Regierungsumbildung in Österreich: ÖVP wieder wie vor Kurz

Der neue österreichische Kanzler Karl Nehammer baut sein Kabinett um, Farbe und Name der ÖVP werden gleich miterneuert. Kritik hagelt es trotzdem.

Nehammer schaut nach oben

Karl Nehammer Foto: Leonhard Foeger/reuters

WIEN taz | Ein Superministerium und zwei neue Staatssekretariate sind das Ergebnis der Regierungsumbildung, die durch die Rücktritte von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) am Montag ausgelöst wurde.

Schon am Mittwochvormittag wurden die neuen Regierungsmitglieder von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt. Aus dem ersten Kabinett von Sebastian Kurz ist jetzt niemand mehr im Amt. Dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) aber jetzt aus dem Schatten seines Vorgängers treten und für die ÖVP neu durchstarten kann, wird von den vielen in Frage gestellt.

Zwei Ministerinnen sind weg und werden durch zwei Männer ersetzt. Der bisherige Vorsitzende des ÖVP-Bauernbundes Norbert Totschnig übernimmt die Landwirtschaft, die Wirtschaftsagenden wandern zu Martin Kocher (parteilos), der bisher nur Arbeitsminister war und jetzt als „Superminister“ gilt. Er bekommt mit der Leiterin der Fachgruppe Hotellerie in der Wirtschaftskammer Susanne Kraus-Winkler eine Staatssekretärin für das wichtige Tourismusressort. Der bisher im Wirtschaftsministerium angesiedelte Bereich Digitalisierung wandert zu Finanzminister Magnus Brunner, der dafür mit Florian Tursky einen neuen Staatssekretär bekommt. Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm wird durch die Zuständigkeiten für Zivildienst und Regionales aufgewertet.

Beides war, ebenso wie der Tourismus, vorher von Köstingers Kraut-und-Rüben-Ministerium verwaltet worden. Die enge Vertraute von Kurz hatte durch diese Multizuständigkeit immer eine Sonderstellung. Jetzt regiert wieder die Zweckmäßigkeit. Dadurch setzt sich Nehammer von Kurz, der die alte Tante ÖVP in „neue Volkspartei“ umgetauft und türkis eingefärbt hatte, erkennbar ab.

Alles neu macht der Nehammer – auch Logo und Name der ÖVP

Aus dem Namenslogo verschwindet jetzt auch das Wörtchen „neue“ und die türkise Farbe wird etwas blasser. Dass, wie in der Ära vor Kurz, in der ÖVP wieder die Bünde und die Länderchefs das Sagen haben, streitet Nehammer ab. Dass der Abgang einer Tirolerin (Schramböck) und einer Bauernbündlerin (Köstinger) durch die Ernennung eines Tiroler Bauernbündlers abgegolten wurde, sei reiner Zufall. Er sei in seiner Personalauswahl völlig frei gewesen. Die Opposition konnte dem runderneuerten ÖVP-Team erwartungsgemäß wenig abgewinnen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach vom „letzten Aufgebot“ und warf dem Bundespräsidenten vor, einen Neuwahlauftrag zu verweigern. Neuwahlen wünscht sich auch die SPÖ, die derzeit in den Umfragen mehrere Prozentpunkte vor der ÖVP liegt. Außerdem kritisiert sie die Vermengung von Arbeit und Wirtschaft in einem Ministerium. Da würden die Arbeitnehmerinteressen denen der Unternehmen untergeordnet.

Bundespräsident Van der Bellen, der schon mehr Minister vereidigen musste, als jeder seiner Vorgänger, gab sich diesmal angesichts der multiplen Krise besonders nachdenklich: „Die Bevölkerung erwartet sich, dass Sie die großen Herausforderungen angehen und lösen.“ Darunter die Abhängigkeit von russischem Erdgas, die Klimakrise und die Sicherheit. Dass auch die Pandemie trotz derzeit sinkender Infektionszahlen noch nicht vorbei ist, wurde durch die Abwesenheit des designierten Landwirtschaftsministers deutlich. Totschnig war gerade Covid-positiv getestet worden.

Während in Wien das Protokoll regierte, ging es in Bregenz um den Bestand der schwarz-grünen Landesregierung. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) musste ein von der Opposition im Landtag eingebrachtes Misstrauensvotum abwehren. Gegen ihn ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen einer Inseratenaffaire. Der ÖVP-Wirtschaftsbund im Ländle hatte jahrelang über Inserate in Parteizeitungen die Landes-ÖVP alimentiert. Wallner, der von einem anonymen Zeugen beschuldigt wird, selbst Anzeigen gekeilt und politische Gegenleistungen in Aussicht gestellt zu haben, wollte die Daten auf seinem Diensthandy ausgerechnet an dem Tag löschen lassen, als er von den Ermittlungen erfuhr. Seine Begründung, das sei ein seltsamer Zufall, klingt auch für die Grünen nicht glaubwürdig. Sie stimmten mit großem Unbehagen gegen den Misstrauensantrag, um die Koalition zu retten. Es gehe darum, eine lückenlose Aufklärung zu garantieren. Und die sei mit einem Untersuchungsausschuss möglich. Einen Kopf auszutauschen ermögliche auch keine Weichenstellungen für die Zukunft.

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