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Kritik an Aus für Verbrennerautos„Schlichtweg zu früh“

Autolobbyisten protestieren gegen das EU-Aus für den Verbrennermotor ab 2035. Dafür fehlten die Ladestationen. Klimaschützer sind da optimistischer.

Ab 2035 soll dieses Bild von den Straßen verschwinden Foto: dpa

Berlin/Straßburg dpa | Die EU sollte sich nach Ansicht der deutschen Automobilindustrie noch nicht auf 2035 als Datum für ein Verbot von Verbrennungsmotoren bei Neuwagen festlegen. In weiten Teilen Europas gebe es „keine ausreichende Ladeinfrastruktur“ für Elektroautos, sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, am Mittwochabend.

„Es ist daher für eine derartige Zielsetzung schlichtweg noch zu früh. Die Kosten der Verbraucher werden dadurch erhöht, das Verbrauchervertrauen aufs Spiel gesetzt“, fügte sie hinzu.

Die frühere CDU-Politikerin Müller, von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt, reagierte damit auf den Beschluss des EU-Parlaments, dass der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verboten werden soll.

Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg dafür, dass Hersteller dann nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss sich das Parlament darüber aber noch mit den Regierungen der EU-Staaten einig werden.

Verkehr verursacht ein Viertel der CO2-Emissionen

Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur war der Verkehr im Jahr 2019 für rund ein Viertel der gesamten CO2-Emissionen der EU verantwortlich. Davon entfielen knapp 72 Prozent auf den Straßenverkehr. Der Verkehr ist der einzige Bereich, in dem der Treibhausgasausstoß in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen hat – zwischen 1990 und 2019 um 33,5 Prozent.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang begrüßte den Beschluss. „Es ist gut, dass das Europäische Parlament mit dieser Entscheidung klar macht: Elektromobilität ist die Zukunft“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Autounternehmen bekämen so europaweit Planungssicherheit. In Deutschland habe sich die Ampel-Koalition bereits zur Verkehrswende bekannt, sagte sie. „Wir wollen, dass Deutschland zum Leitmarkt für E-Mobilität wird, mit 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030.“

Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future reklamierte den Beschluss des EU-Parlaments als einen Erfolg ihrer Arbeit. Aber das angepeilte Jahr 2035 sei „zehn Jahre zu spät“, um das Ziel zu erreichen, die Erderhitzung wie 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris vereinbart auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, schrieben die Aktivisten auf Twitter. „Klar ist: Eine Verkehrswende schaffen wir nicht, indem E-Autos auf die Straße kommen – sondern Menschen.“

Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) kritisierte, dass nach dem Votum des EU-Parlaments synthetische Kraftstoffe nicht positiv auf die neuen CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden sollen. Wer schnelle Erfolge bei der CO2-Reduktion erzielen wolle, müsse den aktuellen Fahrzeugbestand in den Blick nehmen, sagte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski.

„Das sind in Deutschland rund 46 Millionen Pkw und weltweit 1,5 Milliarden Pkw. Mit klimaneutralen E-Fuels oder Biokraftstoffen könnten alle diese Fahrzeuge klimaneutral angetrieben werden, und die bestehende Tankstellen-Infrastruktur wäre vorhanden.“

Nicht genug E-Fuels für den Autoverkehr

Kritiker wenden aber ein, die Technologie stecke noch in den Kinderschuhen und zudem sei der Einsatz von E-Fuels, also synthetischen Kraftstoffen, bei Pkw ineffizient im Vergleich zum Elektroantrieb. Auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat betont, synthetische Kraftstoffe werde man vor allem für den Flugverkehr brauchen. Auf absehbare Zeit werden es nicht genug E-Fuels geben, um die jetzt zugelassenen Pkw damit zu betreiben.

Umweltorganisationen begrüßten das Votum des EU-Parlaments zumeist. „Heute wurde vom Europäischen Parlament ein klares Signal Richtung Antriebswechsel gesetzt“, so Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND. Der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Vom Nabu heißt es: „Das EU-Verbrenner-Aus 2035 ist ein großer Schritt und Arbeitsauftrag zugleich.“ Die Bundesregierung müsse nun dringend Maßnahmen ergreifen, damit das Ziel erreicht werde.

Der Deutschen Umwelthilfe geht die Maßnahme nicht weit genug, sie fordert ein Verbrenner-Aus schon ab 2030. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch erklärte am Mittwoch: „Die eskalierende Klimakrise lässt uns nicht die Zeit, noch weitere 13 Jahre Millionen neue Verbrenner-Autos auf Europas Straßen zu spülen, die dann wiederum 15 Jahre oder noch länger auf klimaschädlichen Sprit angewiesen sind.“

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14 Kommentare

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  • Kleinere, leichterer und leistungsärmere Fahrzeuge? Gott bewahre!



