Frauenfußball in Katar: Kein Fordern des Förderns

In Katar sind nur noch Spurenelemente des Frauenfußballs zu finden. Dabei verlangt die Fifa dessen Förderung eigentlich.

Eine verschrieerte Frau und eine mit katarischer Schutzmaske auf der Tribüne im Stadion

In der Zuschauerrolle: Frauen im katarischen Fußball Foto: SNA/imago

Medien nannten es das verschwundene Team, das Alibi-Team oder ein Feigenblatt. Jenes katarische Nationalteam der Frauen, das nur wenige Jahre existieren durfte, zufällig rund um den WM-Zuschlag für Katar, und dann keine offiziellen Spiele mehr absolvierte. Wenn das Turnier nun endet, endet auch die spärliche Aufmerksamkeit für die Fußballerinnen. Im WM-Menschenrechtsdiskurs waren Frauenrechte eher ein nachrangiges Thema.

Die weiblichen migrantischen Hausangestellten waren medial viel weniger sichtbar als die Männer auf den Baustellen. Sexualisierte Gewalt, die laut Berichten migrantischer Arbeiterinnen virulent ist, war kaum ein Thema. Und die Degradierung der katarischen Fußballerinnen, die mittelbar gegen die WM-Kriterien verstößt – Förderung des Frauenfußballs in Spitze und Breite ist eine Voraussetzung für den Ausrichter, und Katar warb explizit in seiner Bewerbung damit –, empörte eher am Rande. Das sagt manches auch über deutsche Hierarchien. Und nun?

Katarische Verantwortliche hüllen sich in Schweigen, auch gegenüber der taz. Aber es gibt eine zentrale Person, die zu reden bereit ist: Ahlam Al-Mana, die ehemalige Präsidentin des Frauensportkomitees. Al-Mana wurde 2001 eine der Vorsitzenden im neu gegründeten Komitee für Frauensport. Auf der Website Women of Qatar stellt das Emirat sie als eine seiner inspirierenden Frauen ins Schaufenster.

„Ich bin ein von Natur aus ehrgeiziger und patriotischer Mensch, der seinem Land liebend gern durch Sport dient“, lautet tugendhaft gestanzt der erste Satz. In der ansonsten makellos jubelnden Biografie wird angedeutet: Al-Mana war selbst eine talentierte Sportlerin, durfte aber damals ihr Land als Frau nicht vertreten. Also versuchte sie es auf der administrativen Ebene.

Im Gespräch wirkt Ahlam Al-Mana sehr freundlich, ihr Englisch ist hervorragend. Al-Mana war es wohl, die Katars Frauenfußball ab ihrer Präsidentschaft 2007 maßgeblich durchboxte. So schildert es die Deutsche Monika Staab, die 2013 und 2014 Katars Frauennationalteam trainierte. „Ahlam hat sich wirklich sehr für den Frauenfußball eingesetzt. Eine tolle Frau, wir haben sehr gut zusammengearbeitet. Sie musste gegen viele Widerstände ankämpfen.“

Anfänge der Frauenförderung

Als das Komitee 2001 seine Arbeit aufnimmt, gehört Fußball nicht zu den Sportarten, die für Frauen vorgesehen sind. Man habe etwa Handball, Tischtennis und Basketball gefördert, so erzählt Ahlam Al-Mana. Warum denn keinen Fußball, den Weltsport? „Darauf kamen wir gar nicht. Die katarische Gesellschaft dachte, dass Fußball nur für Männer ist. Selbst das Komitee hatte kein Interesse.“

Laut ihrer Schilderung kam 2007 das erste Seminar für Trainerinnen, 2008 ein erstes Futsal-Hallenturnier für Frauen. Dabei sei ihr aufgefallen, wie interessiert die Mädchen seien. Reiner zeitlicher Zufall also? Einen Zusammenhang mit der WM-Bewerbung streitet sie ab. „Wir haben angefangen, weil so viele Mädchen Interesse hatten. Katar nimmt das Thema sehr ernst, sonst hätten wir nicht so viel Geld investiert.“

Die meisten Be­ob­ach­te­r:in­nen sehen das anders. Die NGO Discover Football kritisierte zudem, dass die Fifa die Nachhaltigkeit des Engagements nie kontrollierte: „Ein Aufbau von nachhaltigen Strukturen im Breitensport ist nicht zu erkennen.“ Die Blüte bleibt punktuell: Eine U14 und eine U16 der Frauen, ein offizielles Nationalteam, Fußball an Schulen. Immerhin. Auf dem Höhepunkt der Förderung, von Februar 2013 bis November 2014, kommt Trainerin Monika Staab. Staab, die 23 Jahre den FFC Frankfurt mit aufbaute und selbst biografisch noch davon geprägt ist, um das Recht auf Fußball kämpfen zu müssen, hat dieses Recht für Frauen zu ihrer Globetrottermission gemacht.

In vielen arabischen Ländern war sie Trainerin, derzeit weilt sie in Saudi-Arabien. Frauen hätten auch in Katar schon vorher gekickt, berichtet Staab. Aber eben inoffiziell. „Jetzt wäre auch noch viel möglich, wenn die richtigen Leute am Ruder säßen.“ Förderung hänge viel von Einzelpersonen ab.

Staab und Al-Mana entwickeln ein ähnliches Narrativ: Gerade fehle es schlicht an einer wirklich Engagierten in Katar, einem Ziel. Sobald die Fragen tiefer gehen als nach erfolgreichem Kampf gegen Machismo, prallen sie ab. Das letzte Länderspiel der katarischen Frauen ist offiziell 2014 verzeichnet, laut Ahlam Al-Mana sei bis 2017 gespielt worden.

