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G7 und der globale SüdenWieder nur Versprechungen?

Lutz van Dijk
Kommentar von Lutz van Dijk

Die Nord-Süd-Beziehungen sind von gegenseitiger Ignoranz geprägt. Auf der einen Seite herrscht Arroganz vor, auf der anderen großes Misstrauen.

Chinas Präsident Xi Jinping beim Beginn des virutellen BRICS-Gipfels Foto: Li Xueren/dpa

D as Thema des G7-Gipfels klang wieder nur gut: „Fortschritt für eine gerechte Welt“. Aber die Präsidenten der Länder Argentiniens, Indiens, Indonesiens, des Senegal und Südafrikas, die aus dem globalen Süden am zweiten Tag nach Elmau eingeladen waren, sind bei aller lächelnden Präsenz eher müde von Versprechungen der wohlhabenden Länder, die dann doch nicht gehalten werden.

So zuletzt die vom G7-Gipfel im Juni 2021 zugesagten Coronahilfen für die weltweit ärmsten Länder in Höhe von 100 Millliarden US-Dollar, die bis heute nicht ausgezahlt wurden. Trotzdem sollten sie jetzt gewonnen werden als Bündnispartner gegen Russlands Putin: Einmal beim Arbeitsmittagessen “In die Zukunft investieren“, wo es um Klima, alternative Energien und Gesundheit ging und danach bei der Arbeitsgruppe “Gemeinsam stärker“, wo die Themen Hungerbekämpfung und Geschlechtergerechtigkeit zusammengepackt waren.

Am Ende verkündeten die G7 den angereisten Gästen aus dem globalen Süden ein neues Versprechen: Dass sie nun sogar 600 Milliarden Euro für “globale Infrastruktur“ bis 2027 erhalten sollen. Natürlich nur, wenn sie sich deutlich von Russland distanzieren, am liebsten gleich auch von China.

Bei allen angekündigten „globalen Finanzhilfen“ und „weltweiten Klima-Initiativen“ fällt zunächst auf, wie wenig der Norden und Westen vom Süden wissen und umgekehrt. Ja schlimmer noch, dass die gegenseitige Ignoranz Teil der Rechtfertigungen zu sein scheint, jeweils auf der richtigen Seite zu sein.

Direkt vor dem G7-Gipfel fand am 24. Juni eine Online-Konferenz von BRICS unter dem Vorsitz Chinas statt – seit 2009 sind hier die aufstrebenden Länder Brasilien, Russland, Indien, China und seit 2010 Südafrika zusammengeschlossen. Während die G7 nur 10 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, sind es bei BRICS immerhin 40 Prozent, bis 2030 wird es etwa die Hälfte der Menschheit sein.

Westliche Medien erwähnen BRICS-Treffen kaum

Gleichwohl waren westlichen Medien die Ergebnisse des virtuellen BRICS-Treffens kaum eine Zeile wert, so wie umgekehrt Russland das G7-Treffen in den eigenen Nachrichten weitgehend ignorierte. Dabei gehörten zu den 75 Punkten, auf die sich die BRICS-Länder einigten, nicht nur solche, die als Putins Propaganda abgetan werden können, sondern auch Punkte, die signalisieren, dass die Besuche von UN-Generalsekretär António Guterres in Kiew und Moskau vielleicht doch nicht umsonst waren.

Unter Punkt 22 wird ausdrücklich die Unterstützung von Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland bekräftigt, wie auch die wichtige Rolle der UNO bei humanitärer Not wie Hunger und extremer Armut. Bei der Vorstellung der G7-Gäste aus dem globalen Süden wurde demgegenüber von mehreren Leitmedien, so auch der deutschen Tagesschau, berichtet, dass Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa “schwer angeschlagen“ wegen Korruptionsvorwürfen daheim nach Elmau gekommen sei.

Das passt eher in westliche Stereotypen von afrikanischen Regierungen, ohne dass ausreichend Hintergrundinformationen geliefert werden. Angezeigt hatte Ramaphosa nämlich der frühere Geheimdienstchef Arthur Fraser, der auch als Freund des wegen tatsächlicher Korruption aus dem Amt gejagten Vorgängers Jacob Zuma bekannt ist. Ramaphosa hat seit dem Vorwurf, er habe sich „illegale Geld-Geschäfte auf seiner Rinderfarm“ zu Schulden kommen lassen, mehrfach bekräftigt, gegenüber ermittelnden Behörden alles offenzulegen. Der Verdacht allein reichte jedoch, ihn als „schwer angeschlagen“ darzustellen.

