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Islamisches Zentrum Hamburg vor GerichtGeheimdienst leicht verdruckst

Das Islamische Zentrum Hamburg klagt gegen den Verfassungsschutz. Es will sich nicht als islamistisch und verfassungsfeindlich bezeichnen lassen.

Man­che*r sähe die Imam-Ali-Moschee mit dem Islamischen Zentrum IZH gerne geschlossen Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Ist das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) extremistisch? Wird es vom iranischen Mullah-Regime gesteuert? Diese Fragen wurden am Freitag vor dem Verwaltungsgericht Hamburg verhandelt – erstmals mündlich: Das Verfahren läuft bereits seit dem Jahr 2020, wurde bisher aber nur schriftlich geführt. Geklagt hat das IZH gegen den Hamburger Verfassungsschutz (VS), genauer geht es um Aussagen in dessen Jahresberichten von 2018 und 2019 sowie die Einordnung des Zentrums insgesamt als islamistisch.

Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich mehrere Dutzend Geg­ne­r*in­nen des iranischen Re­gimes versammelt, die auf Transparenten die Schließung der Moschee forderten. Ihre Gesänge und Rufe – etwa: „Weg, weg, weg! Die Mullahs müssen weg!“ – waren im Sitzungssaal gut zu hören. Der Leiter des IZH, Mohammad Hadi Mofatteh, war nicht anwesend, sondern ließ sich durch Rechtsanwalt Sven Krüger vertreten. Das Landesamt für Verfassungsschutz verteidigte sich mit vier anwesenden Beamt*innen, darunter zwei Juristen, selbst.

Zu Beginn der Verhandlung erörterte der vorsitzende Richter Klaus Thorwarth erst einmal die Rechtsgrundlage des Verfahrens. Dabei ging es unter anderem um die Frage: Ist es möglich, Beweise, die erst nach der Veröffentlichung von Aussagen erhoben wurden, als Beweis für ebendiese Aussagen anzuführen?

Bevor die Beteiligten aber dazu kamen, konkret über die acht Aussagen zu sprechen, die das IZH als falsch ansieht, sagte VS-Mitarbeiter Thomas G., dass aus datenschutzrechtlichen Gründen immer nur die letzten drei Verfassungsschutzberichte der Öffentlichkeit zugänglich seien. Somit gebe es für den ersten Teil der Klage keinen Gegenstand mehr. Denn der Jahresbericht von 2018 sei weder gedruckt noch online noch zugänglich. Der Bericht von 2019 ist demnach auch nur noch bis zum kommenden Monat zu finden – dann wird der Bericht von 2022 veröffentlicht.

Hisbollah-Anhänger besuchen die Moschee

Richter Thorwarth reagierte missbilligend auf diese Aussage: „Dass sie damit jetzt in der mündlichen Verhandlung kommen, ist äußerst unangenehm“, sagte er und wies darauf hin, dass das klagende IZH ohne Rechtsschutz dastehe, wenn der Gegenstand der Klage sich im laufenden Verfahren erledige und daher nicht mehr geurteilt werden könne. Der Bericht von 2019 sei aber weiter auf der Agenda, so Thorwarth; „wie wir das mit 2018 machen, kann ich nicht sagen“.

Eine der acht verhandelten Aussagen ist, dass es in Hamburg „etwa 50 (2018: 30)“ Hisbollah-Anhänger gebe, die im IZH und der Imam-Ali-Moschee verkehren „um dort an den Freitagsgebeten oder anderen religiösen Veranstaltungen teilzunehmen“. IZH-Anwalt Krüger konterte mit der Frage: „Wenn ein RAF-Terrorist im Michel betet, muss die Gemeinde dann in den Verfassungsschutzbericht?“ Ein Besuch beweise noch keine Nähe zu der schiitischen Terrororganisation. Den VS forderte er immer wieder auf, „konkrete Anhaltspunkte“ für die Vorwürfe vorzulegen. Krüger betonte zudem, das IZH fördere lediglich den schiitischen Islam, habe aber keine politische Ausrichtung.

Der VS stützt sich unter anderem auf ein Buch des iranischen Revolutionsführers Ajatollah Ruhollah Chomeini, das „in Kooperation“ und mit dem Siegel des IZH verkauft wird. Zudem verwiesen die Ge­heim­dienst­mit­ar­bei­te­r*in­nen auf verschiedene Besuche des aktuellen sowie vergangener IZH-Leiter bei hisbollah­nahen Vereinen und Gemeinden, um ein islamistisches Netzwerk deutlich zu machen, in dem sich das IZH bewege. Die Trennung von Politik und Religion, die das IZH für sich beanspruche, wiederum stimme nicht überein mit der Ideologie Chomeinis: Die Staatsdoktrin des Iran lasse keine Trennung von weltlicher und religiöser Führung zu.

Zur Frage, wer die im Jahresbericht erwähnten bis zu 50 Hisbollah-Anhänger seien, mussten die VS-Leute passen: Sie seien „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht in der Lage, „Personenlisten vorzuhalten“. Rechtsanwalt Krüger nannte dieses Vorgehen „perfide“; dem Geheimdienst warf er vor, immer wieder „Nebelkerzen“ zu werfen.

Thorwarth stellte fest, dass der VS sich in einem „sachtypischen Beweisnotstand“ befinde: Weitere Beweise vorzulegen würde seine Arbeit gefährden. Dass das „Beweismaß trotzdem nicht heruntergeschraubt“ werden könne, sagte der Richter aber auch.

Wegen des großen öffentlichen Interesses fand die Verhandlung im größten Sitzungssaal des Verwaltungsgerichtsgebäudes statt, der aber nur etwas über 40 Plätze hat. Unter den Gästen waren auch Kritiker*in­nen der Blauen Moschee, die mit Zwischenrufen und Gelächter auf Aussagen des IZH-Anwalts reagierten. Zu einer Entscheidung kam es am Freitag nicht, ein Folgetermin wurde für den 31. Mai festgelegt.

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  • Man kann nur hoffen, dass die Grünen nicht eine lückenlose Aufklärung verhindern - darin haben sie ja Erfahrung....