ExpertInnenrat zu Long Covid: Es fehlt Forschung und Aufklärung

Long Covid könnte die Gesellschaft langfristig belasten. Der Gesundheitspolitiker der Grünen sieht die Regierung aber auf einem guten Weg.

Eine Frau fühlt den Puls bei einer Patientin auf einem Sportgerät

Long-Covid-Patientin in einer Reha-Klinik Foto: Andreas Teichmann

BERLIN taz | Während die Zahl der Corona-Infizierten weiter sinkt, widmet sich der ExpertInnenrat der Bundesregierung zu Covid-19 in seiner neuesten Stellungnahme denen, die zwar als genesen gelten, aber auch nach der Infektion mit den Folgen kämpfen. Melanie Brinkhaus, Mitglied des Rats, schrieb auf Twitter, Long oder Post Covid sei ein komplexes Thema, welches sie und ihre KollegInnen auf etwas mehr als drei Seiten zusammengefasst haben.

Über den Bericht hinaus fordert der Rat darin unter anderem mehr Aufklärung für die Bevölkerung und „für alle AkteurInnen im Gesundheitswesen“. Denn auch Ärz­t*in­nen wissen bisher wenig über Long Covid: Die Forschung ist noch übersichtlich. Bislang fehlten „wirksame ursächliche Therapieansätze“ gegen Long Covid. Impfungen reduzieren nach aktueller Studienlage zwar das Risiko, langfristige Symptome zu entwickeln. Aber auch sie schützen nicht hundertprozentig und es gibt einzelne Berichte von Fällen, in denen Menschen nach der Impfung ähnliche Symptome zeigten.

Was unter Long Covid zählt, ist bisher nicht einstimmig definiert. Studien gehen von bis zu 200 Symptomen aus, die nach einer Infektion mit Covid-19 für mehr als vier Wochen anhalten und nicht durch wahrscheinlichere Diagnosen erklärbar sind. Darunter zählen unerklärliche Muskelschmerzen, Darmprobleme, kognitive Probleme oder Haarausfall. Sehr verbreitet ist auch das Erschöpfungssyndrom Fatigue, das es Betroffenen teils unmöglich macht, alltägliche Aufgaben zu erledigen. Ein großes Problem bei der Diagnose ist, die Erkrankung lässt sich bisher „nicht immer eindeutig organisch“ fassen, wie es in der 9. Stellungnahme des ExpertInnenrats steht.

Die 19 ExpertInnen plädieren dafür, die klinische Forschung stärker zu fördern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt laut einem Bericht eines Betroffenenvereins von vergangener Woche bisher 5 Millionen Euro bereit, um klinische Therapien von Long Covid und der symptomatisch teils ähnlichen Erkrankung des chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS) zu fördern.

Versorgungsangebot nicht ausreichend

Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, ist dem ExpertInnenrat dankbar, dass er Long Covid in den Fokus rückt. Während der Pandemie seien die langfristigen Folgen einer Infektion aus dem Blick geraten. „Gerade deswegen geht die Koalition jetzt dringend notwendige Schritte an“, sagt Dahmen. Gemeinsam mit den Ländern entstünden Long-Covid-Ambulanzen, Aufklärung und Kommunikation würden verbessert sowie umfassende Forschungsförderung auf den Weg gebracht.

Das scheint auch nötig, denn laut dem ExpertInnenrat der Bundesregierung, „ist das derzeitige Versorgungsangebot jedoch bei Weitem nicht ausreichend“ für die steigende Zahl der Patient*innen. Es zeichnet sich ab, dass Long Covid für die deutsche Gesellschaft und das Gesundheitswesen noch eine umfassende Herausforderung darstellen wird.

Auch Dahmen spricht von einer besorgniserregenden Entwicklung: „Die Symptome von Long Covid gehen oft nicht nach wenigen Monaten einfach weg, sondern erfordern langfristige, umfassende Behandlungsmaßnahmen. Manche leiden auch noch nach mehr als einem Jahr an gravierenden Symptomen.“ Bisher sei nur die Spitze des Eisbergs zu erkennen.

Gegenüber der taz beschwerten sich viele Long-Covid-Betroffene, Ärz­t*in­nen nähmen sie nicht ernst und würden keine oder gar kontraproduktive Behandlungen empfehlen. „Das ist leider ein wiederkehrendes Phänomen bei neuen Erkrankungen“, erklärt Janosch Dahmen. Es brauche Zeit, bis sich Therapieangebote flächendeckend etablieren. Auch wenn es so ist: Bis dahin bedeutet das noch viel Frust für die an Long Covid Erkrankten.

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