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Geschlechtsspezifische KosmetikMoschusfahne und Maracujaduft

Männer riechen nach Kräutern oder Moos, Frauen nach Blumen. Beauty-Marketing arbeitet mit Stereotypen und reproduziert binäre Geschlechterklischees.

Unsere Nase verrät uns mehr, als uns bewusst ist – auch, ob wir jemanden „gut riechen können“ Foto: Julien Chatelin/laif

Wer die Regale einer Drogerie auf der Suche nach Deodorant oder Duschgel durchstreift, wird von Düften und Farben überhäuft. Bei der Entscheidung helfen Erwartungen und Klischees: Weiblich gelesene Personen bewegen sich häufig in Richtung Maracuja, Granatapfel oder Vanille, während männlich gelesene Personen offenbar nach Energy, Active oder Sport duften sollen. Obwohl letztere Beispiele im Grunde keine Duftrichtungen sind, haben wir beim Gedanken an Kosmetikprodukte „for men“ sofort einen Geruch in der Nase: vermeintlich kernig, meist unerträglich herb.

Nicht nur duftet es aus den Herrenregalen anders, es sieht dort auch anders aus: In der Damenabteilung überwiegen helle Farben, viel Rosa, Blumen und Tiere, bei den Männern dominieren Blau und Schwarz, geometrische Muster sowie Wassertropfen. Was als Männerduft vermarktet wird, soll Aktivität und Tatendrang ausstrahlen, bei den Frauenprodukten werden Schönheit und Sanftheit signalisiert – schön wie eine Blume, süß wie die Mango, gut für die Seele.

Ein Beispiel: Eine Feuchtigkeitsmaske desselben Unternehmens spricht Frauen mit den Worten „be sweet“ und dem Bild eines Lämmchens mit Blumenschmuck auf dem Kopf an, während die Männern angedachte Version „den Frischekick“ vor dem Bild eines Superhelden verspricht.

Herrendüfte sind im Regelfall an Kräutern, Zitrusduft oder Holz und Moos orientiert, Damendüfte an Blüten oder Früchten. Doch woran machen sich diese vermeintlichen Vorlieben fest? Was entscheidet darüber, wie wir selbst riechen möchten und wie unser Gegenüber riechen soll? Zunächst einmal gibt es zu Körpergerüchen allerhand Forschung.

Weit weg von natürlichen Gerüchen

Man liest, Personen eines Geschlechts würden Personen des anderen Geschlechts bevorzugen, die gänzlich anders als sie selbst riechen – so würde die Natur für einen gut durchmischten Genpool sorgen. Auch hätten die Signale, die unser Körper per Duft aussendet, ganz realweltliche Auswirkungen: Stripteasetänzerinnen bekamen laut einer Studie an ihren fruchtbaren Tagen doppelt so viel Trinkgeld, was den Forschenden zufolge auch an einem Fruchtbarkeit ausstrahlenden Körpergeruch liegen könnte.

Unsere Nase verrät uns also durchaus mehr, als uns bewusst ist – auch, ob wir jemanden „gut riechen können“. Doch die Düfte des Beauty-Marketings sind von unseren natürlichen Körpergerüchen meilenweit entfernt. Davon zeugt schon die Tatsache, dass der Schweiß von Frauen aufgrund der schwefelhaltigen Verbindungen häufiger als der von Männern einen zwiebelartigen Geruch hat – Zwiebel statt Mango?

Statt biologischer Faktoren kommt es im Beauty-Marketing eher darauf an, wie die Gesellschaft auf Geschlecht blickt. Zwar gibt es auch spezifisch als Unisex-Produkte konzipierte Düfte, Cremes und Lotionen, die verschiedene Geruchssegmente, allerdings weniger dominant vereinen.

Doch abgesehen davon teilt sich die Kosmetikwelt in ein auf Frauen und ein auf Männer zugeschnittenes Segment. Frauen werden dabei seit jeher als das zarte, romantische Geschlecht gezeichnet. Sie sollen schön, Männer hingegen attraktiv und stark wirken.

