Lindner blockiert Streckbetrieb-Novelle: FDP macht Atomfass wieder auf

Der Finanzminister blockiert die Novelle zum Streckbetrieb zweier AKWs als Einsatzreserve. Dabei könnte das bei Isar 2 kontraproduktiv sein.

mann sitzt vor Fluss, im HIntergrund AKW-Kühlturm

Wie lange wird der Kühlturm des Atomkraftwerks Isar 2 noch Schwaden absondern? Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

FREIBURG taz | Ausgerechnet die FDP könnte am Ende verhindern, dass das bayerische Atomkraftwerk Isar 2 länger laufen und als Reserve für Stromengpässe vorgehalten werden kann. Denn dafür wären Gesetzesänderungen notwendig, die die Liberalen derzeit verzögern. Man sehe „noch Klärungsbedarf“ hieß es.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck möchte das Atomgesetz und das Energiewirtschaftsgesetz so anpassen, dass die AKWs Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg bis zum 15. April 2023 als „Einsatzreserve“ weiterbetrieben werden können. Die beiden Reaktoren sollen im sogenannten Streckbetrieb mit den vorhandenen Brennelementen noch länger Strom erzeugen. Das dritte noch laufende AKW Emsland in Niedersachsen soll wie geplant abgeschaltet werden, was damit begründet wird, dass der deutsche Norden besser mit Strom versorgt ist als der Süden.

Der Block Neckarwestheim könnte relativ unkompliziert weiterlaufen, so dass die Bundesregierung hier noch etwas Zeit für die Novelle des Atomgesetzes hätte. Beim Block Isar 2 ist das aber anders.

Der Reaktor hat nämlich ein kleines technisches Problem, das der Betreiber PreussenElektra inzwischen spezifizierte: Es gibt eine Undichtigkeit in einem Druckhalterventil. Solche Leckagen seien „normalbetrieblich vorhanden und innerhalb festgelegter Grenzen zulässig“. Sie träten nicht plötzlich auf, sondern seien kalkulierbar, heißt es.

Es hängt an einem Ventil

Bis zum ursprünglich festgelegten Betriebsende des Reaktors zum Jahresende dürfte die Undichtigkeit auch innerhalb der festgelegten Grenzen bleiben. Deshalb hätte der Betreiber die Komponente nicht mehr ersetzen müssen, wenn Isar 2 ohnehin abgeschaltet worden wäre. Soll der Reaktor aber noch bis April am Netz bleiben, muss das Ventil ausgetauscht werden, Und das geht nur, wenn der Reaktor kurzzeitig abgeschaltet und drucklos ist.

Das bringt ein Problem mit sich: Der etwa einwöchige Stillstand muss, so hatte es die Betreiberfirma schon vor einigen Wochen erklärt, noch im Oktober erfolgen. Zu einem späteren Termin wären die Brennelemente schon so weit verbraucht, dass der Reaktor mit dem bestehenden Brennstoff nach einem Stillstand gar nicht mehr so einfach wieder hochgefahren werden kann. Es wäre ohnehin ein Betriebszustand ohne Beispiel, denn im Normalfall fährt man einen Reaktor mit Brennelementen so geringer Restreaktivität nicht wieder hoch, sondern ersetzt vorher zumindest einen Teil des Brennstoffs.

Die Blockade

Das stellt PreussenElektra nun vor schwierige Fragen. Das Unternehmen hat kein Interesse daran, das Ventil vorsorglich auszutauschen, wenn unklar ist, ob die Bundesregierung ihre „Einsatzreserve“ tatsächlich organisieren kann. Wenn das AKW am Ende überflüssigerweise stillstünde, weil es – wie die Rechtslage ohne Novelle ist – an Silvester ohnehin abgeschaltet wird, würde das die Firmenbilanz angesichts der hohen Strompreise schon alleine durch den Produktionsausfall belasten. Also wartet PreussenElektra auf Entscheidungen der Bundesregierung.

Doch die FDP verzögert Habecks Pläne. Deren Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner würde nun doch gerne alle drei noch betriebenen Meiler bis 2024 laufen lassen. Daher ließ er sich bislang nicht auf verbindliche Beschlüsse für einen nur dreieinhalbmonatige Streckbetrieb von lediglich zwei Reaktoren ein.

Nun war zunächst für vergangenen Mittwoch und dann für Montag ein Kabinettsbeschluss geplant gewesen. „Aufgrund politischer Unstimmigkeiten“, wie das Wirtschaftsministerium erklärte, fand er nun aber doch nicht statt. Damit sei der enge Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren nicht mehr zu halten – „ein Problem, wenn man will, dass Isar 2 im Jahr 2023 noch Strom produziert“, so das Ministerium von Habeck. Eine Lösung war auch am Dienstag nicht absehbar.

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