Erneute Kämpfe in Libyen: Kampf der zwei Premierminister

In Libyen konkurrieren zwei Premiers: der ostlibysche Bashaga und der in Tripolis sitzende Dbaiba. Bashaga versucht, die Stadt zu erobern.

Auf einer Straße fährt ein Militärfahrzeug, ein Mann im Tarnanzug winkt ihm

Mit Dbaiba verbündete Milizen patrouillieren die Straßen Tripolis' Foto: Yousef Murad/ap

HAMBURG/TUNIS taz | Bei dem Versuch des ostlibyschen Premierministers Fathi Bashaga, die Amtsgeschäfte in Libyens Hauptstadt Tripolis zu übernehmen, ist es am Montagabend und am Dienstag dort wieder zu Gefechten gekommen. Als Bashagas Wagenkolonne in Tajoura, einem östlichen Vorort von Tripolis, eintraf, nahmen die bewaffneten Milizen, die die Stadt seit Langem regieren, Bashaga und die mit ihm verbündete und in Tripolis ansässige Nawassi-Brigade unter Artilleriefeuer.

Bashaga wurde im Januar unter dubiosen Umständen vom in Ostlibyen tagenden Parlament gewählt. Bei seinem ersten Versuch nach Tripolis zu gelangen, floh er nach Warnschüssen der Hauptstadtmilizen.

Die meisten bewaffneten Gruppen in Tripolis unterstützen den dort regierenden, westlibyschen Premier Abdulhamid Dbaiba. Der Millionär und Geschäftsmann stammt wie sein Konkurrent Bashaga aus der Hafenstadt Misrata, und gilt als Alliierter des Westens und der Türkei.

Bashaga ist mit Russland

Dabaiba war im Januar letzten Jahres von einer Gruppe aus 75 Delegierten, die von den Vereinten Nationen ausgewählt worden waren, für ein Jahr zum Übergangspremier gewählt worden. Eigentlich sollte der 63-Jährige nur die für Dezember angesetzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vorbereiten und dann abtreten. Nachdem die Wahlen abgeblasen wurden, blieb der in Westlibyen beliebte Dbaiba einfach im Amt, die Waffenruhe zwischen Ost- und Westlibyen bestand dank eines türkisch-russischen Stillhalteabkommens weiter.

Denn Bashaga ist mit dem Warlord und selbsternannten Feldmarschall Chalifa Haftar alliiert, der wiederum mit Moskau verbunden ist. Eine Machtübernahme in Tripolis würde dem Kreml mehr Macht in Libyen verschaffen. Die russische, Kreml-nahe Privatmilitärgruppe Wagner unterstützt Haftar mit modernen Kampfjets und lasergestützter Artillerie.

Von einem Machtwechsel in Tripolis würde auch der Kreml profitieren

Haftar hatte im April 2019 erfolglos versucht, Tripolis einzunehmen. An seiner Seite kämpften damals Hunderte Wagner-Söldner, die sich erst zurückzogen, als die libysche Regierungsarmee dank türkischer Bayraktar-Drohnen die Oberhand gewann.

Dieses Ziel wollte er daraufhin politisch erreichen. Dabei hilft ihm der ehemalige Innenminister Bashaga – im ersten libyschen Bürgerkrieg kritisierte er zwar Haftar, trat aber auch den ihm verfeindeten Milizen in Tripolis entgegen: Mit deren Integrierung in die Regierungsarmee wollte er die Macht der als Kriegshelden gefeierten Milizenführer begrenzen. Doch diese – die wahren Machthaber in Libyen – zwangen ihn zur Aufgabe.

Zusammen mit Haftar, Muammar Gaddafis Sohn Saif al-Islam und anderen umstrittenen Politprominenten bewarb Bashaga sich um das Präsidentenamt der geplatzten Wahl. Milizen auf beiden Seiten der zwischen Ost- und Westlibyen verlaufenden Front drohten daraufhin damals mit der Erstürmung der Wahllokale.

Als Gegenleistung für ihre Dienste im Stellvertreterkrieg um Tripolis gingen dank Haftar Öllieferungen und üppige Zahlungen an Wagner, türkische Firmen wurden dagegen von Dbaiba und seinem Vorgänger mit Hunderten Aufträgen für den Wiederaufbau des Landes bedacht.

Auch Ägypten unterstützt Haftar und Bashaga

Haftars und Bashagas strategische Allianz freut auch Kairo: Die ägyptische Regierung unterstützt die geplante Machtübernahme der beiden in Tripolis, da sie – so wie Ägypten – mit der Muslimbruderschaft verfeindet sind.

Die libysche Zivilgesellschaft ist zurückhaltend, die Sorge vor einem erneuten Krieg wächst. Am Dienstag stiegen sogar Kampfflugzeuge auf, Kämpfer der zu Bashaga gehörenden Brigade 444 begleiteten seinen Konvoi schließlich aus der Stadt.

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