Geruchsvorlieben bilden sich erst

Dabei, wie wir solche Stereotype in uns aufnehmen, spielt Konditionierung eine große Rolle. Denn unsere Geruchsvorlieben bilden sich erst im Verlauf unseres Lebens weiter aus – ein Neugeborenes hat zwar einen sehr ausgeprägten Geruchssinn, aber noch kaum bevorzugte Düfte.

Verknüpfen wir einen Duft, oft über Jahre hinweg, mit bestimmten Personen oder mit negativen beziehungsweise positiven Erfahrungen, formt sich so unsere Geruchswahrnehmung. Riechen die Männer in unserem Leben also schon immer kernig, die Frauen blumig, verknüpfen wir die Gerüche entsprechend.

Solche Verknüpfungen macht sich nicht bloß die Kosmetikbranche zunutze. Beim sogenannten Duft-Marketing geht es darum, die Emotion der Kundschaft – und damit auch ihr Kaufverhalten – zu beeinflussen. Beim Aufenthalt in einem Geschäft nehmen wir Gerüche ganz beiläufig wahr und verbinden damit unter Umständen gewisse – gewollte – Emotionen.

Coca-Cola soll in den USA laut Marketingberichten eine Umsatzsteigerung erzielt haben, indem an Verkaufsorten der Marke der Duft einer in den 1990er Jahren besonders beliebten Sonnencreme verströmt wurde: die anvisierte Zielgruppe der Mütter war in dieser Zeit aufgewachsen und verband mit dem bekannten Cremegeruch Freizeitaktivitäten, Urlaub und damit auch Coca-Cola. Diese positiven Emotionen machte sich der Konzern zunutze. Auch Hotels und Kleidungsmarken setzen auf Signaturdüfte, die ein bestimmtes Image vermitteln und Kundschaft binden sollen.

Eher indviduell als kulturell geprägt

Uneinig ist sich die Wissenschaft darüber, inwiefern Gerüche auch kulturell geprägt sind. In der Vergangenheit hatten Studien einen kulturellen Zusammenhang erkannt: Sie kamen etwa zu dem Ergebnis, dass japanische Teilnehmende ihnen bekannte Gerüche wie gerösteten Tee oder getrockneten Fisch positiver einstuften als deutsche Teilnehmende – diese wiederum waren scheinbar begeisterte Kirchgänger:innen, bewerteten sie doch beispielsweise Weihrauch als angenehmen Geruch.

Eine aktuelle Studie aus Schweden kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Geruchswahrnehmung viel stärker von individuellen Vorlieben als von kultureller Prägung bestimmt ist. Einige Gerüche wurden auch kulturübergreifend mehrheitlich als positiv oder negativ wahrgenommen: Vanillegeruch ist anscheinend weltweit beliebt, Fußschweiß hingegen weniger, wen wundert’s.

Duft nehmen wir individualisiert und verknüpft mit spezifischen Erinnerungen wahr

Was nach allen biologischen und konditionierten Einflussfaktoren am Ende stehen bleibt, sind zwei Feststellungen. Erstens: Geruchsvorlieben sind individuell. Und zweitens: Marketing arbeitet mit Klischees. Wie es scheint, drehen wir uns mit der Industrie im Kreis: Diese setzt auf altbewährt-geschlechterspezifische Gerüche, und deren fortwährende Reproduktion lässt sie wiederum für uns nach Mann oder Frau riechen.

Dabei ergibt eine solche Klassifizierung keinen Sinn, wo wir Duft und Gestank doch individualisiert und verknüpft mit unseren spezifischen Erinnerungen wahrnehmen. Der Markt bietet bereits eine Auswahl an geschlechtsunabhängigen Beauty- und Pflegeprodukten. Diese sollen allerdings vermeintlich neutral riechen – bloß nicht zu männlich oder zu weiblich.

Und so wird der maracujaduftende Mann weiterhin genauso schräg angeschaut wie die Frau mit Moschusfahne – und auch, wer sich nicht im binären Geschlechterschema wiederfindet, muss gefühlt entscheiden.

