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Klassengesellschaft GroßbritannienEtonschüler unter sich

Rechnen hat in der britischen Eliteschule Eton nicht die höchste Priorität. Trotzdem sind die Kabinette der Tories voller Etonians.

Etonschüler Foto: Tim Graham/Robert Harding/imago

S chauplatz ist die Eliteschule Eton vor über 20 Jahren: Schüler Prinz H. ist in Schwierigkeiten. Er hat gekifft. Laut Schulordnung müsste jetzt sein Bodyguard die prinzlichen Koffer packen. Für das gleiche Vergehen sind schon andere Mitschüler von der Schule geflogen. Nach langen Debatten macht die Schulleitung für den Royal jedoch eine Ausnahme, er darf bleiben. Seine Mitschüler sind von dieser Entscheidung nicht überrascht. In Eton lernt man früh, dass Regeln nur für die anderen gelten – ganz nach Orwells „Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.“

Das britische Chaos der letzten Wochen hat uns daran erinnert, was der Geist von Eton bewirken kann. Ursprünglich sollte in dieser Privatschule die Führungselite für Kolonien und Militär erzogen werden – „Männer, die Waterloo gewannen.“ Leider gingen Etonians nicht nur zum Militär, sondern auch regelmäßig in die Politik.

Auf welche Schule geht das Kind?

In den 1960er Jahren bestand das Kabinett von Premierminister Harold Macmillan mehrheitlich aus Eton-Absolventen, und auch unter Margaret Thatchers Ministern dominierten Etonians (Thatcher glaubte nicht an Frauenförderung). Mit Tony Blair trat eine kurze Flaute ein, aber dann kam der Rückfall – David Cameron und Boris Johnson. Die beiden rivalisierten zwar ständig miteinander, verschafften jedoch anderen Etonians gute Posten, inklusive Sitze im House of Lords. Boris ging sogar so weit, seinen eigenen Bruder Joseph (ebenfalls Eton-Absolvent) zum Baron Johnson of Marylebone zu machen.

Karina Urbach

Karina Urbachs Dokumentation „Alices Buch. Wie die Nazis das Kochbuch meiner Großmutter raubten“, ist noch bis 11. November in der Arte-Mediathek abrufbar.

Natürlich stellt sich die Frage, warum britische Wähler ausgerechnet Eton-Absolventen Führungsrollen zutrauen. Das wiederum liegt an der Obsession mit dem englischen Schulsystem. Es gibt zwei Informationen, die britische Eltern voneinander wissen wollen: Wo wohnen sie, und auf welche Schule gehen ihre Kinder? In einer besseren Gegend zu wohnen, bedeutet, seine Kinder auf gut ausgestattete staatliche oder konfessionelle Schulen schicken zu können. In einer schlechten Gegend zu leben bedeutet, eine miese Schule zugewiesen zu bekommen.

Immer charmant sein

Liz Truss beklagte permanent, dass ihre linken Eltern sie auf eine schlechte, staatliche Schule in Leeds schickten. Zum Ausgleich machte Truss einen Etonian, Kwasi Kwarteng, zu ihrem Finanzminister. Das Resultat war suboptimal – Großbritannien bekam eine Premierministerin, die nicht reden konnte, und einen Finanzminister, der nicht rechnen konnte.

Rechnen steht in Eton nicht unbedingt an erster Stelle. Etonians lernen stattdessen, immer charmant zu sein (wie Cameron) und unterhaltsam (wie Johnson). Man kann sie auf jeder Party gewinnbringend einsetzen. Sie erinnern ein wenig an Romanfiguren von Charles Dickens. Dickens erfand die Veneering-Familie, die nur aus Politur und Oberfläche (veneer) besteht. Darunter befindet sich nichts. Eton bietet diese erstklassige „Politur“.

