Finanzstrategien der Streaminganbieter: Pipipause und Datensammeln
Wie wollen Streaminganbieter sich künftig finanzieren? Der Trend geht zu einer Kombination aus Werbung und dem Handel mit Nutzerdaten.
![In Berlin steht eine große Werbung für "How to sell Drugs online fast" In Berlin steht eine große Werbung für "How to sell Drugs online fast"](https://taz.de/picture/5890312/14/31406598-1.jpg)
Zuletzt war der Handel mit Nutzungsdaten das Rückgrat des Systems. Das haben jetzt auch die Hollywood-Giganten, inklusive Netflix und Disney+, entdeckt und wollen damit Geld machen. Denn die Informationen, die sie direkt von ihren Abonnent*innen erhalten, sind begehrt. NBC Universal hat im Januar sogar eine neue Stufe gezündet und NBCunified gegründet, eine Plattform, die keine Cookies mehr benötigt. Auf dieser Plattform stellt NBC Universal Daten von 230 Millionen seiner monatlichen Nutzer*innen für Werbetreibende zur Verfügung.
Der Dienst speichert Daten der Verbraucher*innen, zum Beispiel Streaming- oder Themenparkbesuche sowie Einkäufe im elektronischen Handel. „Wenn du nicht für das Produkt bezahlen musst, dann bist du selbst das Produkt.“ Das Mantra der US-amerikanischen Werbeindustrie aus den 70ern gewinnt durch die Medienbranche eine neue Aktualität.
Comback der Werbung
Ganz deutlich wurde dieser Trend zuletzt auf der weltgrößten TV-Messe, der MIPCOM in Cannes im Oktober. Dort hat Maria Rua Aguete vom Marktforschungsunternehmen Omdia vorgerechnet, welche Potenziale sich dahinter verbergen: Rund 190 Milliarden Dollar werden dieses Jahr in Onlinewerbung investiert, 2027 sollen es 362 Milliarden Dollar sein. „Bei diesen Aussichten ist es keine Überraschung, wenn alle großen SVOD-Dienste, einschließlich Netflix, auch von diesem Wachstum profitieren möchten“, sagte sie.
Die Direktorin der Forschungsabteilung schätzt, dass bis 2027 fast 60 Prozent der weltweiten Netflix-Fans das neue günstigere Abo mit Werbung nutzen werden. Daraus würden 23 Prozent der US-Einnahmen dann generiert, global gesehen sollen es 14 Prozent sein.
Der Werbeblock kehrt also zurück. Was in Deutschland gerade anfängt, ist in den USA schon Standard: Paramount+ hat zehn Minuten Werbung pro Stunde mit 26 Spots, Peacock setzt fünf Minuten ein und HBO Max vier Minuten. Ungefähr genauso lange soll der Werbeblock bei Netflix werden, während Disney ein Zeitfenster von sechs Minuten stündlich plant. Für das Publikum werden so die Angebote der Videoplattformen deutlich preiswerter. Zumindest was die monatlichen Gebühren angeht, Zahlen muss man aber weiterhin mit den eigenen Daten. Denn hier liegt der wirklich lukrative Vorteil des Streamings. Wenn Disney am 8. Dezember sein Werbeangebot startet, sind 46 Unternehmen am Datengeschäft beteiligt, darunter Amazon Web Service, Google und Microsoft. Datenplattformen wie Adobe, Oracle und Qualtrics mischen ebenfalls mit.
Die Privaten bangen
Und auch Netflix hat sich gerüstet, um ins Daten-Business einzusteigen. Unter anderem heuerte das Unternehmen ehemalige Manager von Snap an, zusätzliche Unterstützung kommt von Microsoft. Der Softwarehersteller wird die technische Infrastruktur, die Werbeformate sowie das Sammeln und Managen der Daten organisieren.
Die großen privaten Sendergruppen in Deutschland dürften über diese Aktivitäten nicht erfreut sein. Zumal sie hoffen, über ihre eigenen Streamingangebote Daten zu gewinnen, um etwa personalisierte Werbung platzieren zu können. Zwar sei das klassische Fernsehen in Deutschland nach wie vor das Medium mit der stärksten Reichweite, sagt Frank Vogel, Geschäftsführer des RTL-Vermarkters Ad Alliance.
Aber: „Die Nachfrage der Kunden nach Werbemöglichkeiten in hochwertigen Streaminginhalten ist höher als das Angebot.“ Für die Nutzerschaft wiederum zähle immer weniger die Unterscheidung in klassisches Fernsehen, Video-on-Demand oder andere Kategorien: „Künftig wird man auch in Sachen Werbung gar nicht mehr klar zwischen den beiden Bereichen trennen.“
Viele Konsument*innen sind sich nicht bewusst darüber, dass und welche Daten von ihnen gesammelt und verwertet werden. Daher sollten sie auch hier, genau wie beim „normalen“ Surfen im Netz, darauf achten, wozu sie ihre Einwilligung erteilen.
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