    Wen interessiert es überhaupt, dass sogar Wirtschaftsinstitute wie das IW und das DIW über die Verknappung wesentlicher Rohstoffe (Kobalt, Nickel, Kupfer, viele Seltenen Erden etc.) informieren? Dass diese Institute uns darüber in Kenntnis setzen, dass es in den nächsten 10 Jahren zu dramatischen Preissteigerungen durch die steigende Nachfrage, die Suche nach neuen und wirtschaftlich rentablen Lagerstätten und der zwingend erforderlichen, aber noch ungeplanten, zusätzlichen Recycling-Industrie kommen wird? Und ob überhaupt neue Lagerstätten gefunden werden ist natürlich noch unklar. Da träumen wir wir doch lieber zusätzlich von Biokraftstoffen, deren Biomasse so schnell wächst wie Autos fahren und Flugzeuge fliegen.



    Mir scheint, dass selbst bei den Klimaschützer:innen niemand mehr in Zusammenhängen denkt. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, dass sie sich korrigieren und nicht weiter an den Illusionen der Industrie- und Wachstumslobbyisten mit basteln, die im Irrealis des "Wenn wir erst mal genügend erneuerbare Energie für alle unsere schönen Wohlstands- und grüne Wachstumsvorstellungen haben, dann ist unendliches grünes Wachstum auf dem blauen Planeten möglich." stehen. Bis dahin glauben wir weiter, wie in der Vergangenheit schon, an die Verheißungen der "Verkehrs-, Zeiten-, Mobilitätswende", den Vorrang des ÖPNV, die Verlagerung von Gütern auf die Schiene, die Rechtstreue der Autokonzerne, den technologischen Fortschritt und der Aussage, dass ein bisschen Schwanger möglich ist.

  • Ich finde es wird Zeit mal die große Leitlinie auszurufen.

    Denn das Ziel ist so groß wie es einfach ist...und besteht schlicht darin den gesamten Energiebedarf (also alles wad derzeit sowohl aus Strom wie Gas, Benzin, usw. kommt) auf regenerative Weise zu erzeugen.

    Den so erzeugten Strom können wir dann direkt verbrauchen und alle sonstigen Energieprodukte und Ausgangsrohstoffe (also auch Flüssigenergie für den Verkehrssektor und chemische Ausgangstoffe zur Produktion) lassen sich daraus durch Umwandlungsverfahren herstellen.

    Die dafür nötige Strommenge ist also die grundlegende Zielmarke.

    Technisch gesehen ist das zwar ein Kraftakt, aber alles was wir dafür brauchen (know how und Ressourcen) steht uns bereits jetzt zur Verfügung.

    Allein die konsequente Nutzung von Dächern für Solarenergie plus schwimmender "Energieinseln" (künstliche Inseln mit tausenden von Windrädern), könnten den gesamten Energiebedarf decken..

    Von daher ist es eigentlich sehr einfach: stellen wir dieses Ziel in den Mitte der gesamten politischen und industriellen Bestrebungen und schließen alle Folgeprozesse daran an, so ist vollkommen klar wo die Reise hingehen muß.

    Ich begrüße daher auch die Leitlinien der Bundesregierung und dabei insbesondere die Initiativen von Hr. Habeck (der mit dem sog "Osterpaket vorgelegt hat), die schon mal in die richtige Richtung gehen.

    Aber ich halte es darüber hinaus für politisch sinnvoll, das große Ziel noch deutlicher zu kommunizieren, damit alle, auch gesellschaftlichen Kräfte, dahin gehend gebündelt werden können.

    Und so ganz nebenbei: wenn D-Land hier als großes Industrieland voraus geht, sorgt das nicht nur für eine beschleunigte Decarbonisierung, sondern verschafft uns auch einen Vorsprung auf den Weltmärkten..

    Und solche Nebensächlichkeiten, wie etwa den Aufbau einer Ladeinfrastruktur, etc. werden wir dann ja wohl auch noch hinkriegen im Land der Ingenieure...

    • @Wunderwelt:

      Klingt gut, ihr Gedanke der Leitlinie!

      Ich glaube auch dass derzeit noch ungelöste technische Probleme "knackbar" sind - dass traue ich uns Menschen zu.

  • Keiner spricht darüber, dass auch die E-Auto Produktion an anderen Stellen des Globus Riesensauereien verursacht und keineswegs "sauber" ist, ganz zu schweigen von Raubbau und niedersten miserabel entlohnten Jobs in armen Ländern. Wirklich effizient wäre nur ein Rückbau der Mobilität - aber davon spricht auch kein Grüner. An den eigenen Gewohnheiten zu rütteln kommt für niemanden in Frage.

  • Bei uns im (Miet) Wohnblock gibt es 48 Mietparteien. 5 Garagen und cirka zwei dutzend Autos.



    Meine Anfrage an den Vermieter zwecks Ladestation wurde dahingehend beantwortet, keine Garage, keine Ladestation.



    In der City unserer kleinen Stadt gibt es Wohnblöcke mit 150 Wohnungen, 10 Garagen, 150 Autos und keiner Ladestation.



    In Großstädten gibt es keine Parkplätze mehr. Dafür aber immer mehr Autos.



