Mobilitätswende in Berlin: Parkplätze auch für Fahrräder

Seit Januar darf man am Straßenrand, wo Autofahrer beim Parken zahlen, sein Rad kostenfrei abstellen. Die Verkehrswende treibt auch den Wahlkampf um.

Schilder für einen Parkplatz für Lastenräder und Fahrräder im Graefekiez im Berlin-Kreuzberg

Ganz spezielle Plätzchen für Räder in Berlin Foto: picture alliance/dpa/Christoph Soeder

BERLIN taz | Der Krieg um die Parkplätze ist ausgeblieben, bislang jedenfalls. Dabei schien noch im Herbst alles darauf hinzudeuten, dass Berlins RadlerInnen und Autofahrende bald wüste Straßenkämpfe austragen würden – physische Kämpfe um einzelne Quadratmeter Asphalt, letztlich aber um die Hegemonie der jeweiligen Verkehrsform in einer Stadt, die sich die Mobilitätswende auf die Fahnen geschrieben hat.

Denn: Seit Januar können alle, die das wollen, ihr Fahrrad kostenlos auf dem Rand der Fahrbahn parken. Also da, wo in den allermeisten Fällen Autos abgestellt sind. Als die von der Grünen Bettina Jarasch geführte Senatsverwaltung für Verkehr dies anlässlich einer Änderung der Parkgebühren-Ordnung verkündete, wurde es von vielen so verstanden, als bestehe die Neuerung darin, dass Velos jetzt auch auf „Auto-Parkplätzen“ stehen dürfen.

Weit gefehlt allerdings, denn laut Straßenverkehrsordnung war das schon immer erlaubt. Vielmehr lautete die Erkenntnis: Hätten irgendwelche Radfahrende das tatsächlich schon getan, hätten sie in kostenpflichtigen Zonen einen Parkschein ziehen müssen. Bloß dass bislang, nach allem, was man hört und sieht, sowieso niemand auf diese verwegene Idee gekommen war.

Auch weiterhin fällt es niemandem ein, in der Hauptstadt des Fahrraddiebstahls (ca. 25.000 gemeldete Fälle pro Jahr) ein Fahrrad so zu parken, dass jemand es wegtragen kann.

Wenn überhaupt, werden die vermeintlich neue Erlaubnis und die tatsächlich neue Gebührenbefreiung nur für Lastenfahrräder oder aber Motorräder genutzt werden. Dass auch Letztere – nicht gerade bekannt als Vehikel des Klimaschutzes – kostenfrei parken sollen, ist nicht nachzuvollziehen. Genauso wenig wie die Ankündigung der Mobilitätssenatorin, geparkte Fahrräder seien auf Gehwegen nur geduldet und sollten von dort „endlich verschwinden“. Das mit der Duldung ist sachlich falsch (laut StVO dürfen die das), und sie von dort verbannen zu wollen, wo sie seit Jahr und Tag meist völlig unbeanstandet stehen, konterkariert die Idee der Verkehrswende.

Mit harten Bandagen geführte Debatte

In Wirklichkeit baut die Verwaltung ja auch Fahrradbügel auf selbige Gehwege, damit das Velo nicht mehr an der Laterne hängen muss. Wahrscheinlich war der Parkplatz-Move ein leicht verunglückter Fingerzeig an eine andere Lobby: die der FußgängerInnen und der Menschen mit Behinderungen, die sich seit Jahren über E-Scooter und Leihfahrräder ärgern, die überall herumfliegen und Wege versperren. Mittlerweile wird die Branche stärker reguliert, gelöst ist das Problem längst nicht.

All das ist ein kleiner Ausschnitt aus einer Mobilitäts-Debatte, die in Berlin mit harten Bandagen geführt wird, gerade jetzt im Wiederholungswahlkampf. Wer bekommt mehr Platz, wer verteidigt seinen, wer wird ausgebremst, wer hat freie Fahrt? Die Pressure-Groups für autofreie Mobilität sind an Spree und Havel stark. Die mitregierenden und in der Sache zuständigen Grünen wollen irgendwie dasselbe, kommen aber mit der Umsetzung – gerade beim Bau von Fahrradinfrastruktur – nur schleppend voran.

Bald soll alles besser werden, versprechen sie und ihre Spitzenkandidatin Jarasch: Mittlerweile habe man genug Personal akquiriert und die Abläufe effizient gestaltet. Wie viele ihnen das Versprechen abnehmen, dass die Stadt bis spätestens 2030 völlig anders tickt bzw. rollt, auch das wird sich am 12. Februar zeigen.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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