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„Eine Entschuldigung blieb leider aus“

Die hessischen Grünen gehen zaghaft auf Distanz zu CDU-Innenminister Beuth. Er war der letzte Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss zum rassistischen Anschlag in Hanau

Aus Wiesbaden Christoph Schmidt-Lunau

„Alles Lügen“, ruft Emiş Gürbüz, Mutter von Sedat, dem ermordeten Wirt der Shisha-Bar, die am 20. Februar 2020 in Hanau zum Tatort wurde. Mehr als vier Stunden lang haben Angehörige der Opfer und Überlebende des rassischen Mordanschlags den Auftritt des prominentesten Zeugen im Untersuchungsausschuss verfolgt: Hessens Innenminister Peter Beuth, CDU. Sie wirken erschöpft, einige sind fassungslos, andere wütend. Es war mutmaßlich der letzte große Auftritt des Ministers, der seit einem Jahrzehnt für Sicherheit, Polizei und Staatsschutz in Hessen zuständig ist. Nach der Landtagswahl im Oktober will er aufhören. Die Angehörigen hatten auf den Pulten der Abgeordneten Fotos der Ermordeten aufgestellt, wie auch in den 37 Sitzungen davor. Sie wollen Klarheit. Wieso konnte der rechtsextreme, psychisch kranke Täter mit Waffenlizenz am 19. Februar 2020 binnen fünf Minuten das Leben ihrer Liebsten auslöschen?

Am Vortag des Ausschusses hatte Said Etris Hashemi an den Minister appelliert, ein Zeichen zu setzen. Der 26-jährige Student verlor bei dem Anschlag seinen Bruder und wurde selbst schwer verletzt. Auch Niculescu Păun, Vater von Vili Viorel, wartet seit dreieinhalb Jahren auf eine Entschuldigung. Sein Sohn hatte den Täter mit dem Auto zum zweiten Tatort verfolgt, um ihn aufzuhalten. Mehrfach hatte er den Notruf gewählt. Minuten später starb er durch Schüsse des Täters. Was auch die diensthabende Beamtin beim Notruf nicht wusste: Seine Anrufe landeten im Nirgendwo. Die Frage des Vaters, ob der Tod seines Sohnes zu verhindern gewesen war, habe ihn „sehr betroffen“ gemacht, sagt Beuth vor dem Ausschuss. Die Sicherheitslücke beim Notruf nennt er einen „tragischen Umstand“. Er glaubt trotzdem nicht, dass Păun hätte gerettet werden können, und versichert, der Mangel sei inzwischen behoben. Zuvor hatte Beuth den Angehörigen seine „aufrichtige Anteilnahme“ ausgesprochen. Behördenversagen kann er nicht erkennen, sieht aber „Verbesserungsbedarf“ bei der Opferbetreuung. Die Familien und Überlebenden hatten beklagt, dass sie in der Mordnacht spät und dann in einem unwürdigen Rahmen über den Tod ihrer Angehörigen informiert worden seien.

Im Anschluss an seine Vernehmung antwortet Beuth auf die Frage nach Fehlern: „Was heraussticht und mir auch besonders leid tut, ist, dass der Umgang mit den Opfern nicht so gelungen ist, wie die Polizei sich den Opfern zuwenden musste und auch wollte.“ Dass sein eigenes Verhalten in der Kritik steht, kommentiert er nicht. Mehrfach haben die Opferfamilien ihm vorgeworfen, er habe in dreieinhalb Jahren keinen persönlichen Kontakt zu ihnen gesucht.

Nach Beuths Statement geht Niculescu Păun entschlossen auf Beuth zu: Er erzwingt die persönliche Begegnung, die ihm bislang verweigert wurde. An seiner Seite ist Hayrettin Saraçoğlu, der beim Anschlag seinen Bruder Fatih verloren hat. „Ich habe drei Kinder. Ich habe immer noch Angst, dass meine Kinder auf die Straße laufen, dass irgendwie ein rechtsradikaler Angriff kommt“, sagt er. Beuth antwortet betroffen: „Der Rechtsextremismus ist in unserem Land die größte Herausforderung: Ansonsten tut mir das Schicksal der Familien sehr leid. Aber ich kann es nicht ungeschehen machen.“ Păun verneigt sich tief und sagt: „Ich nehme dein Beileid an.“

„Fehler hätten klarer benannt werden können“

Vanessa Gronemann, Grünen-Obfrau im Ausschuss

Zufrieden zeigte sich nach Beuths Auftritt die CDU. Die Polizei habe gute Arbeit geleistet, Fehler seien erkannt, sagte CDU-Obmann Jörg-Michael Müller. „Klar bleibt aber auch, dass all dies keinen Einfluss auf den Ablauf der Tat gehabt hätte. Bereits aufgrund der Schnelligkeit, in der die grausame Tat ausgeführt wurde, wäre ein rechtzeitiges polizeiliches Eingreifen nicht möglich gewesen.“ Vorsichtig auf Distanz gehen dagegen die Grünen, die seit zehn Jahren Beuths Innenpolitik im Parlament mittragen. „Aus unserer Sicht hätten heute Fehler klarer benannt und öffentlich eingestanden werden können. Auch eine von den Angehörigen geforderte Entschuldigung blieb leider aus“, erklärte die Grünen-Obfrau im Ausschuss, Vanessa Gronemann, schriftlich.

Von einer verpassten Chance spricht auch Heike Hofmann, SPD. „Der Schutz der Polizei vor Kritik ist ihm offensichtlich wichtiger als ein angemessener Umgang mit dem Opferschutz“, sagte die Linke Saadet Sömnez. Ex-Justizminister Jörg-Uwe Hahn, FDP, nennt die „fehlende Übernahme von Verantwortung“ durch die Leitung des Polizeipräsidiums Südosthessens „inakzeptabel“. Der zuständige Polizeipräsident war Roland Ullmann. Fünf Monate nach dem Anschlag wurde er Landespolizeipräsident. Mit ihrer Mehrheit haben CDU und Grüne die Debatte über den Abschlussbericht des Ausschusses auf die Zeit nach der Landtagswahl verschoben. Differenzen zwischen den Regierungsparteien sollen den Wahlkampf offenbar nicht belasten.

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