Rechte Bedrohungen gegen Schulklasse: Rassismus vor Seenlandschaft

Rassistische Attacke: Im brandenburgischen Heidesee bedrohten Rechte eine Berliner Schulklasse. Die reist daraufhin noch nachts unter Polizeischutz ab.

Ein Sandstrand am Brandenburger Frauensee in der Nähe von Königs Wusterhausen

Wäre ohne Rassismus ganz schön eigentlich: Brandenburg

BERLIN taz | Alkoholisierte und teils vermummte Jugendliche und junge Erwachsene haben im brandenburgischen Heidesee offenbar eine Berliner Schulklasse rassistisch beleidigt, bedroht und belagert. Die 20 Schü­le­r*in­nen einer Kreuzberger Gemeinschaftsschule waren über das Wochenende für ein Mathe-Camp in eine Jugendfreizeiteinrichtung am Frauensee in der Nähe von Königs Wusterhausen gereist, um sich dort auf Abschlussprüfungen vorzubereiten. Die Schulklasse verließ schließlich unter Polizeischutz in der Nacht und den frühen Morgenstunden die Einrichtung – nachdem es offenbar zu rassistischen Anfeindungen und Drohungen vieler migrantisch gelesener Schü­le­r*in­nen gekommen war.

Die rechten Übergriffe gingen von einer Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener zwischen 17 und 19 Jahren aus der Region aus, die sich ebenfalls dort eingemietet hatten – für eine Geburtstagsfeier. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und Bedrohung. Mehrere Streifenwagen sollen die Abreise der Berliner Schü­le­r*in­nen zwischen 15 und 16 Jahren bewacht haben. Der Klassenlehrer hatte die Eltern über die Vorfälle alarmiert und soll angesichts der Bedrohungslage entschieden haben, sofort abzureisen.

Die BZ, die mit dem Vater eines der angegriffenen Kinder sprach, zitiert diesen mit den Sätzen: „Die rechtsradikalen Jugendlichen hatten am Tag am See gefeiert und die Berliner Jugendlichen fremdenfeindlich bepöbelt.“ Dabei seien Sätze wie „Wir klatschen euch weg, ihr K*******!“ gefallen sein. Nachts hätten die Rechten dann versucht, in die Unterkunft der Schüler einzudringen. Die Eltern hätten ihre Kinder noch in der Nacht abholen sollen. „Viele Kinder stehen unter Schock. Sie kannten diese Ausländerfeindlichkeit aus Berlin nicht“, so der Vater. Es werde nun überlegt, die Matheprüfung zu verschieben.

Die Polizei bestätigte zunächst per Meldung, dass Einsatzkräfte gegen 0.30 Uhr in das Ferienlager am Frauensee gerufen worden seien, zuvor habe es eine „verbale Auseinandersetzung“ zwischen „Schülern einer Schulklasse und Gästen einer Geburtsfeier“ gegeben. Die Schüler seien „rassistisch beleidigt und bedroht worden“. Zu einer körperlichen Auseinandersetzung sei es nach ersten Erkenntnissen nicht gekommen. Zuständig ist die Polizei Königs Wusterhausen.

Vier oder fünf Personen „aktiv geworden“

Ines Filohn, Sprecherin der Polizeidirektion Süd in Cottbus, sagte auf taz-Anfrage am Montag, dass die mutmaßlichen Übergriffe aus einer Personengruppe von 28 Personen einer Geburtstagsfeier erfolgt seien, deren Identitäten festgestellt worden seien. Nach ersten Erkenntnissen seien vier oder fünf Personen aus der Gruppe „aktiv geworden“, so Filohn.

Ein weiterer Polizeisprecher sagte, dass die Geburtstagsgäste alkoholisiert und teilweise vermummt gewesen seien. Sie hätten versucht, in das Objekt der Schulklasse zu gelangen, an Türen und Fenstern geklopft und Gewalt angedroht. Die Polizei sei von einem Schüler gerufen worden. Filohn sprach von einem „Drohszenario durch rassistische Beschimpfungen“ und „Sichaufbauen“ vor der Unterkunft der Schulklasse. Sie sprach auch von aufs Kopftuch bezogenen Beleidigungen gegen Schülerinnen sowie weiteren rassistischen Beschimpfungen wie „K*******“.

Die Polizei habe nach ihrem Eintreffen mit drei Streifenwagen gegenüber den Geburtstagsgästen eine Gefährderansprache durchgeführt und anschließend die Abreise der Schü­le­r*in­nen beschützt. Filohn sagte, die Polizei habe zwar nicht zur Abreise geraten, aber Verständnis für die Entscheidung – „weil man sich nach derartigen Anfeindungen vor Ort nicht wohlfühlt“, so die Polizeisprecherin.

Die neue Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sagte, man dürfe sich „mit solchen Übergriffen nicht abfinden“. Ein Krisen- und Interventionsteam sei umgehend zur psychologischen Aufarbeitung für Schüler und Eltern verständigt worden. Die Geschäftsführerin der Jugendeinrichtung, Nora Runneck, verurteilte „jegliche Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“. Man unterstütze die Ermittlungen und habe der Bucherin der Geburtstagsfeier Hausverbot erteilt. Auch der parteilose Bürgermeister von Heidesee, Björn Langner, zeigte sich bestürzt.

Kürzlich sorgten rechtsextreme Zustände an einer Schule in Südbrandenburg für bundesweite Aufmerksamkeit, nachdem Leh­re­r*in­nen per offenem Brief Alarm geschlagen hatten: In Burg (Spreewald) dominiere eine rechte Gruppe von über zehn Schü­le­r*in­nen und vielen Mit­läu­fe­r*in­nen den Schulalltag: Es komme zu rechten Bedrohungen, Diskriminierungen, Hitlergrüßen, rechtsextremen Sprüchen und Hakenkreuz-Schmierereien. Ein Teil des Kollegiums schaue lieber weg, die Situation gleiche einem „Spießrutenlauf“ für sich zur Wehr setzende Leh­re­r*in­nen und nicht weiße oder linke Schüler*innen.

Auch Schü­le­r*in­nen bezeugten die Zustände an der Schule. Ebenso berichteten weitere Schulen von ähnlichen Problemen. Joschka Fröschner von der Beratungsstelle Opferperspektive für Betroffene rechter Gewalt in Brandenburg sagte der taz dazu: „Der rechte Mainstream an mehreren Schulen ist besorgniserregend und nicht zu akzeptieren. Geschehnisse wie in Burg lesen sich wie Strategien rechter Raumnahme und die Normalisierung von extrem rechter Ideologie.“ Fröschner fordert die Herstellung von Sicherheit für die Betroffenen im Alltag der Schulen und ein unmittelbares und kompromissloses Vorgehen gegen die Täter sowie die Stärkung der Sozialarbeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.