Urteil im Cum-Ex-Prozess: Acht Jahre Haft für juristischen Kopf

Das Landgericht Bonn hat Anwalt Hanno Berger schuldig gesprochen. Mit Steuermanipulationen soll er 275,8 Millionen Euro Schaden verursacht haben.

Hanno Berger trägt einen Anzug, schaut regungslos und hat graue Haare

Steueranwalt Hanno Berger vor der Urteilsverkündung Foto: Oliver Berg/dpa

BONN taz | Das Landgericht Bonn hat Hanno Berger, den juristischen Kopf hinter vielen illegalen Cum-Ex-Steuer­manipulationen, zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Berger soll als Mittäter Steuerhinterziehung in drei besonders schweren Fällen begangen und dabei einen Schaden in Höhe von 275,8 Millionen Euro verursacht haben. Der Vorsitzende Richter Roland Zickler attestierte ihm „erhebliche kriminelle Energie“.

Beim Cum-Ex-Skandal geht es um Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Die Beteiligten ließen sich Kapitalertragsteuer doppelt erstatten, obwohl sie nur einmal bezahlt wurde. Komplexe Aktienverkäufe rund um den Dividendenstichtag tarnten den Trick. Die Praxis war seit Anfang der 2000er Jahre bei zahlreichen Banken im In- und Ausland üblich.

Die Täter hatten dem deutschen Fiskus damit insgesamt rund 10 Milliarden Euro Schaden verursacht. Mitbeteiligt waren auch Anwälte und Investment-Profis. Jahrelang ließ die Politik das System laufen und ging gar nicht oder nur zurückhaltend dagegen vor. Im Juli 2021 entschied schließlich der Bundesgerichtshof, dass es sich bei Cum-Ex-Geschäften um Steuerhinterziehung handelt.

Eine zentrale Rolle in diesem Skandal spielte der Anwalt Hanno Berger. Das hat das Landgericht Bonn nun am Dienstag festgestellt. Berger war früher Bankenprüfer in der hessischen Finanzverwaltung und beriet später vermögende Kunden internationaler Steuerkanzleien. Er habe Cum-Ex zwar nicht selbst entwickelt, aber die Anwendung enorm verbreitert und damit die Schadenshöhen potenziert, sagte Richter Zickler: „Sie haben Cum-Ex 2.0 erfunden.“

Vorwurf Steuerhinterziehung

Konkret ging es vor dem Landgericht Bonn an 34 Sitzungstagen um drei Vorwürfe der Steuerhinterziehung in Zusammenarbeit mit der Hamburger Privatbank M. M. Warburg. Dabei soll in den Jahren 2007 bis 2009 ein Steuerschaden in Höhe von 166,5 Millionen Euro entstanden sein. Durch ein Fondsmodell kamen 2009 weitere 60,6 Millionen Euro Schaden hinzu und ein Jahr später durch ein Pulikums-Fondsmodell noch einmal 48,7 Millionen Euro. Insgesamt ergab sich allein im Zusammenhang mit der Warburg-Bank ein Schaden von 275,8 Millionen Euro.

„Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung beginnt bei 50.000 Euro“, sagte Richter Zickler und rechnete vor: „Sie haben die Schwelle um mehr als das 5.000-Fache überschritten.“

Das Gericht folgte der Anklage in vollem Umfang. Berger habe als Mittäter gemeinsam mit den Verantwortlichen der Bank bei den Steuerbehörden falsche Erklärungen abgegeben und dadurch einen erheblichen Steuerausfall verursacht. Dabei habe er auch mit Vorsatz gehandelt. „Dass eine nicht bezahlte Steuer nicht erstattet werden kann, leuchtet jedem ein. Dazu muss man nicht Jura studieren oder Finanzprofi sein“, betonte Richter Zickler. Die Versuche Bergers, noch vor Gericht das Gegenteil zu beweisen, bezeichnete der Richter in seiner rund 90-minütigen Begründung des Urteils als „Blödsinn“.

Das Hinterziehungssystem

Ausführlich argumentierte das Gericht, wie es zur Strafe von acht Jahren gekommen war. Gegen Berger sprach demnach vor allem die kriminelle Energie. „Sie haben ein arbeitsteiliges, gut organisiertes internationales Hinterziehungssystem aufgebaut und am Laufen gehalten.“ Außerdem habe der Angeklagte seine eigenen Profite – mehr als 13 Millionen Euro – mit wiederum komplizierten Offshore-Konstruktionen verschleiert und bisher keinen Cent davon zurückgezahlt. Eine gewissenhafte Beamtin im Bundeszentralamt für Steuern, die ihm auf die Schliche gekommen war, habe er mit existenzbedrohenden Schadenersatzforderungen unter Druck gesetzt.

Allerdings fand das Gericht auch Gründe für eine Strafminderung gegenüber der möglichen Höchststrafe von 15 Jahren. So sei Berger nicht vorbestraft und habe im August ein Teilgeständnis für die Zeit ab 2009 abgegeben. Die Taten lägen lange zurück und Berger sei mit 72 Jahren ein alter Mann, dem die Haft zusetze. Auch die teilweise Vorverurteilung in den Medien, die Berger schon lange als „Mastermind hinter Cum-Ex“ bezeichnen, wurde berücksichtigt. Sogar die Tatsache, dass sein ­eigener „achtstelliger Gewinn relativ gering ist, im Vergleich zum neunstelligen Schaden“, wurde Berger zugutegehalten. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren gefordert. Bergers Verteidiger hatten in ihrem Plädoyer um „Güte“ gebeten.

Während der Urteilsverkündung schüttelte Berger immer wieder den Kopf. Zickler unterstellte ihm daher „Starrsinn“. Berger kann noch Revision beim BGH einlegen. Es läuft gegen ihn parallel aber auch noch ein Steuerhinterziehungsprozess beim Landgericht Wiesbaden.

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