Greenpeace deckt Abfallexporte auf: Plastikmüll illegal verschifft

Greenpeace hat offenbar illegale Abfallexporte durch eine Recyclingfirma aus Reinbek aufgedeckt. Verschickt wurde giftiger und falsch gemischter Müll.

Ein aus Plastikmüll nachgebildeter Drachenkopf; Greenpeace-Aktivist*innen haben ihn für einen Protest gegen Nestlé in der Schweiz gebaut

Versinnbildlichte Bedrohung: Ein Drachenkopf aus Plastikmüll Foto: Georgios Kefalas/dpa

BREMEN taz | Diese Safttüte? Landet vielleicht mal in Russland, diese Folienverpackung in Israel – und das Gehäuse der alten Fernbedienung in Malaysia. Nicht immer geht es bei dieser Weiterreise unseres Mülls mit rechten Dingen zu: Greenpeace hat in einer aktuellen Recherche mehrere Fälle von illegalen Müllexporten aufgedeckt.

Die Umweltorganisation hat dafür zwischen 2020 und 2022 insgesamt 42 Ladungen Müll mit Ortungsgeräten versehen; viele davon bei Recyclingfirmen, die bereits vorher negativ aufgefallen waren; auf manche der Betriebe gab es auch Hinweise aus der Industrie selbst.

Die meisten Lieferungen, so das Ergebnis, blieben in Deutschland, solange der Tracker Signale sendete; 15, also etwas mehr als ein Drittel, wurden allerdings exportiert. Und bei mindestens vieren davon glaubt Greenpeace Verstöße gegen geltende Auflagen ausgemacht zu haben. Alle vier gingen von der gleichen Firma aus: Melor Edelmetall-Recycling mit Sitz im schleswig-holsteinischen Reinbek, östlich von Hamburg.

Konkret geht es unter anderem um eine Lieferung nach Malaysia. Bruchstücke aus Plastikgehäusen von Elektroschrott wurden dabei an einen Recyclingbetrieb bei Kuala Lumpur geliefert: Der Betrieb „PolyMix Plastic“ unterhält dort eine Sortier- und Zerkleinerungsanlage.

Kontaminierter Müll, unklarer Verbleib

Doch nach einem Vor-Ort-Besuch vermutet Greenpeace, dass die Firma Umweltstandards nicht einhält: Die Anlage trage zur Verschmutzung der benachbarten Gewässer und der Umgebung bei, schreibt die Umweltorganisation. Als Beleg dient das Foto eines brackigen Gewässers, das direkt an die Mauern des Recyclingbetriebs grenzt. Plastikteile und -flaschen schwimmen darin.

An der Mauer der Sortier- und Zerkleinerungsanlage Polyplast in Malaysia steht ein trübes braun-brackiges Gewässer. Mehrere Plastikflaschen und andere Plastikteile sind zu sehen

Das Greenpeace-Foto vor dem Recyclingbetrieb in Malaysia zeigt ein trübes Gewässer mit Plastikmüll Foto: Greenpeace

Zwei weitere Lieferungen nach Malaysia konnten nicht bis zum endgültigen Verbleib getrackt werden. Sie sind aber schon wegen ihres Inhalts verdächtig: Greenpeace hat die Hartplastikteile aus diesen Müllladungen positiv auf eine Bromverschmutzung getestet.

Die Baseler Konvention verbietet schon seit 1992 die grenzüberschreitende Entsorgung von gefährlichen Abfällen. Ob bei der Brombelastung tatsächlich rechtliche Grenzwerte überschritten wurden, steht nicht fest – dafür müssten aufwendigere Tests gemacht werden. „Aber der Verdacht ist nach den Tests sehr stark“, sagt Jakob Kluchert, Leiter des Greenpeace-Investigativteams.

Der vierte beanstandete Export ist eindeutig illegal – und das gleich doppelt. Verschickt worden ist eine Mischung aus PET- und PP-Plastikabfällen in die Türkei. Die allerdings erlaubt die Einfuhr von solchem Mischplastik gar nicht. Erschwerend kommt hinzu: Die Firma „Best Plast“ südlich von Adana, bei der die Mülllieferung am Ende gelandet ist, hat nach Greenpeace-Recherchen gar nicht die benötigte Lizenz vom türkischen Umweltministerium.

Illegale Müllexporte keine Einzelfälle

Wie das Mischplastik trotz des Verbots in die Türkei eingeführt werden konnte, bleibt unklar: Greenpeace konnte die einzelnen Lieferungen nicht chargengenau verfolgen. Die verantwortliche Firma für alle vier beanstandeten Lieferungen, Melor, beantwortete die taz-Anfragen bis Redaktionsschluss nicht.

Klar ist aber: Die Lieferung hätte laut dem Hamburger Zollamt „so präzise wie möglich“, das heißt, eindeutig als Mischabfall aus PET und PP ausgezeichnet sein müssen. Damit wäre klar gewesen, dass sie die abfallrechtlichen Bestimmungen zur Ausfuhr in die Türkei nicht erfüllt.

Neu ist das Problem illegaler Müllentsorgung nicht: Eine Studie des Umweltbundesamtes hatte 2010 gezeigt, dass damals jährlich 155.000 Tonnen zum Teil gefährlichen Elektroschrotts aus Deutschland ins außereuropäische Ausland exportiert wurden – dazu gehören auch die häufig mit Brom kontaminierten Plastikgehäuse von alten Elektrogeräten.

Aktuellere absolute Zahlen gibt es nicht. Aber bei Greenpeace geht man nicht von Einzelfällen aus. „Wenn von unseren Stichproben schon ein Drittel im Ausland landet und darunter mehrere Fälle illegaler Exporte sind, dann ist dieses Problem noch viel größer“, sagt Kluchert.

Müll ist monatelang unterwegs

Angezeigt hat die NGO die festgestellten Verstöße durch Melor bisher noch nicht. Sie fordert schärfere Kontrollen durch die deutschen Behörden. Zuständig sind neben dem Zoll vor allem die Abfallbehörden der Länder. Die Kritik von Greenpeace geht aber über die illegalen Lieferungen hinaus: „Natürlich sollte die bestehende Gesetzgebung besser kontrolliert werden“, sagt Kluchert. „Aber das eigentliche Problem ist, dass wir unseren Plastikmüll überhaupt weltweit verschiffen.“

Mehr als sieben Monate etwa war der Müll von Reinbeck bis zu seinem Endziel in Malaysia unterwegs, zeigt das Greenpeace-Tracking. Aber auch die drei- bis viermonatige Reise eines Ballens Plastikfolie bis nach Tel Aviv wirke absurd – schließlich könne das Material ohne Weiteres mit geringeren Klimakosten in Deutschland recycelt werden. „Das sind Exporte, die wahrscheinlich legal sind, aber illegitim“, findet Kluchert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.