Psychologists for Future: Was Klima-Angst mit uns macht
Verdrängung, Endzeitstimmung und alles dazwischen: Der Umgang mit der Klimakrise beschäftigt die Psychologie.
Greta Thunberg sprach 2018 auf der Welt-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz. „Wir müssen Klartext reden, egal wie unangenehm das sein mag“, sagte die junge Schwedin da. Für den US-amerikanischen Psychoanalytiker Bruce Poulsen war Thunbergs Rede ein Schlüsselerlebnis. Er erkannte damals: „Der Klimawandel ist auch eine psychologische Krise.“ Heute ist das der Leitsatz der Psychologists for Future (PFF).
Poulsen wurde klar: Die Menschen vermögen das, was Thunberg forderte, oft nicht zu tun, weil die Krise „so unangenehm ist, dass sie handlungsunfähig macht“. Als Psychoanalytiker wusste er, wie Menschen mit Emotionen umgehen, die sie überwältigen. Mit Verleugnung und Selbstbetrug versuchen sie oft, Krisen an den Rand ihres Bewusstseins zu drängen.
Welche Folgen hat es für den Einzelnen, welche für die Gesellschaft, wenn immer mehr Menschen beginnen zu glauben, dass die Welt untergeht? Und was kann eine sinnvolle Antwort darauf sein? Diesen Fragen widmen sich heute auch immer mehr Psycholog:innen.
Klima-Angst ist dabei mittlerweile ein etablierter Begriff, auch wenn die Psychologists for Future ihn kritisch sehen. Denn durch ihn werde die Angst „zunehmend pathologisiert“, heißt es in einer Erklärung der Initiative. Die Klimakrise erscheine als „individuelles Anpassungsproblem“, während sie tatsächlich eine globale Bedrohung sei, „die nur gesellschaftlich-politisch überwindbar ist“.
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„Klima-Resilienz“ ist ein anderes Schlagwort, von der Psychologie der Naturwissenschaft entlehnt. Es meint das Bemühen, dem Subjekt zu einem geistigen Zustand zu verhelfen, in dem es die Krise meistern kann. Doch was heißt das konkret?
Die Psychoanalytikerin Delaram Habibi-Kohlen aus Bergisch Gladbach, aktiv bei den PFF, beschäftigt sich seit etwa zehn Jahren mit dem Thema. Sie ist Teil eines Forschungsprojekts an der International Psychoanalytical University in Berlin zum Umgang mit der Klimakrise und hat die Arbeitsgruppe Klima in der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie (DGPT) gegründet.
Die Bereitschaft, sich den Folgen der Klimakrise zu widmen, habe in der Psychologie auf jeden Fall zugenommen, sagt sie. Ein Panel wie jenes zur „Klima-Resilienz“, das Habibi-Kohlen bei der DGPT-Jahrestagung im September in Lindau moderiert hat, sei noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen.
Wenig überraschend stehen auch in der Klimapsychologie die großen Zweige des Fachs nebeneinander. Die Verhaltenstherapie, die zu erfassen versucht, welche praktischen Probleme Menschen ihre Klima-Angst bereite, um bei der Bewältigung dieser Symptome zu helfen. Und die Psychoanalyse, die versucht, die Motive der Verdrängung zu erforschen. „Aufklärung nützt verhältnismäßig wenig, wenn man nicht die unbewussten Motive erfasst“, sagt Habibi-Kohlen. Es sei nicht das mangelnde Wissen, das Menschen am klimaschädlichen Verhalten festhalten lasse.
Die beiden Ansätze stehen „in einem sehr guten Ergänzungsverhältnis“, sagt Habibi-Kohlen. Und sie seien sich einig darin, dass Doomismus, also die ständige Erwartung des Weltuntergangs, keine gute Idee sei.
Denn der führe zu Fatalismus: „Manche denken dann: Es hat eh keinen Zweck, wir können in Ruhe untergehen, davor machen wir uns aber noch ein schönes Leben“, sagt Habibi-Kohlen. Das sei die Abwehr der Notwendigkeit, wirklich etwas zu verändern. Eine andere Folge des Doomismus sei, dass Menschen so verzweifelten, dass ihnen durch die Depressionen jede Motivation abhandenkomme, etwas zu tun.
Als politisches Projekt wandele die Klima-Psychologie auf einem schmalen Grat. Denn es gebe ein grundsätzliches Problem: Für die Therapie individueller Probleme sei ein klarer Auftrag des Patienten die Voraussetzung. Wenn es um eine gesellschaftliche Verhaltensänderung geht, gebe es diesen Auftrag nicht. „Dann können die Leute sagen: ‚Geh weg.‘ Schließlich haben sie nicht darum gebeten, aufgeklärt zu werden.“
Doch es sei entscheidend, sagt die Psychologin, „dass die Leute dranbleiben und nicht weggehen“. Deshalb dürfe man die Menschen auch nicht mit Horrorszenarien verschrecken. „Dann sind die weg. Dann hört auch das Denken auf.“ Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, keine falschen Hoffnungen zu machen: „Wir retten die Welt mit Technologie und es muss sich gar nichts ändern – so ein Technologiewahn ist auch eine Form der Abwehr.“ Die Botschaft müsse aber sein: „Wir müssen unser Verhalten ändern, das beinhaltet auch einen Trauerprozess, der notwendig ist.“
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