Alltäglicher Rassismus in Deutschland: Rassismus vermeiden ist schwieriger
Rassismus ist für viele Betroffene ganz alltäglich. Oft versuchen sie – so wie unsere Autorin – rassistischen Begegnungen aus dem Weg zu gehen.
Über eigene Rassismuserfahrungen spreche ich nicht öffentlich. Klar: Ich rede und schreibe auch darüber, dass Rassismus mir auf verschiedenen Ebenen begegnet und mein Leben beeinflusst. Doch konkreter werde ich nicht. Zum einen ist es einfach verdammt persönlich.
Eine rassistische Beleidigung entgegengeschleudert zu bekommen, angegriffen oder aus rassistischen Motiven ausgeschlossen zu werden, ist jedes Mal auch eine schmerzhafte persönliche Erfahrung.
Auf struktureller Ebene wird eine ganze Gruppe abgewertet. In diesem spezifischen Moment jedoch werde ich es selbst, in meinem Sein. Das geht einher mit vielen Gefühlen. Angst, Trauer, Wut, Scham. Und Wut und Scham darüber, dass ich all diese Gefühle empfinde.
Der wichtigere Grund: So persönlich betroffen ich auch sein mag – wenn es um Rassismus geht, dann geht es nicht um mich, sondern um einen politischen Komplex, der sich ganz unterschiedlich präsentiert und in diversen Bereichen auf unterschiedliche Gruppen einwirkt.
Oft heißt es, persönliche Erfahrungsberichte seien wichtig, damit Nicht-Betroffene verstehen können, dass es Rassismus gibt. Angesichts der vielen Toten im Mittelmeer und des rechten Terrors von NSU über Halle bis nach Hanau ist diese Haltung einfach zynisch.
Relativ heller Hautton
Meine Erfahrung ist nicht repräsentativ. Nehmen wir Racial Profiling: Auch ich wurde schon eindeutig nur deshalb von Polizei oder Sicherheitskräften kontrolliert, weil ich Schwarz bin.
Ich habe das Privileg, frei entscheiden zu können, welche Wege ich nehme, und meide Orte mit erhöhter Polizeipräsenz
Aber es ist eines meiner geringsten Rassismusprobleme. Als Frau bin ich weniger betroffen, dazu habe ich für eine Schwarze Person einen relativ hellen Hautton und werde eher als „von hier“ gelesen. Das Gleiche gilt für die Art, wie ich mich im öffentlichen Raum bewege.
Sobald ich den Mund aufmache, hört man es auch. Und außerdem: Ich habe das Privileg, sehr frei entscheiden zu können, welche Wege ich nehme und wo ich mich aufhalte. Ich meide zum Beispiel alle Orte mit einer erhöhten Polizeipräsenz.
Aufgehört, den Bus zu nehmen
Die meisten haben gute Rassismus-Vermeidungs-Strategien, doch nicht alle können sie nutzen. Je mehr Ressourcen wir haben, desto eher können wir unangenehmen Situationen aus dem Weg gehen. Die Vermeidung von Rassismuserfahrungen hat eine Rolle gespielt bei der Wahl meines Wohnortes und meines Berufs.
Es ist ein fast unbewusster, automatischer Teil bei jedem meiner Entscheidungsprozesse. Nachdem ich beispielsweise mehrmals kurz hintereinander im Bus angepöbelt wurde, habe ich einfach aufgehört, diesen Bus zu nehmen.
Ich komme auch anders zur Arbeit, aber die wenigsten können sich das aussuchen. Ich habe inzwischen so viele Anpassungen vorgenommen, dass ich bei einigem nicht mehr mitreden kann. Aber ich kann gegen die Strukturen kämpfen, die diese Anpassungen immer wieder notwendig machen, und mich für diejenigen einsetzen, die mehr leiden als ich.
Persönlich fällt mir auf: Ich kann mich auf meine Rassismus-Vermeidungs-Strategien immer weniger verlassen. Die Angriffe kommen aktuell immer häufiger aus Ecken, mit denen ich nicht gerechnet hätte.