Ein Vorschlag: Wie wäre es, Produkte einfach nach Geruch zu kategorisieren. Duschbad „Cherry Blossom“ dürfte dann auch in blauer Verpackung und Shampoo „Herbal Energy“ mit Blumenranke in Pastell daherkommen. Solange die Kosmetikabteilung aber noch in Farben und Klischees unterteilt ist, bleibt bloß der Ratschlag: Riecht doch, wie ihr wollt!

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6 Kommentare

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  • Als Verfasser einer kleinen Schrift über "Wohlgerüche in der islamischen Literatur" stimme ich der Verfasserin darin zu, daß Düfte dass Mittel gesellschaftlicher Codierungen par excellence darstellen, und zwar nicht nur entlang der Achse "Geschlecht", sondern auch der des gesellschaftlichen Status und der sozialen "Flugbahnen".



    Die Kreativität der Parfumeure liegt genau darin, geruchliche Klischees aufzugreifen, um sie den sich verändernden Selbstwahrnehmungen und Bedürfnissen des Wahrgenommenwerdens potentieller Kunden stets aufs neue anzupassen.

    Während sich das Feld sog. "Unisex-Düfte" stets erweitert, meiden Männer weiterhin florale Noten, während Frauen, wie auch sonst in der Mode, sich nicht scheuen, "männlich" konnotierte Kompositionen zu verwenden.

    Moschusnoten allerdings sind im Westen vor allem in Damenparfums zu finden, wo sie den "dunklen" Part exotischer Erotik repräsentieren.

  • Wo ist das Problem? Jeder kaufe, was er wolle. So mache ich das nämlich. Und dass Hormone Einfluss auf das Geruchsempfinden haben, ist ja nun auch nicht schlimm. Ganz im Gegenteil - das sorgt für Fortpflanzung.

  • 1. Niemand wird davon abgehalten ein Parfum "für das andere Geschlecht" zu kaufen oder zu verwenden

    2. Niemand wird gezwungen überhaupt ein Parfum zu verwenden

    3. Es wird eben produziert was sich verkauft.

    4. Warum lese und kommentiere ich diesen Artikel? Ich weiß es selber nicht.

  • Die Verbreitung und Aufrechterhaltung von Geschlechtssterotypien ist nach wie vor tiefgreifend in der Gesamtgesellschaft und in der Mehrheit der einzelnen Personen enthalten. Das sehen wir auch bei den eigentlich gesellschaftskritisch orientierten Mitgliedern unserer Kennenlernplattform:

    Spätestens mit der Körpergröße hört die Überwindung von Geschlechtersterotypien auf. So wollen z.B. fast alle Frauen wollen keinen wesentlich kleineren Mann, einen größeren aber sehr wohl.

    Nach wie sind auch Erstnachrichten-Raten von Männern höher als von Frauen - sprich das Klischee, dass Männer erobern und Frauen sich erobern lassen, ist weiterhin sehr lebendig.

    Die Liste ließe sich fortsetzen. Was dagegen tun? Die Auswahlmöglichkeiten abschaffen, womöglich wäre das durchaus der richtige Weg.

    Es ist jedenfalls nicht nur die Parfüm-Industrie, die Geschlechter-Stereotypien verbreitet, es ist die gesamte Gesellschaft und alle Einzelnen - ob als Privatpersonen oder Unternehmen.

    Wir alle sind allerseits daran beteiligt, zum großen Teil völlig unsinnige Geschlechter-Rollenerwartungen weiter zu praktizieren und dadurch zu verstärken.

  • Ich finde den Artikel interessant, und snobbe seit Jahren die synthetische Parfüm-Industrie. Mit Eigenkompositionen aus natürlichen ätherischen Ölen: das duftet wie ein blühender Orangenbaum im Kornfeld. Viel Spass beim mixen...

  • Meine Güte, es wird doch keinem Mann verboten sich ein Damenparfüm zu kaufen und wenn eine Frau unbedingt nach Moschus stinken möchte, warum nicht.



    Man kann aber auch aus allem eine "Geschichte" machen.