Sozialreform der Ampel: Bürgergeld kurz vor Go

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss stimmen Bundestag und Bundesrat erneut über die Reform ab. Die Grünen rechnen mit großer Mehrheit.

Arbeitsminister Heil bei einer Sitzung.

Das Bürgergeld kommt, glaubt auch Sozialminister Hubertus Heil, hier im Vermittlungsausschuss Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz | Nun geht es zackig. Nachdem die 32 Ver­mitt­le­r:in­nen aus Bundesrat und Bundestag am Mittwochabend dem Kompromiss zum Bürgergeld in rekordverdächtigen eineinhalb Stunden zugestimmt haben, steht die Sozialreform am Freitag in beiden Gremien erneut zur Abstimmung. Stimmen sie zu, löst das Bürgergeld das bisherige Hartz-IV-System ab Januar ab.

Am Freitagmorgen muss zunächst der Bundestag das Bürgergeld auf die Tagesordnung setzen, um dann ohne Aussprache über den nachjustierten Gesetzentwurf zu votieren. Danach wird er in der Länderkammer debattiert und abgestimmt. Im Bundestag genügt die einfache Mehrheit, im Bundesrat müssen 35 von 69 Län­der­ver­tre­te­r:in­nen mit Ja stimmen. Eine Mehrheit in beiden Gremien gilt als sicher.

Denn die SPD-geführte Ampelregierung hatte sich mit der Union, die dem Bürgergeldgesetz im Bundesrat zunächst nicht zugestimmt hatte, zu Wochenbeginn auf einen Kompromiss geeinigt. Den billigte der Vermittlungsausschuss am Mittwoch. Auf Druck der Union wurde die Karenzzeit verkürzt, in der die Jobcenter für Menschen ohne Job die Wohnkosten übernehmen und Rücklagen nicht aufgebraucht werden müssen. Die Grenze für diese Schonvermögen wurde ebenfalls gesenkt. Auch die sogenannte Vertrauenszeit ist aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Die Ampel wollte Be­zie­he­r:in­nen von Bürgergeld im ersten halben Jahr möglichst wenig mit Sanktionen drohen.

Dass Bür­ger­geld­be­zie­he­r:in­nen nun doch von Anfang an mit Kürzung der Regelsätze bestraft werden können, wenn sie Jobs oder Weiterbildungsangebote wiederholt ablehnen, schmerzt vor allem die Grünen. Im Bundestagswahlprogramm hatten sie sich als einzige der drei Ampelparteien für die Abschaffung der „bürokratischen und entwürdigenden Sanktionen“ eingesetzt.

„Lassen Hartz-IV-System weit hinter uns“

„Es ist ein Kompromiss. Wir haben nicht alles erreicht, was wir gern wollten“, sagt der grüne Fraktionsvize Andreas Audretsch der taz. Dennoch sei das Bürgergeld ein Riesenschritt nach vorn. Audretsch nennt etwa die neue Beratungskultur, die nun Einzug halte, wenn sich die Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Jobcenter und die Arbeitssuchenden zusammensetzen und auf einen gemeinsamen Kooperationsplan einigen.

Auch die Tatsache, dass Weiterbildungen mit Zuschlägen honoriert und Zuverdienstgrenzen ausgeweitet werden, seien wichtige Verbesserungen. „Damit lassen wir das bisherige Hartz-IV-System weit hinter uns“, meint Audretsch. Er rechnet damit, dass die Grünen im Bundestag sich am Freitag mit großer Mehrheit hinter den Vorschlag des Vermittlungssausschusses stellen.

Wenn Bundesrat und Bundestag ihr Go geben, können ab Januar auch die Regelsätze endlich an die Inflation angepasst und auf 502 Euro erhöht werden.

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