    Wo der Strom für Schnellladestationen herkommen soll, testet gerade herr Lindner.



    Alles in allem, Schuss in den Ofen, der Individualverkehr in Zukunft.

  • Atomausstieg- war zu früh



    Verbrenner - ist zu früh



    Kohleausstieg - frühestens 2525



    Glyphosat - geht gar nicht



    Veggie Day - Niemals!

    Nur für die Rettung unserer Zivilisation und eine halbwegs geordnete Transformation in die Nullemissions und No Growth Gesellschaft ist es so gut wie zu spät.

  • "In weiten Teilen Europas gebe es „keine ausreichende Ladeinfrastruktur“ für Elektroautos"

    Tja...an welcher Partei liegt das nur (in Deutschland)...

    Offenbar kann ein CDU-Gehirn nicht weiter als bis zur nächsten Wahl denken.



    Man kann solche Ladestationen nämlich in relativ kurzer Zeit installieren. Privat und öffentlich.

  • Ich würde mir gern ein Elektroauto kaufen. Aber leider habe ich Wohnungen in Deutschland und Rumänien und werde es in den nächsten 20 Jahren nicht wagen, den Weg mit einem E-Auto zurückzulegen. Versuchen Sie mal, das zu planen! Unterschiedliche Anschlüsse, Bezahlsysteme noch und nöcher, etc.

  • Großartiger "Erfolg".



    Man rechne kurz die Stromverbräuche irgendeines E-Autos mit einem durchschnittlichen Kraftwerkwirkungsgrad in Primärenergie um (dabei bitte die Rückwirkung auf den Strommix nicht "vergessen"). Ergebnis: E-Autos sind um kein Haar effizienter als Verbrenner. Der CO2-Ausstoß wird lediglich von der Straße in die Lausitz verschoben.



    Droht der Kohleausstieg, dann sind mehrere Szenarien möglich:



    a) Die E-Autos bleiben einfach stehen (worüber einige Foristen hier wahrscheinlich jubeln würden).



    b) Die E-Autos werden mit rückverstromtem "grünem" Wasserstoff betrieben (und/oder rückverstromten E-Fuels...), weil's ohne Zwischenspeicher nicht geht. Mögliche Auswirkungen auf den Strompreis kann sich jeder selbst ausdenken.



    c) Vielleicht gibt's dann ja ausreichend Atomstrom, z.B. aus der Ukraine.



    d) Der Kohleausstieg findet nicht statt.

    • @sollndas:

      E Autos sind beim heurigen Strommix schon sauberer als Verbrenner!

      www.golem.de/news/...s-2112-162057.html

      Dazu kommt, dass in 13 Jahren der Strommix hoffentlich deutlich grüner sein wird. Somit wird sich die Bilanz nur noch verbessern. Insgesamt sollte sich die Zahl der Autos natürlich auch noch reduzierten, um einen größeren Effekt zu haben, aber was sie hier behaupten ist schlichtweg falsch.

      • @esgibtnureinengott:

        "E Autos sind beim heurigen Strommix schon sauberer als Verbrenner!"



        Was ein weit verbreiteter Irrtum ist.



        Ich hatte oben glaube ich ausdrücklich gebeten: "dabei bitte die Rückwirkung auf den Strommix nicht "vergessen"".



        Eben dieses tun Sie. Jeder zusätzliche Stromverbraucher verschlechtert den Strommix. Wenn Sie ihr E-Auto an die Nabelschnur hängen, scheint die Sonne nicht heller, und auch der Wind weht nicht stärker. Was passiert, ist, dass irgendwo eine Schippe Kohle mehr aufgelegt wird, um den Strom für Ihr Auto zu produzieren. Siehe hierzu auch:



        www.focus.de/auto/...t_id_11622440.html

  • Es ist eher zu spät als zu früh für solche Zielsetzungen. Immerhin: wenig ist besser als nichts. Der Schritt ist wichtig und symbolstark, da kann noch mehr raus entstehen. Eine Frau Müller macht such jedenfalls lächerlich! Aus einer Sicht ist es einfach schamlos, wenn man sein Geld damit verdient, dass man allgemeine Verbesserungen aufhält. 13 Jahre Vorlaufzeit und dann gilt das ja nur für Neuwagen. Da hat man noch mal reichlich Puffer. Aber wir werden schon sehen: sobald es attraktive Ausschreibungen gibt, werden sich die Bedenkenträger darum prügeln die Ladestationen bauen und entsprechende Netze betreiben zu dürfen. Und die Automobilindustrie hat sich auch längst umorientiert. Man versucht jetzt nur noch irgendwelche Vergünstigungen herauszuholen.

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Erstaunlich wie lange solche komplett offensichtlichen Entwicklungen durch Lobbyismus und Einzelinteressen aufgehalten werden können.

    Jetzt kann sich die Politik hoffentlich um die Rahmenbedingungen kümmern.

  • Würde auch 2025 ohne Probleme umsetzbar sein. Hört man auf die Lobby der Industrie ist jeder Zeitpunkt zu früh.