Kanzleramtschef im Cum-Ex-Ausschuss: About Scholz

Wolfgang Schmidt (SPD) sagt im Untersuchungsausschuss, was er alles nicht weiß – und warum sein Freund Olaf Scholz trotzdem unschuldig ist.

Wolfgang Schmidt reckt das Kinn nach oben

Scholz' Abteilung Attacke: Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt im Hamburger Rathaus Foto: Ulrich Perrey/dpa

HAMBURG taz | Wolfgang Schmidt ist so etwas wie das Alter Ego von Olaf Scholz, sozusagen Scholz, nur in kommunikationsbegabt. Die beiden kennen sich von einer WG-Party, Schmidt war persönlicher Referent und dann Büroleiter von Scholz als SPD-Generalsekretär und diente seinem Kumpel seither in der Bundestagsfraktion, im Arbeitsministerium, als Staatsrat in Hamburg, als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und heute als Kanzleramtschef.

Dass er Scholz' engster Berater sei, will er im Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zur Cum-Ex-Affäre dennoch nicht gelten lassen. Denn wer Scholz kenne, wisse, dass der keine Berater brauche. „Ich bin nicht der Betreuer von Olaf Scholz – aber wir sind seit 25 Jahren befreundet.“ Sein Vorteil sei: „Ich weiß, wie er tickt.“

Es war nicht zu erwarten, dass Schmidt seinen langjährigen Freund und Chef im Ausschuss belasten würde. Und das könnte er nach eigenen Angaben auch gar nicht: Er sei in seiner Funktion als Senatskanzleichef „nicht für Steuerverfahren zuständig“ gewesen. Er habe „keine eigene Anschauung“ zu der Frage, ob Scholz Einfluss auf die Entscheidung der Finanzverwaltung genommen habe, illegal erstattete Kapitalertragssteuer von der Warburg-Bank nicht zurückzufordern. Und von den Gesprächen, die Scholz 2016 und 2017 mit Warburg-Chef Christian Olearius geführt hat, an die Scholz sich aber heute nicht erinnert, hatte Schmidt damals „keine Kenntnis“.

Die Befragung des Zeugen Schmidt hätte also schnell beendet sein können. Aber Schmidt wäre nicht Schmidt, wenn er es darauf beruhen ließe. Er nutzte seinen Auftritt für eine Generalabrechnung. In einer fast einstündigen Suada stellte der Minister seine Sicht auf die Cum-Ex-Affäre dar, die er nicht aus „dienstlicher Kenntnis“ gewonnen, sich aber akribisch angelesen und rechtlich bewertet hatte – als Jurist, wie er betonte.

Scholz war „zurückhaltend“, Olearius optimistisch

Und die lässt sich so zusammenfassen: Scholz habe keinen Einfluss auf das Steuerverfahren gegen Warburg genommen, das hätten sämtliche Zeu­g:in­nen im Ausschuss bestätigt. Auch der öffentlich gewordene Eintrag aus Olearius' Tagebuch deute nicht darauf hin: Der hatte notiert, er habe im Gespräch mit Scholz den Eindruck gewonnen, „dass wir uns keine Sorgen machen müssen“, also dass die Bank keine Rückforderung von der Stadt befürchten müsse. Schmidt möchte den Blick auf die Worte davor lenken, die seiner Ansicht nach in der Berichterstattung zu kurz gekommen sind: Von Scholz' „zurückhaltender“ Reaktion ist da die Rede, aus der Olearius Wohlwollen abgeleitet hat.

Die hätte durchaus andere Schlüsse zugelassen, wie Scholz-Versteher Schmidt aus seinem Erfahrungsschatz zu berichten weiß: Bittsteller empfange Scholz häufig reserviert. „Scholz ist in vielen Gesprächen eine Sphinx, er hört eher stoisch zu.“ Immer wieder seien Leute nach ihrem Termin bei Scholz bei ihm, Schmidt, vorstellig geworden und hätten gefragt: „Mag der mich nicht? Wie soll ich das deuten?“

Eigentlich, meint Kanzleramtsminister Schmidt, sei in der Hamburger Finanzbehörde beim Steuerbetrug der Warburg-Bank auch gar nichts schief gegangen. Im Gegenteil: Die Steuerverwaltung habe im Dezember 2016, wenige Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist, einen veränderten Steuerbescheid an Warburg ausgestellt und damit die Verjährungsfrist um weitere fünf Jahre verlängert – auch wenn an diese Wirkung damals kaum einer der Beteiligten geglaubt hat. In der Presse sei davon aber kaum etwas zu lesen gewesen, da heiße es immer: „Hamburg hat die Forderung verjähren lassen.“ Das hat Schmidt so „empört“, dass er sich pauschale Presseschelte nun endgültig nicht mehr verkneifen kann: „Einer schreibt vom anderen ab, Fakten hemmen ja den Erzählfluss.“

Dass Hamburg auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro zunächst verzichtete, hält Schmidt nach damaligem Kenntnisstand für rechtlich plausibel – das habe im Ausschuss sogar ein Kölner Staatsanwalt bestätigt, der gegen die Warburg-Bank wegen Steuerhinterziehung mit den Cum-Ex-Geschäften ermittelt. Und selbst wenn die Bank mit ihrer noch laufenden Klage gegen den Steuerbescheid Erfolg hätte, würde das Kölner Landgericht das Geld auf strafrechtlichem Wege einziehen. „Das Geld bleibt beim Staat – wenn auch“, so viel Hamburger Lokalpatriotismus leistet sich der Bundesminister noch, „in diesem Fall bedauerlicherweise in NRW.“ Am Ende habe der Staat wegen der günstigen Strafzinsen sogar noch Gewinn gemacht, sagt Schmidt, und grinst.

Schlusswort seines fulminanten Pro-Scholz-Plädoyers: „Sie haben jetzt zwei Jahre ermittelt – und es ist nicht das kleinste Indiz, geschweige denn ein Beleg für eine politische Einflussnahme zutage getreten. Ich denke, da kann man sagen, dass da nichts gewesen ist.“

Scholz-Aussage im Finanzausschuss wird veröffentlicht

Auch die vom Spiegel verbreitete Nachricht des Tages erschüttert diese Gewissheit nicht: Die Anwälte der Warburg-Inhaber haben demnach auch den Finanzausschuss des Bundestags – wie auch jeweils die Zeugen im Hamburger Ausschuss – partiell vom Steuergeheimnis befreit. Das macht den Weg frei für die Veröffentlichung eines Protokolls jener Aussage von Scholz dort, über die verschiedene Medien berichtet hatten, sie stehe im Widerspruch zu dem von ihm vor dem Hamburger Ausschuss geltend gemachten völligen Gedächtnisverlust hinsichtlich seiner Treffen mit Olearius.

„Ich begrüße das“, sagte Schmidt, weil man dann aufräumen könne mit Spekulationen, Scholz habe etwas verheimlicht. „Spoiler: hat er nicht.“ Es bereitet Schmidt sichtliches Vergnügen, aus dem Nähkästchen zu plaudern: „Ich hatte dem Vorsitzenden des Finanzausschusses den Tipp gegeben, mal bei den Anwälten der Warburg-Bank nachzufragen.“

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