Auch der neue Premier Rishi Sunak ist auf eine teure Privatschule gegangen – Winchester. Im Gegensatz zu Eton besteht jedoch Hoffnung. In Winchester muss man mehr als Charme und Geld vorweisen können. Absolventen gelten als disziplinierte Arbeiter und werden von den Etonians als „zu akademisch“ und „intellektuell“ verachtet. Genau das braucht Großbritannien jetzt: einen langweiligen Premier, der rechnen kann und viele Überstunden macht.

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6 Kommentare

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  • Danke für den Lacher -- im Gegensatz zur Autorin und sehr mit @LOWANDORDER teile ich den Optimismus betreffend Sunak nicht im Geringsten.

  • Auch bei uns gibt es diese Versuche, über elitäre Einrichtungen Einfluß zu nehmen: Insbesondere männliche Studenten sehen im Eintritt in eine Burschenschaft über den Hebel 'Alte Herren' in Vorzugspositionen zu geraten. Was in Österreich (Kurz) Gang und Gäbe ist, läuft so etwas immer im Verborgenen, nur bei dem peinlichen Versuch, einen Staatssekretär für Justiz mit entsprechender 'Vorbildung' und em Verdacht, Hilfe bei seiner Promotion in Anspruch genommen zu haben, fällt es denn doch noch einmal auf und das Jahrzehnte nach einem Barschel, entsprechnde HinterMÄNNER sind noch aktiv! Eine Hand wäscht die Andere.

    • @Dietmar Rauter:

      Für Schland hamse für ein gern unbeleuchtetes!! Feld im Ansatz recht.



      Etwas genauer ein bis vor kurzem top-Lobbyist EU & Burschenschafter - mit dem ich ne Weile Musik gemacht habe!



      “Das ist längst durch. Die sich so dreist unpolitisch gebenden Chorpies kommen in die Vorstände & Aufsichtsräte! Für uns Burschenschafter sind da gläserne Wände! Wir kommen da erst gar nicht rein!“

      So geht das - © Kurt Vonnegut -



      unterm——-servíce — Chorpsbrüder —



      de.wikipedia.org/wiki/Corps



      & Bruno Paul hat diesen Herr lich keiten



      Vielfältig Denkmal gesetzt!



      zB - “Sind wir nicht zur Herrlichkeit geboren …“



      illustrationage.fi...019/09/1.jpg?w=700

  • In Eton wird auch viel Wert auf den richtigen Akzent gelegt, den Sie typischerweise schon von zu Hause mitbringen. Statusbewusste Eltern sind besessen von der Upper Received Pronunciation und der richtigen Wortwahl. Ein falsches Wort (z.B. supper anstelle von dinner, Pardon? anstelle von Sorry?) und ihre mediokre Herkunft ist aufgeflogen. Das können Sie noch steigern, indem Sie sich eine steife Oberlippe antrainieren, dass die oberste Zahnreihe beim Sprechen verdeckt wird. Dann wird’s was mit der Karriere.

  • Wenn ich mir die politische Lage in den USA und UK anschaue, stelle ich immer wieder fest, wie gut das politische System in Deutschland (und der EU) funktioniert, ein bisschen langweilig zwar, aber effektiv. Das hat auch damit zu tun, dass unser Bildungssystem im Vergleich gar nicht so schlecht ist, wie manchmal behauptet wird.

  • Ja. Ja. Frau Karina Umbach “Absolventen (von Winchester) gelten als disziplinierte Arbeiter und werden von den Etonians als „zu akademisch“ und „intellektuell“ verachtet. Genau das braucht Großbritannien jetzt: einen langweiligen Premier, der rechnen kann und viele Überstunden macht.“

    Na Mahlzeit



    Schon Dege sang “…ich kann den Führungskräfteschweiß nicht länger riechen!



    Adieu Kumpanen - Ich zieh in ein anderes Land!“



    m.youtube.com/watch?v=ubrL-0U4xmw



    &



    John Lennon hielt dagegen - den britischen Eliten-Wahn -



    WORKING CLASS HERO - John Lennon/Plastic Ono Band -



    m.youtube.com/watch?v=iMewtlmkV6c