Sanktionen treffen Russland weniger als gedacht

Es sollte endlich zur Kenntnis genommen werden, dass die armen und aufstrebenden Länder dieser Welt nicht mehr einfach käuflich sind, sondern mühsam lernen mussten, sich bei Abstimmungen zu enthalten und erst abzuwarten, welche Versprechungen der reichen und mächtigen Länder tatsächlich gehalten werden.

Der indische Schriftsteller Pankaj Mishrah mahnt: „Das antiquierte Denkmodell des Westens des Kalten Krieges ist irreführend… In Wahrheit ist die Welt zutiefst vernetzt. Indem ihr Russland bestraft, bestraft ihr unbeabsichtigt viele andere und ärmere Länder. Ihr fördert die Paranoia und Autokraten. Habt ihr das alles bis zum Ende durchdacht?“

Hinzu kommt eine weitere Ernüchterung: Russland treffen viele Sanktionen weniger als beabsichtigt, da China und Indien bereits Öl und Gas zu gestiegenen Weltmarktpreisen kaufen, das nun nicht nur in Deutschland in Kürze spürbar fehlen wird. Nach G7 wird es planmäßig den nächsten G20-Gipfel, dem bislang auch Russland angehört, Mitte November auf Bali in Indonesien geben. Indonesiens Präsident Joko Widoda gab schon jetzt bekannt, dass er auch die Ukraine einladen wird, die eigentlich nicht zu den G20 gehört. Den Vorsitz von BRICS wird 2023 Südafrika innehaben.

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Lutz van Dijk
Lutz van Dijk, deutsch-niederländischer Historiker und Pädagoge, Dr.phil., geboren in Berlin, Lehrer in Hamburg, später Mitarbeiter des Anne Frank Hauses Amsterdam, bis 1994 Einreiseverbot nach Südafrika, seit 2001 in Kapstadt als Mitbegründer des Township-Kinderprojekts HOKISA. Mehr unter: www.lutzvandijk.co.za Veröffentlichungen u.a.: Afrika – Geschichte eines bunten Kontinents (Vorwort von Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu) 2016; Kampala-Hamburg (Roman einer Flucht) 2020.
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11 Kommentare

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  • „Westliche Medien erwähnen BRICS-Treffen kaum“



    Eigentlich lese ich deswegen die taz.

  • ... erst zwingt die "Troika", sprich EU Griechenland, seine Häfen an die Chinesen zu verkaufen, und jetz plötzlich westlicherseits großes Aufwachen zwengs Schissvorseidenstraße. Italien gehört selbst zu den Kandidaten, die nach dem Zusammenbruch des Euro und den entsprechenden einzelstaatlichen Währungsreformen vor lauter "lo spread" mit China liebäugeln wird (müssen). Balkanien machts vor. Sri Lanka is schon im Abgrund.

    • @lesnmachtdumm:

      die ... liebäugeln werden (müssen), latürnich.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Indien ist kein armes Land. Eigene Nuklearwaffen, erfolgreiches Raumfahrtprogramm und High-Tech Industrie. Problem ist halt eine irrer Bevölkerungszuwachs (bis 2050 werden 2 Milliarden Inder erwartet) und ein menschenunwürdiges Kastensystem.

    Warum wir als Land mit 7% der Bevölkerung von Indien dieses Land pimpern sollen, erschließt sich mir nicht.

    Mit Argentinien und Südafrika ist es ähnlich. Südafrika ist z.B. einer der größten Waffenexporteure in andere afrikanische Länder.

    Vielleicht herrscht hier in den westlichen Mendien doch immer noch das alte ggf. sogar kolonialistische Bild vom reichen väterlich großzügigen Westen und den unterentwickelten anderen Ländern.

  • Schon vor dem tollen 'Gipfel' sah die Welt anders aus als zu Schröders Zeiten: Das Bric-Treffen mit China an der Spitze und dem Mitläufer Putin als Rohstoflieferant hatte -wirtschaftpolitisch gesehen- eine viel größere Bedeutung als ein Einigungsversuch von früher stärkeren Wirtschaftsmächten, die darüber hinaus auch sehr unterschiedliche Interessen verfolgen: So ist der deutsche Versuch gescheitert, mit Hilfe Russlands im Fernen Osten seinen ökonimschen Einfluß erhöhen zu können gegenüber amerikanischen Investments , die zuerst Südkorea auf dem Weltmarkt gegen deutsche Exporte, zum Beispiel in der Werftindustrie (die ja schon in den 60er Jahren hierzulande fast zum Erliegen gekommen War), dann Taiwan mit dem Aufbau der Halbleiter und Chipsproduktion, die dort sehr viel günstiger war, als auf dem US-Heimatmarkt. Fast verzweifelt kämpfen die Amerikanern um Ihren Ruf als die führende Wirtschaftsnation gegen China, das seine Impulse nicht zuletzt aus Mitteleuropa bekam. Bei Chinas Führung haben sich die Globalisierer Europas aber verrechnet und mit dem Ausfall Russlands als Rohstofflierant kehren sich jetzt die Abhängigkeiten um: Ohne -(nur noch?) zeitweiligen- Zugriff auf fossile Ressourcen fehlen Mitteleuropa die Kapazitäten, neue Geschäfte z.B. im Aufbau regenerartiver Energien machen zu können. Die Druckerpresse der EZB macht insbesondere Deutschlands Armut mehr als deutlich. Die Geschäfte mit Wasserstoff werden Araber mit Hilfe Chinas machen. Klima ? Kein Problem für Scheichs, die Klimaanlagen gewöhnt sind.

