piwik no script img

Kraftstoff für Insekt und Auto

Vielfalt beim Energiepflanzenanbau nutzt den Bienen wie insgesamt dem Artenschutz

Auf jedem fünften Acker in Deutschland wachsen Pflanzen, die für stoffliche oder energetische Nutzung angebaut werden. Im Jahr 2021 waren das insgesamt 2,63 Millionen Hektar, wovon rund neun Zehntel für die Energieerzeugung kultiviert wurden: Zum einen verarbeitet man die nachwachsenden Rohstoffe zu Ethanol und Diesel; zum anderen und zum weitaus größten Teil erzeugt man aus Energiepflanzen wie Mais, Gras, Zuckerrüben und Getreide heimisches Biogas, das sowohl fossiles Erdgas in großem Stil ersetzen könnte und zum anderen die Stromlücke bei Nacht und Windflaute schließt.

Angesichts dieser strategischen Tragweite der Biogaserzeugung ist es naheliegend, intensiv darüber nachzudenken, wie im Energiepflanzenanbau mehr Vielfalt auf den Äckern heranwachsen kann. Das ist für alle Insekten gut, für Bienen natürlich auch. Tatsächlich gibt es schon seit vielen Jahren intensive Bemühungen von Pflanzenzüchtern, Naturschutzverbänden, Biogasanlagen-Betreibern und seitens der Politik, neben klassischen Energiepflanzen auf Alternativen zu setzen: Mehrjährige Wildpflanzenmischungen, Topinambur, Brennnessel, Silphie, Chinaschilf, Szarvasgras und Rohrglanzgras heißen die Hoffnungsträger für mehr Vielfalt. So haben Bundesländer wie Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern inzwischen Programme auf den Weg gebracht, die diejenigen Landwirte mit Zuschüssen belohnen, die diese alternativen Energiepflanzen anbauen. Das Motto: Die zumeist mehrjährigen Kulturen blühen vom Frühjahr bis zum späten Sommer und sind so für Bienen und andere Insekten eine reiche Beute. Nach der Blütezeit wird die Biomasse dann gehäckselt, in die Fermenter gefahren und es wird Biogas erzeugt.

Dass Artenvielfalt und Biogasgewinnung nicht zwangsläufig einen Widerspruch darstellen müssen, darauf verweist der „Biogas-Botschafter“ des Fachverbandes Biogas, Georg Hackl. In einem Grußvideo zur Aktionswoche Artenvielfalt, die vom 19. bis 25. Juni bundesweit stattfindet, erklärt der Rodel-Olympiasieger, dass mit alternativen Energiepflanzen sowohl das Nahrungsangebot für Bienen verbreitert als auch grünes Gas gewonnen wird.

Klingt gut, wenn der Hackl Schorsch offensiv für „mehr bunte Biomasse“ wirbt. Jedoch sieht die Wirklichkeit noch monotoner aus. Denn immer noch beherrscht Mais, eine aus landwirtschaftlicher Perspektive sicherlich hervorragende Kultur, die Biogasszene. Einfach, weil keine andere Pflanze so viel Ertrag einbringt. Und so landen jährlich mehr als eine Million Hektar Mais in Fermentern. Zwar sind die Maisflächen in den letzten Jahren geschrumpft und der Trend, nicht zuletzt durch Vorgaben im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG), zu mehr Vielfalt ist eingeläutet, doch weiß keiner genau, wie viele Hektar mit alternativen Früchten gegenwärtig angebaut werden. Die Bienen wissen es indes schon … Dierk Jensen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen