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Streit mit FDP-Finanzminister LindnerKindergrundsicherung wankt

Die Einführung der Kindergrundsicherung steht plötzlich in Frage. Ministerin Paus schlägt Alarm.

Geplant ist, die Kindergrundsicherung bis 2025 einzuführen. Ob das klappt? Fraglich Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Berlin taz | Sie ist ein zentrales sozialpolitisches Projekt der Ampel: Die Kindergrundsicherung. Doch ob sie tatsächlich wie geplant 2025 eingeführt wird, ist unklar. Denn bislang konnte sich die Ampelregierung nicht auf die von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgelegten Eckpunkte einigen. Paus schlägt nun Alarm. „Die Zeit rennt“, sagte sie am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk. „Wenn wir das bis 2025 hinbekommen wollen, dann sollten wir uns jetzt über die strittigen Punkte beugen und vorankommen.“

Eingeführt werden soll die Kindergrundsicherung zwar erst in zwei Jahren. Doch bis dahin sind noch eine Menge Hürden zu überwinden. Bei Finanzminister Christian Lindner hat Paus für 2025 schon mal vorsorglich 12 Milliarden Euro angemeldet. Doch der erteilt ihr bislang eine Absage. Aus seiner Sicht gehe es nicht zwangsweise um mehr Geld, sondern um die Digitalisierung und Vereinfachung der Förderung von Kindern, sagte er dem Portal t-online diese Woche. Außerdem gebe es noch gar kein Konzept für die Kindergrundsicherung.

Dem widersprach Paus am Donnerstag vehement. „Das ist schlicht falsch. Auf dieser Ebene müssten wir eigentlich gar nicht diskutieren.“ Die Kindergrundsicherung sei sehr, sehr gut vorbereitet, erklärte die Familienministerin. Eine interministerielle Arbeitsgruppe, an der auch das Finanzministerium beteiligt gewesen seit, habe acht Monate lang Eckpunkte erarbeitet. Diese verschickte Paus im Januar zur Abstimmung.

Laut den Eckpunkten sollen die verschiedenen Leistungen für Kinder künftig gebündelt und von einer zentralen Kindergrundsicherungsstelle ausgezahlt werden. Die Grundsicherung für Kinder soll aus zwei Komponenten bestehen: einem Garantiebetrag, den alle Kinder erhalten, und der etwa dem heutigen Kindergeld in Höhe von 250 Euro entsprechen könnte. Und einem einkommensabhängigen Betrag, der gezielt Kinder aus armen Familien zugute kommen soll. In diesen sollen auch der Kinderzuschlag und der Teilhabebetrag für Sport- oder Musikvereine einfließen.

Paus plant Paradigmenwechsel

Man wolle nicht nur das Leistungsniveau erhöhen, sondern auch „mehr Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreichen“, heißt es in den Eckpunkten. Bislang wissen viele Eltern gar nicht, dass ihren Kinder zusätzliches Geld zusteht. So erhält nur gut ein Drittel der berechtigten Kinder gegenwärtig den Kinderzuschlag, wie das Familienministerium diese Woche auf eine Anfrage der Linksfraktion mitteilte. Den nichtsahnenden Eltern und ihren Kindern entgehen bis zu 250 Euro pro Monat.

Paus will einen Paradigmenwechsel. So sollen Familien künftig über einen Kindergrundsicherungscheck über die ihnen zustehenden Leistungen informiert werden. Über ein Portal im Internet sollen sie dann mit ein paar Klicks die Leistung beantragen können. Der Kreis der Emp­fän­ge­r:in­nen könnte sich also auch ohne Anhebung der Leistungen um zwei Drittel vergrößern.

Doch all das zu bündeln und die digitale Basis dafür zu schaffen, dauert eben. Die Bundesarbeitsagentur, die wohl auch die zentrale Kindergrundsicherungsstelle wird, ist von Paus beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Auf dieser Grundlage soll im Herbst das Gesetzgebungsverfahren starten. Doch um loszulegen braucht die Arbeitsagentur die abgestimmten Eckpunkte. Und da mauert das Finanzministerium.

Soli versus Kindergrundsicherung

Hintergrund sind die enger werdenden Spielräume im Haushalt, vor allem infolge der nun wieder geltenden Schuldenbremse. Für 2024 rechnet das Finanzministerium mit nicht gedeckten Mehrkosten in Höhe von 12 Milliarden Euro. 2025 dürfte sich die Situation weiter zuspitzen. Denn die Kindergrundsicherung taucht in den Finanzplänen bislang nicht auf. Paus mahnt daher, die Kindergrundsicherung sei ein zentrales sozialpolitisches Projekt der Ampel. „Klar sollte sein, dass die prioritären Projekte des Koalitionsvertrags auch Priorität in der Haushaltsberatung sind.“

Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Otto Fricke dämpft die Erwartungen. Für die Grünen sei die Kindergrundsicherung ein wichtiges Koalitionsvorhaben, „das sie so schnell wie möglich mit so viel Finanzmitteln wie möglich gerne im Haushalt hätten.“ Für ihn als Haushaltspolitiker sei aber klar, dass die Schuldenbremse eingehalten werden müsse. Ein einzelnes Ministerium könne nicht sagen: „Das steht im Koalitionsvertrag, aber wo das Geld herkommt, ist mir egal, das muss der Finanzminister machen.“ Es müsse „auch den nötigen Haushaltsspielraum geben.“

Würde die FDP die Kindersicherung opfern? Fricke formuliert es so: „Für mich ist es keine Frage, ob es die Kindergrundsicherung geben soll, sondern nur eine Frage des wie und wieviel.“ Die FDP setzt andere Prioritäten. So will man etwa nach wie vor den Solidaritätszuschlag für Spit­zen­ver­die­ne­r:in­nen abschaffen. Das kostet bis zu 13 Milliarden Euro.

Hier sieht Paus Spielräume. Sie sei dafür, nicht weiter von unten nach oben zu verteilen, sondern von oben nach unten, sagte sie dem Deutschlandfunk. Schützenhilfe erhält sie aus der SPD-Fraktion. Der Obmann im Finanzausschuss Michael Schrodi kritisierte gegenüber der taz: „Es geht nicht, ständig Mindereinnahmen zu fordern und anderen Ministerien zu sagen, jetzt spart aber mal.“ Im Koalitionsvertrag seien wichtige Projekte vereinbart. „Dazu gehört die Kindergrundsicherung, dazu gehören Investitionen in den Klimaschutz. Und das alles muss am Ende sauber finanziert werden.“

Sein Fraktionskollege Armand Zorn bringt sogar eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse ins Spiel. „Die Schuldenbremse steht uns im Wege, wenn es um Investitionen geht“, sagte der SPD-Finanzexperte der taz. Man wolle künftigen Generationen, ja nicht nur solide Finanzen, sondern auch eine intakte Welt hinterlassen, „ohne marode Infrastruktur und fehlenden Klimaschutz.“ Das Grundgesetz erlaube die Schuldenbremsen in Notsituationen auszusetzen. Diesen Spielraum solle man nutzen.

Das Kabinett will die Eckwerte für den Haushalt 2024 und die Finanzplanung bis 2027 Mitte März beschließen. In der Ampel stellt man sich auf weitere heftige Diskussionen ein, welches Ressort wie viel Geld ausgeben darf und wie das finanziert wird.

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11 Kommentare

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  • Ach Kinder. Wer braucht schon Kinder? Das Dienstwagenprivileg, steuerfreies Kerosin für Privatflugzeuge, Abschreibungen auf Aktienspekulationen und niedrigere Steuern für Multimillionäre ...DAS ist wichtig für die FDP. Und wer sich Kinder nicht leisten kann, der soll auch keine haben. ( Sarkasmus Ende)

  • Grds befürworte ich jegliche Investition in kinder und Bildung. Allerdings sorgen solche Leistungen immer mehr dazu, dass sich Arbeit nicht mehr lohnt.

    Ich (2k, AE) mit gutem Job gebe ca 70% meines Gehalts dafür aus, arbeiten gehen zu können. Ich zahle Steuern und hohe Kinderbetreuungsgebühren, die ich nicht geltend machen kann (ein Ehepartner würde monatlich allein 1000 Euro Steuern sparen sowie etwa den gleichen Betrag an Kinderbetreuung). Aber die andere finanzielle Alternative ist eigentlich nur, in die Sozialsysteme zu fallen. Es wird so schwer gemacht, überhaupt arbeiten zu gehen, insbesondere aufgrund der extrem nachteilhaften Besteuerung für Alleinerziehende. Und dann soll noch ein Anreiz geschaffen werden, weniger zu verdienen?

    Mehr geholfen wäre durch bessere Kinderbetreuung, Abschaffung des Splittingtarifs, der nichts mit Kindern sondern nur mit Privilegien sowieso privilegierten Ehepaare zu tun hat sowie eine gerechtere Besteuerung von Arbeit und Vermögen. Arbeit wird aktuell sehr hoch, bereits vorhandenes (geerbtes) Vermögen quasi nicht besteuert.

    • @Aneoul:

      Arbeit Lohn t sich tatsächlich nicht mehr, daher ist selbst schuld, wer für ein Leben in Armut unter dem Hartz4 Satz, seinem Arbeitgeber Rekordgewinne im x-facher Milliardenhöhe erarbeitet...

      Aber das hat natürlich rein gar nichts mit Gewährleistung der Menschenwürde auch für Arbeitslose und deren Kindern zu tun.

  • 1G
    14397 (Profil gelöscht)

    Und wieder zeigt die FDP klar und deutlich ihr wahres Gesicht. Sozialpolitik: Nicht mit uns. Kennen wir ja schon von der Umweltpolitik. Da kann man nur hoffen, das diese Politik bei den nächsten Landtagswahlen erneut durch Rausschiss aus den Parlamenten abgestraft wird.

    • @14397 (Profil gelöscht):

      Vermutlich wird sie das, sie wurde diesmal von Millionen Kiffern nur gewählt um Bubatz zu legalisieren. Nachdem sie das nicht kapieren und es nicht forcieren, werden sie wieder abgewählt. Die Mehrheit im Land sind keine Erben von Großkonzernen und kann daher mit der restlichen FDP Politik nichts anfangen, da sie ihnen nur schadet.

  • Wie leben im falschen Land.



    Und viele Menschen in Deutschland ziehen daraus die Konsequenz.



    Von diesem Brain-Drain wird allerdings nirgends berichtet.

    Aber wie Dem auch sei: Eine satte Milliardenentschädigung für die Atomkraftbetreiber war drin.

    Ein Verzicht auf die durch Cum-Ex entgangenen Steuermilliarden auch.

    Und für die Maskendealer, die Testbetrüger und und und auch.

    Aber mal unter uns: Man munkelt, dass sich der Betrag im Bereich des Kindergeld bewegt ... also auch wenn es doch noch klappt reden wir eher über Almosen als über eine echte Anerkennung der Bedürfnisse der Kinder.

    • @Bolzkopf:

      "also auch wenn es doch noch klappt reden wir eher über Almosen als über eine echte Anerkennung der Bedürfnisse der Kinder."

      Vielleicht sollten wir uns da mal an den Beamtenkinder orientieren. Da hat nämlich das BVerfG im Jahr 2020 beschlossen, dass das 3. und jedes weitere Beamtenkind einen Familienzuschlag von 15% ÜBER der Grundsicherung erhalten soll. Da sind die Länder und der Bund gerade dabei dieses Urteil umzusetzen.



      Kein Beamten-Neid, sondern wenn schon die obersten Richter Werte für "besondere" Kinder, nämlich für Beamtenkinder, festlegen, dann muss das doch eine Orientierung für alle Kinder in dieser Republik sein, was die ökonomische Unterstützung angeht.

  • was denn - Kinder sichern? Autobahnen bauen ist doch viel wichtiger nicht wahr Herr Lindner?

  • Dieses Eckpunktepapier kann doch noch lange nicht als vollwertiges Konzept bezeichnet werden.

    1) Die sogenannte Kindergrundsicherung steht unter Haushaltsvorbehalt. Bisher bleibt fraglich, wo die Spielräume dafür herkommen sollen.

    2) Weshalb wird nicht einfach der Kinderzuschlag automatisiert? Das kann genau so leicht umgesetzt werden wie die Kinderbetreuungszeiten bei der Rente. Dafür braucht es kein Datenkraken-Monster.

    3) Wie soll sicher gestellt werden, dass die Eltern die Beträge für Bedarfe der Kinder nutzen und nicht für andere Bedarfe zweckentfremden? Immerhin handelt es sich um Eltern, die den Kinderzuschlag heute zum Großteil noch nicht einmal beantragen.

    • @DiMa:

      3. Ist eine klassische Blockadeposition.



      Denn das kann natürlich niemand sicherstellen.



      Warum auch? Es ist zu unterstellen, dass Eltern ihren KIndern gutes wollen.



      (Übrigens eine sehr liberale Position.)

      • @mensch meier:

        Das Unterstellen von das "Gute wollen" ist angesichts der Summe eine ziemlich schwache Position.

        Wäre doch besser, wenn sicher gestellt wird, dass das Geld auch tatächlich ankommt. Ansonsten könnte das Geld, welches dem Kind zu Gute kommen soll (größeres Zimmer, Schulausstattung, soziale Teilhabe) für alles andere Verwendung finden.

        Wenn bei einem Drei-Personen-Haushalt einfach nur mehr Geld eingeht, dann ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der Mehrbetrag allen drei Personen zu Gute kommt - statt die Bedarfe des Kindes zu decken.