Der Traum vom weißen Kleid

Die Ex-Intendantin Gisela Höhne kommt nach sechsjähriger Pause als Regisseurin an das Ramba Zamba Theater zurück und bringt ein Stück mit, das nicht gut gealtert ist

„Dona Rosita“ mit Nele Winkler im Ramba Zamba Theater Foto: Phillip Zwanzig

Von Anna Fastabend

Gisela Höhne wurde vermisst. Die Mitbegründerin des Ramba Zamba Theaters hat nach sechsjähriger Inszenierungspause ein neues Stück auf die Bühne der Spielstätte für Menschen mit und ohne Behinderung gebracht, und alle sind sie gekommen. Der langjährige Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, der Schauspieler August Diehl und die Schauspielerin Angela Winkler, von der gleich zwei erwachsene Kinder in „Doña Rosita bleibt ledig oder Die Sprache der Blumen“ mitwirken.

Sohn Tammo Winkler hat das Bühnenbild entworfen und Tochter Nele Winkler, seit etlichen Jahren im Ensemble, spielt die Hauptrolle. Nele Winklers jung gebliebene Art sei es auch gewesen, die die ehemalige Intendantin des Ramba Zambas und Regisseurin Gisela Höhne zur Stückauswahl inspiriert habe, steht im Programmheft.

Ein kubistisches Gebäude befindet sich auf der Bühne, der Treppenaufgang ist mit Vasen voller kleiner Rosensträuße gesäumt. Auf die Milchglasscheiben des Gewächshauses werden im Verlauf des anderthalbstündigen Abends die verschiedensten Blumenarten projiziert. Überhaupt stehen hier viele Pflanzen: riesige Lilien vor der kleinen Livekapelle, die die Aufführung mit spanischer Gitarrenmusik begleitet, außerdem kunstvolle Papierblumen in großen Metalleimern. Filme wie „Virgin Suicides“ von Sofia Coppola oder „Call Me By Your Name“ von Luca Guadagnino kommen einem in den Sinn. Es ist genau die Mischung aus Schlichtheit und floralen Akzenten, die das Ganze nicht zu einer geschmacklosen Soap-Opera werden lässt.

Das Stück, das der spanische Dramatiker Federico García Lorca 1935 veröffentlicht hat, dürfte den wenigsten bekannt sein. Wie in seiner häufiger gespielten Tragödie „Yerma“ geht es auch in „Doña Rosita“ um die Stellung der Frau in der spanischen Gesellschaft vor dem Bürgerkrieg. Konkret um das Teenager-Mädchen Rosita, das sich unsterblich in Juan verliebt hat und auch schon mit ihm verlobt ist. Nun ist aber das Problem, dass der von einem Tag auf den anderen nach Südamerika beordert wird. Doch statt sich neu zu verlieben, wartet Rosita darauf, dass er zurückkommt und sie heiratet. Darüber wird sie alt und grau und verbittert dabei.

Gisela Höhne hat sich entschieden, Lorcas Theaterstück aus einem ähnlichen Blickwinkel zu erzählen, wie es ursprünglich konzipiert worden ist. Und so sieht man Rosita gleich zu Beginn im Fenster ihres Jugendzimmers sitzen und sehnsuchtsvoll auf ein Brautkleid blicken, das einen Traum symbolisiert, den ja bis heute viele junge Frauen hegen, wenn man sich die boomende Hochzeitsbranche einmal anguckt. Doch das Kleid wird von einem Mann mit Stierkopf betatscht, so viel zu der etwas simplen Symbolik des Abends, die von Lorca selbst und seinen andauernden Blumen-Frauen-Vergleichen inspiriert zu sein scheint.

Die Frauen in der Aufführung sind aufopferungsvolle Tanten und Haushälterinnen, die den Laden zusammenhalten, während die Männer in See stechen oder über seltene Rosensorten mansplainen. Die Mädchen kichernde Teenagerinnen, die um den Wert ihrer jugendlichen Schönheit wissen und auf die älteren und kinderlosen Frauen herabblicken. Es ist ein Tableau der extern- und internalisierten Misogynie, das höchst abschreckend wirkt.

Die männlichen Figuren sind oft im Schatten verborgen, und doch dreht sich alles nur um sie. Würde man den Bechdel-Test für Geschlechterklischees auf dieses Stück anwenden, es würde durchfallen. Gleichzeitig gibt es immer wieder lustige und poetische Momente, die einen das diskurslastige Hier und Jetzt kurz vergessen lassen: Der fortwährende Schlagabtausch zwischen Tante und Haushälterin etwa oder die zuckersüße Szene, in der Rosita Juan kleine Zettel mit Liebesschwüren aus dem Fenster wirft; Hashtag „GuiltyFeminist“.

Die Frauen in der Aufführung sind aufopferungsvolle Tanten und Haushälterinnen

Höhne gelingt es, mit wenigen Theatermitteln viel zu erzählen und ihren Dar­stel­le­r:in­nen genügend Raum zu lassen, um die Figuren mit eigenen Ideen auszufüllen. Am wenigsten überzeugend ist der Gast des Abends, die Tatort-Schauspielerin Margarita Broich, bei der manche Reaktion etwas übertrieben erscheint. Nele Winkler stattet ihre Rosita mit viel Mädchenenergie und der nötigen Komplexität aus: Sie beginnt die kitschigen Gedichte oft mit zarter Stimme und beendet sie mit einem scharfen Zisch-Laut, der die ansonsten dringend vermisste Aggression gegen das aufoktroyierte Frauenbild durchschimmern lässt.

Und während man noch darüber nachdenkt, wie sehr einen diese Reproduktion weiblicher Opfergeschichten nervt, zieht Rosita das Hochzeitskleid einfach ohne Mann an. Kurz denkt man: Wie cool, jetzt heiratet sie sich selbst – dann fällt sie um.