. Ein in Behörden ungewöhnlicher Vorgang.

Nachdem die Affäre Renner schon den Innenminister und MP-Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) beschädigt hat, wird sie nun auch für die gesamte CDU-Fraktion zum Problem. Michelfelder hatte in seiner ersten Vernehmung beklagt, er sei aus den Reihen der Fraktion gezielt diskreditiert und unter Druck gesetzt worden. Mit Beginn des Untersuchungsausschuss waren Gerüchte an die Öffentlichkeit gelangt, Michelfelder hätte nach dem Ausscheiden weiter einen Hausausweis und ein Diensthandy für vertrauliche Gespräche erhalten. Michelfelder behauptet, Urheber dieser rufschädigenden Gerüchte sei ausgerechnet das Untersuchungsausschussmitglied Christian Gehring (CDU). Dies habe er vom Staatssekretär im Innenministerium, Wilfried Klenk, erfahren.

Deshalb musste auch Gehring, selbst ehemaliger LKA-Beamter, am Montag vor den Untersuchungsausschuss: Er wurde als Zeuge befragt und stritt die Vorwürfe ab. Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten soll Gehring im Dezember 2021 im Arbeitskreis Polizei der CDU geäußert haben, man müsse Renner schützen und einen Untersuchungsausschuss zu dem Thema verhindern. Gehring bestritt, diese Aussage gemacht zu haben.

Renner war in der Lage, der Polizeibeamtin berufliche Nachteile zu bereiten

Derweil will das Landgericht Stuttgart am Freitag sein Urteil sprechen. Die Anklage wirft dem suspendierten 49-jährigen Polizeiinspekteur vor, im November 2021 eine Polizeibeamtin, die sich im Auswahlverfahren für den höheren Polizeivollzugsdienst befand, zu sexuellen Handlungen aufgefordert und dabei die Abhängigkeit der Beamtin ausgenutzt zu haben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft war Andreas Renner in der Lage, der Polizeibeamtin im Fall ihres Widerstands erhebliche berufliche Nachteile zu bereiten. Die Beamtin zeigte das Verhalten selbst an und legte als Beweis den Mitschnitt eines Videocalls vor.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der vergangenen Woche eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, sowie eine Geldauflage gefordert. Sollte das Gericht dem folgen, würde Renner seinen Beamtenstatus verlieren. Seine Karriere wäre wohl vorbei. Bei einer milderen Strafe oder einem Freispruch droht ihm ein Disziplinarverfahren.

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