Partei der Skandale: Österreichs korrupte Konservative

Jetzt zweifelt auch noch der Rechnungshof die Berichte der zusammen mit den Grünen regierenden Österreichischen Volkspartei an.

Ministerpräsident Günther Platter

Rücktritt: Tirols Ministerpräsident Günther Platter von der ÖVP Foto: Johann Groder/APA/dpa

WIEN taz | Das Dasein als ÖVP-Funktionär erfordert derzeit ein dickes Fell. Fast jede Woche wird ein neuer Skandal ruchbar. So bekommen die österreichischen Konservativen demnächst Besuch eines Wirtschaftsprüfers, weil der Rechnungshof ihre Berichte anzweifelt.

Zudem geben zwei mächtige Landeshauptmänner der ÖVP auf. Günther Platter, Landeshauptmann der konservativen Hochburg Tirol, regiert seit 14 Jahren die Bergprovinz. Noch vor Kurzem hatte der 58-jährige gelernte Gendarm versichert, er würde seine Partei in die für das Frühjahr 2023 vorgesehenen Landtagswahlen führen.

Jetzt ist plötzlich alles anders. Am Montag schlug er überraschend Finanzlandesrat Anton Mattle als Nachfolger vor. „Die Aufgabe des Landeshauptmanns war zweifellos die schönste Aufgabe“, sprach der frühere Innenminister. Doch in den letzten zwei Jahren habe er „den einen oder anderen Tag erlebt, den ich nicht ein zweites Mal erleben will“.

Er sprach von Anfeindungen und Drohungen, wohl beim Behördenversagen rund um den Corona-Hotspot Ischgl. Gewählt werden soll schon im September. Anders als Platter gilt der allseits beliebte Mattle als relativ wenig beschädigt von Ischgl und jüngeren Skandalen der ÖVP.

Parteiinternes Stühlerücken

In der ÖVP ist das große Stühlerücken angesagt. Schon vor Pfingsten hatte der 70-jährige Hermann Schützenhöfer die Amtsübergabe in der Steiermark angekündigt. Im Mai waren zwei Ministerinnen aus der Fan-Gruppe von Sebastian Kurz abgegangen.

Schon Kurz’ Abschied Ende 2021 war von Skandalen ausgelöst worden. Doch unter dem neuen Bundeskanzler Karl Nehammer riss die Serie peinlicher Enthüllungen nicht ab. Da wurde die ÖVP Vorarlberg überführt, jahrelang via überteuerte Inserate in einer Parteizeitung verdeckte Spenden bezogen zu haben. Und der ÖVP-Seniorenbund hat über Umgehungskonstruktionen Covid-Hilfen für ehrenamtliche Vereine bezogen, obwohl politische Parteien ausdrücklich ausgenommen waren.

Die jüngste Kalamität erwächst aus dem bereits zweimal umgeschriebenen Bericht über die Wahlkampfkosten 2019. Da wird behauptet, man habe statt der erlaubten 7 Millionen nur 5,9 Millionen Euro ausgegeben. Man erinnert sich an aufwendige Kurz-Festspiele, die sich in einem Wahlergebnis von stolzen 37,4 Prozent niederschlugen.

Doch für den Rechnungshof ist es „mit der politischen Lebenswirklichkeit“ schwer in Einklang zu bringen, „dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl.“ Außerdem lägen dem Rechnungshof Unterlagen vor, welche die Angaben der ÖVP „zweifelhaft erscheinen lassen“.

Die Wochenzeitung Falter hatte schon 2020 eine doppelte Buchhaltung der ÖVP aufgedeckt, in der Posten aus dem Wahlkampf unter anderen Titeln verbucht wurden. Eine Klage gegen die Behauptung des Falter, sie hätte die Öffentlichkeit über die wahren Kosten des Wahlkampfs getäuscht, hat die ÖVP krachend verloren. Die Entsendung eines Wirtschaftsprüfers, der anders als der Rechnungshof alle Belege einsehen darf, ist eine bisher einmalige Misstrauensbekundung.

Kanzler sieht „linke Netzwerke“ am Werk

Kanzler Nehammer verantwortete damals als ÖVP-Bundesgeschäftsführer den Wahlkampf. Die bisherige Verteidigungsstrategie der ÖVP brachte immer „linke Netzwerke“ ins Spiel, zu denen auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gezählt wird.

Obwohl gegen 19 aktive oder zurückgetretene ÖVP-Spitzenkräfte strafrechtlich ermittelt wird, behauptete Nehammer vor einigen Wochen forsch, seine Partei habe „kein Korruptionsproblem“.

Der Koalition drohen Verluste bei Neuwahlen

FPÖ-Chef Herbert Kickl meinte süffisant, die ÖVP habe keines, „sie ist ein Korruptionsproblem.“ SPÖ und FPÖ appellieren jetzt an die Grünen, ihre Koalition platzen zu lassen und in Neuwahlen zu gehen.

Doch die will keine der Regierungsparteien. Die ÖVP liegt in Umfragen knapp über 20 Prozent, die Grünen bei 10 Prozent – gemeinsam sind sie weit entfernt von einer Mehrheit.

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