Feuer im Nadelwald: Lebensraum und Brandbeschleuniger

Nach dem Brand im Nationalpark Harz ist die Debatte über Totholz im Forst wieder aufgeflammt. Experten fordern neuen Umgang mit Waldbränden.

Ein Löschflugzeug verteilt über einem wald Wasser.

Ein italienisches Löschlugzeug im Einsatz am Brocken im Harz am 5.9 Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BERLIN taz | Nach jedem Waldbrand flackert sie von Neuem auf, die Debatte über Totholz in Wäldern und Forsten. Jüngster Anlass ist der seit vergangenem Samstag lodernde Waldbrand am Brocken im Nationalpark Harz. Sachsen-Anhalts Forstminister Sven Schulze (CDU) äußerte während einer Landtagsdebatte am Mittwoch Zweifel am Modell eines gemeinsamen Nationalparks Harz mit dem Land Niedersachsen. Wenn man keine gemeinsamen Lösungen finde, müsse man den Nationalpark grundsätzlich infrage stellen, sagte der CDU-Politiker. Das Totholz stelle eine „Riesengefahr“ dar.

Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) hatte am Dienstag dafür plädiert, besonders gefährdete Bereiche für Präventionsmaßnahmen zusammen mit der Nationalparkverwaltung in den Blick zu nehmen. „Wir diskutieren nicht über die Frage von grundsätzlichen Brandschneisen, die quer durch den Nationalpark gehen“, hatte Lies gesagt. Der überwiegend mit Fichten bepflanzte Nationalpark Harz leidet seit Jahren unter Dürre, Stürmen und dem Borkenkäfer.

„Es gibt tatsächliche Hochrisikobestände“, sagt Sven Selbert, Referent für nachhaltige Waldnutzung beim Naturschutzbund Nabu, „vor allem junge Nadelholzkulturen sind gefährdet“. Darin ständen die harzreichen Bäume dicht an dicht, damit die jungen Bäume schnell und gerade dem Licht entgegenwüchsen – das ergibt hochwertiges Holz. Besonders im unteren Bereich bilden die Bäume dabei das rostrote Feinreisig aus.

„Ein Bodenfeuer springt dort schnell hoch in die Kronen, und die können brennen wie ein Weihnachtsbaum“, erklärt Selbert. Dieses Problem habe man in Laubmischwäldern und mit liegend vermoderndem Totholz nicht. „Was wir brauchen, sind naturnahe Wälder mit Totholz, kühlem Binnenklima und vielfältiger grüner Vegetation. Sie hemmen die Feuer effektiv“, so der Nabu-Waldexperte.

Für eine pragmatische Mischung

„Die Mischung macht’s“, sagt Raimund Engel, Waldbrandschutzbeauftragter des Landes Brandenburg. „Totholz ist wichtig, es gehört zur natürlichen Lebensgemeinschaft des Waldes“, erläutert der Diplomforstwirt. Totholz bilde Lebensräume für Insekten, Pilze und viele Pflanzen, die genau auf die Verfallsprozesse der Bäume angepasst seien. Zudem seien sie wichtig für die Humusbildung des Waldbodens.

„Es wäre eher gefährlich für den Wald, alles Totholz herauszuholen“, warnt Engel, der Boden trockne aus, die Luftfeuchtigkeit nehme ab. Er spricht sich für eine pragmatische Mischung aus Brandschutz und Naturschutz aus: „Entlang von Wegen sollten wir Totholz räumen oder dafür sorgen, dass es Bodenkontakt erhält und verrotten kann.“ Außerdem wichtig sei die Löschwasserversorgung mittels Brunnen, Teichen oder Zisternen im Wald.

Andreas Bolte, Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde, hält die derzeitige Debatte für polemisch. „Totholz ist weder immer gut noch immer schlecht“, sagt er. In der Nähe von Siedlungen oder kritischer Infrastruktur müsse man trockenes, harzreiches Nadeltotholz entfernen, in feuchten Buchenwäldern oder in den Kernzonen von Nationalparks könne es vor Ort bleiben. Bolte fordert einen neuen Umgang mit Waldbränden. „Eine Null-Waldbrand-Strategie können wir im Klimawandel nicht beibehalten“, stellt er klar. Es sei auch zu diskutieren, besonders gefährdete Gebiete außerhalb der Waldbrand­saison kontrolliert abbrennen zu lassen, wie dies in den USA oder in Skandinavien geschehe. Und nicht jedes Feuer in der Kernzone eines Nationalparks müsse sofort gelöscht werden. „Wir werden mit Bränden leben lernen müssen“, sagt Bolte.

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