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Gegen das System – egal zu welchem Preis

Ira­ne­r*in­nen gehen weiter gegen das Regime auf die Straße. Auch dessen eskalierende Gewalttätigkeit kann sie bisher nicht aufhalten

Mit Feuer und Barrikaden gegen die Islamische Republik: Proteste in der iranischen Hauptstadt Teheran nach dem Tod Mahsa „Zhina“ Aminis Foto: afp

Von Julia Neumann und Lisa Schneider

In Iran haben sich die Proteste im ganzen Land ausgebreitet. Meldungen in den sozialen Medien zufolge kommt es mittlerweile in den meisten der 31 Provinzen des Landes zu Demonstrationen. Mindestens 26 Menschen, darunter ein Polizist, kamen bisher ums Leben; die Zahl stammt von Staatsmedien. Immer wieder wird in Iran der Zugang zum Internet unterbrochen, unabhängig bestätigte Berichte sind schwer zu bekommen.

„Frauen, Leben, Freiheit“ oder „Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen“ sind Parolen, die die Menschen auf den Straßen rufen. Laut der Agentur Reuters signalisiert Iran derweil seine Bereitschaft, hart gegen die Proteste durchzugreifen.

Dass das bereits geschieht, deuten etwa Veröffentlichungen der kurdischen Menschenrechtsorganisation Hengaw an: Auf Twitter teilen sie Meldungen über Verhaftungen und Entführungen von Protestierenden, berichten von Verletzten und Toten. Alleine am Mittwoch seien acht Menschen von iranischen Staatskräften getötet, Dutzende verhaftet, sowie mehr als 281 Menschen verletzt worden, schreibt die Organisation auf ihrer Webseite. Auch die Nachrichtenagentur AFP berichtet von der Verhaftung eines bekannten Aktivisten und einer Journalistin.

Auslöser der anhaltenden Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa „Zhina“ Amini. Die iranische Kurdin war am vergangenen Freitag verstorben, nachdem sie von der sogenannten Moralpolizei in Gewahrsam genommen und verprügelt worden war. Der Grund für die Festnahme: ein zu locker sitzendes Kopftuch. Während die Polizei behauptet, Amini sei an einem Herzinfarkt gestorben, sagt ihre Familie, sie sei durch die Polizeigewalt getötet worden.

Als Reaktion gehen Tausende in Iran, gerade in den kurdisch besiedelten Gebieten, auf die Straßen. Frauen verbrennen ihre Kopftücher, schneiden sich Haarsträhnen ab, und protestieren so gegen den Hidschabzwang und ihre Unterdrückung. Auch viele Männer sind solidarisch, legen sich mit der Polizei an, werfen Steine. Viele sind wütend auf das gesamte System.

Iranische Staatsmedien thematisieren die Proteste kaum, und versuchen diese als Einflussversuch ausländischer Kräfte zu denunzieren. Die offizielle iranische Nachrichtenagentur, Irna, veröffentlichte am Freitag einen Bericht über eine Gegendemonstration: Nach dem Freitagsgebet seien die Menschen auf die Straßen Teherans geströmt, „um die Beleidigung des Heiligen Korans, das Anzünden von Moscheen und die Entweihung der islamischen Kleiderordnung für Frauen zu verurteilen“.

Derweil sollte der iranische Präsident Ebrahim Raisi am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York von der Chefkorrespondentin des Nachrichtensenders CNN, Christiane Amanpour, interviewt werden. Doch Raisi blieb dem Termin fern. Als Grund gab er an, dass Amanpour sich weigere, ein Kopftuch zu tragen.

Bei einer Pressekonferenz auf die Proteste im Iran angesprochen, kündigte er eine Untersuchung des Todes Aminis an und sagte, die „chaotischen Zustände“ seien „inakzeptabel“.

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