Katars Desinteresse

Im Jahr 2016 tritt sie als Präsidentin ab. Der Deutung, dass der Kollaps mit ihrem Abgang kam, widerspricht sie nicht. Für das aktuelle Desinteresse Katars jedoch hat sie abenteuerliche Begründungen. „Vielleicht liegt es daran, dass gerade jeder mit der WM der Männer beschäftigt ist.“ Was nun nicht für eine hohe Priorität spräche. „Manchmal kann es sehr schwierig sein, ein Team zusammenzustellen“, sagt Al-Mana. „Viele Frauen hören nach ein oder zwei Jahren wieder auf, weil sie an die Uni gehen. Darüber hat der Verband keine Kontrolle.“

Aber spielen Frauen überall anders nicht auch, während sie studieren? Ins Absurde kippt das Gespräch, als es um Menschenrechtsverletzungen geht, für Al-Mana im Wesentlichen ein westliches Hirngespinst. „Auf den Baustellen sind nicht mehr als fünf oder sechs Leute gestorben. Was in den westlichen Medien steht, das stimmt nicht. Das sind alles Lügen. Die Familien werden von Jour­na­lis­t:in­nen dafür bezahlt, so etwas zu erzählen.“ Unklar, ob sie das wirklich glaubt oder es sagen muss.

Heute arbeitet Ahlam Al-Mana als Beraterin im Bildungsministerium. Warum sie aufgehört hat im Frauensportkomitee? Es sei eben Zeit gewesen für was Neues und jemand Neuen. Ob sie ging oder rausgedrängt wurde, dazu will sie sich nicht in die Karten schauen lassen. Staab wurde 2014 entlassen, weil man lieber einen arabischsprachigen Mann einstellen wollte.

Die Abwehrhaltung von Al-Mana ist vielleicht erwartbar; Bände spricht aber auch, wie Fifa-Beraterin Monika Staab die Situation relativiert. Einerseits analysiert sie sehr klar Spezifika des Landes für Frauen: „In Katar kennen sich alle und wissen, zu welcher Familie man gehört. Wenn der eine was macht, weiß der andere das am nächsten Tag, wie ein kleines Dorf. Was zur Folge hat, dass du dich immer richtig verhalten willst, keine Außenseiterin sein willst.“

Reflexartige Verteidigung

Auf konkrete Missstände angesprochen, weicht sie aus. In Deutschland sei die Diskriminierung ja früher auch nicht viel anders gewesen. Das Frauenfußballverbot, das Kaffeeservice und so weiter, die immer noch bescheidene Lage des Frauenfußballs aktuell. „In Katar dürfen Frauen im Prinzip alles machen, das war nie so ein großes Thema. Wenn ich hier bin, habe ich nicht das Gefühl, dass ich als Frau eingesperrt bin.“ Es ist dies ein Ausdruck dieser ermüdend polaren und oberflächlichen Katardebatte: Die einen imaginierten sich als weiße Retter gegen einen Schurkenstaat, die anderen wiegeln überall mit „Vor der eigenen Haustür kehren“ ab.

„Ich habe immer das Gefühl, dass wir eine falsche Wahrnehmung haben, wenn wir in den Ländern nicht gelebt haben“, sagt Staab. „Ich kann viele Meinungen, die über Katar geäußert werden, nicht teilen und manchmal nur lachen, weil es nicht der Wahrheit entspricht. Ich habe bisher in Katar noch keine unglückliche Frau kennengelernt.“ So wichtig Erfahrung vor Ort tatsächlich ist, bei der Fifa wird sie oft zur Farce: Schon Beckenbauer sah keinen Sklaven.

Auf besonders viel internationale Unterstützung nach der WM können katarische Fußballerinnen also wohl nicht hoffen. Ganz verschwunden ist Al-Manas Projekt nicht. Sowohl Monika Staab, die mit vielen Spielerinnen noch Kontakt hält, als auch Ahlam Al-Mana betonen, Fußball der Frauen finde in Katar weiterhin statt. Laut Al-Mana gibt es derzeit eine landesweite Liga mit acht Klubs und auch ein Nachmittagsprogramm der Aspire Academy für Mädchen. Doch offizielle Länderspiele, einen Unterbau oder Interesse des Verbands sind erst mal nicht zu erwarten.

Und nun? Al-Mana wünscht sich, dass das Vollprogramm der Academy auch für Mädchen sein soll. Pläne dafür gebe es. „In Zukunft sollte man sich mehr auf junge Mädchen konzentrieren“, sagt sie. „Wir müssen deren Teilnahmezahlen erhöhen.“ Es brauche frisches Blut und bessere Strukturen.

Auch Monika Staab meint, dass es in Katar wieder ein Ziel brauche, mehr Struktur und überzeugte Handelnde. Aber die Fifa mag sie da nicht in der Pflicht sehen. „Jeder Verband ist autark. Die Fifa kann den Verbänden nicht vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben.“ Dabei würde es schon reichen, wenn die Fifa, jene Meisterin der Vorschriften, ihre eigenen Standards nachhaltig kontrollierte. Oder sie präziser formulierte: Ein aktives Nationalteam, Auftauchen in der Fifa-Rangliste und so fort.

Stattdessen richtet sich der Fokus auf ein Nachbarland. „Ich denke, jetzt, wo Saudi-Arabien so große Fortschritte im Frauenfußball macht, wird auch Katar das sicher bald wieder ernster nehmen“, merkt Staab an. Und Ahlam Al-Mana beruhigt: „Ich bin sicher, es gibt einen Plan, Frauenfußball nach der WM weiterzuentwickeln.“ Beobachten werden das wenige.

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