  • Der SPIEGEL hat es jedenfalls online gut auf den Punkt gebracht: Die Präsidenten Argentiniens, Indiens, Indonesiens, des Senegal und Südafrikas wurde nicht eingeladen, sondern geladen. So stand es dort wörtlich.

    Vermutlich würde so ein Freudscher Verschreiber nicht beim Schreiben über die Staatsoberhäupter Deutschlands, Frankreichs oder der USA passieren. Der Verschreiber hat hohe Symbolkraft und zeigt letztlich auf, wie die G7 die internationalen Beziehungen sehen.

    Ich denke, die G7 zeigen derzeit u.a. an der Außengrenze Spaniens auf oder durch die Behandlung von Geflüchteten aus Haiti (wo Gefangenen in Gefängnissen verhungern) in den USA auf, wie sie sich internationale Beziehungen und auch eine Durchsetzung von Menschenrechten vorstellen.

    Sicherlich besteht ein ernsthaftes Dilemma:

    Um den Klimawandel massiv zu begrenzen und Hunger und Elend auf der Welt zu beseitigen, müssten die Bevölkerungen gerade auch der G7 Staaten ihr Leben grundlegend verändert, was bis hin zur Ernährung und deren Umstellung auf pflanzenbasiert geht. Dies zeigen alle Studien auf. Während für den Beseitigung von Hunger und Elend ein Zugriff auf die Milliardärsvermögen ausreichend wäre, gilt dies für den Klimawandel nicht.

    Aber nur eine Minderheit ist zu grundlegender Veränderung bereit. So entsteht die zweite Strategie, nämlich sich selbst vor Klimawandel und künftiger echter Massenflucht zu schützen durch Abschottung und Menschenrechtsverletzungen.

    Wenn die Verantwortlichen in der G7 ihren Bevölkerungen keinen grundlegenden, ihren Alltag tangierenden Wandel zumuten wollen, können sie gar nicht anders, als dies auf dem Rücken des globalen Südens auszutragen.

    Durch Russlands Krieg gegen die Ukraine werden nun zusätzlich die geschwächt, die für den grundlegenden Wandel plädieren, weil sich alles auf Russland und die Ukraine richtet und so die anderen Gerechtigkeits- und Überlebensnotwendigkeiten zurücktreten. Ein verfahrene Situation.

    • @PolitDiscussion:

      Woher nehmen Sie die Behauptung, dass "geladene " Gäste die abgewertete Form von "eingeladene" Gäste sei? - Gibt aber ne nette Einleitung, die gleich vermuten lässt, dass da jemand hört, was er hören will.



      Gleichwohl ist der Hinweis auf das Dilemma richtig, wenn auch nicht neu. Ihren "die da oben"-Spin finde ich aber wenig hilfreich. Das ist wohl in einer Demokratie ein wenig komplexer.



      Kommentar von Dietmar Rauter gibt gute Hinweis. Das wird aber an der FDP scheitern ...

    • 4G
      49732 (Profil gelöscht)
      @PolitDiscussion:

      "Wenn die Verantwortlichen in der G7 ihren Bevölkerungen keinen ... Wandel zumuten wollen, ..."

      Wie macht man das denn in einer Demokratie?

      • @49732 (Profil gelöscht):

        Wie macht man das in ner Demokratie ? Genau dassisasproblem ! Manche Demokratie, nee: eine, genaugenommen, schafft nichmal Tempo 130.

      • @49732 (Profil gelöscht):

        Schwurbeln und Werbefernsehen verbieten...

        • @Dietmar Rauter:

          Der Kosmos westlicher Demokratie(n) - ohnehin ein gar seltsam Ding: Die Amis wollen sich z.B. jederzeit gegenseitig erschießen dürfen, aber sin einverstanden mit der Freiheitseinschränkung von nur 65 oder 75 mph auf der Autobahn. Ein ganz ander Land dagegen Texas: 85 mph (knapp 140kn/h) UND erschießendürfen. Was nützte da Verbieten von Fernsehen ?