Weidetierhalter gegen Nabu: Wölfen geht's an den Pelz

Der Wolf soll in Niedersachsen ins Jagdrecht aufgenommen werden. Nun wollen sowohl Wolfsfreunde als auch Weidetierhalter Flagge zeigen.

Julia Klöckner kniet neben drei Schafen

Ist das Lachen oder schon Zähne fletschen? Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) Foto: Soeren Stache/dpa

GÖTTINGEN taz | Ein politisches Zeichen hatte der der Agrarausschuss des niedersächsischen Landtags bereits am Mittwoch gesetzt, als er die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht beschloss. Nun muss der Antrag der rot-schwarzen Landesregierung noch in die begleitenden Ausschüsse und dann ins Plenum. An dem bestehenden, strengen Schutzstatus für Wölfe ändert das zunächst nichts.

In Niedersachsen geht derweil der Streit um den Umgang mit Wölfen in eine neue Runde. An diesem Wochenende wollen die Kontrahenten öffentlich für ihre jeweiligen Anliegen werben. Während der wolfsfreundliche Naturschutzbund (Nabu) zum „Tag des Wolfes“ am 30. April Aktionen und Exkursionen ankündigt, planen Weidetierhalter bereits am heutigen Freitag publikumswirksame Proteste gegen die Ausbreitung der Wölfe.

Vielerorts, so auch in Hannover und Uelzen, wollen sie mit ihren Tieren durch die Innenstädte ziehen. In der Landeshauptstadt sollen Schafe, Ziegen und Pferde von 11 bis 13 Uhr vor dem Landtag in Hannover „stellvertretend für ihre vielen Artgenossen die Weide mit dem Asphalt tauschen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen“, sagt der Vorsitzende des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, Wendelin Schmücker. „Die ungebremste Ausbreitung der Wölfe und die Untätigkeit der Bundespolitik fordern immer mehr Opfer.“

Viele Weidetierhalter gäben auf, weil sämtliche Herdenschutzmaßnahmen nicht nur versagten, sondern die ständig steigenden Anforderungen an die Tierhalter nicht mehr zu stemmen seien. Schmücker zufolge weist Deutschland mittlerweile die weltweit dichteste Wolfspopulation auf.

Gefährdung von Menschen?

Dies führe nicht nur zur Bedrohung und Tötung der Weidetiere, sondern auch zu einer Gefährdung von Menschen: „Das beweisen die ständig steigenden Risszahlen und auch die zunehmenden Sichtungen in den Dörfern und Städten: Spaziergänger, Jogger und Erholungsuchende werden von Wölfen verfolgt. Wer dies als Panikmache abtut, handelt verantwortungslos.“

Schmücker, der im Kreis Harburg selbst Schafe züchtet, gilt seit Langem als extremer Gegner wild lebender Wölfe und fordert ihre konsequente Bejagung. Erst am Mittwoch berichtete er über einen Wolfsangriff auf eine seiner Herden in Tönnhausen mit sieben getöteten und 18 verletzten Schafen.

In Hannover und Uelzen wollen Weidetierhalter mit ihren Tieren durch die Innenstädte ziehen

Einen Tag nach der von Schmücker und seinen Mitstreitern so genannten „Kundgebung der Tiere“ will der Nabu zeigen, wie aus seiner Sicht Wölfe, Weidetiere und Menschen auskömmlich zusammenleben könnten. Nabu-Landeschef Holger Buschmann sagt, „dass der Fokus weiter auf Herdenschutz gelegt werden muss“. Nutztierrisse gingen in Regionen mit Herdenschutz nachweislich zurück.

Darüber hinaus zeige eine Feldstudie des Nabu-Projektes Herdenschutz Niedersachsen, dass dauerhaft installierte wolfsabweisende Zäune für kleine Säugetiere wie Feldhasen und Rehe durchlässig seien. Wolf und Wildschwein querten diese Art von Zaun jedoch nicht. „Für das Wolfsmanagement ist relevant, dass Weidetierhalterinnen und -halter finanziell und materiell unterstützt werden, eine Bejagung von Wölfen stellt keine Lösung dar“, meint Buschmann.

Tag des Wolfes

Im Internet und auf Flugblättern verbreitet der Nabu zugleich „Die Wahrheit über Rotkäppchen und den bösen Wolf“. Anders als in dem berühmten Märchen erzählt, gehe von Wölfen deutlich weniger Gefahr aus als beispielsweise von Wildschweinen. Auch mehr als 20 Jahre nach Wiederbesiedlung gebe es in Deutschland keine Wolfsangriffe auf Menschen. Dagegen seien jedes Jahr rund 20 Tote durch Wild, vor allem durch Wildschweine, zu beklagen.

Zum Tag des Wolfes hat der Nabu auch eine aktuelle interaktive Karte über Wolfsvorkommen in Europa veröffentlicht. Aufkleber im Postkartenformat mit dem Portrait eines heimischen, frei lebenden Wolfes sind ebenfalls zu haben.

In Scheeßel im Kreis Rotenburg/Wümme können Interessierte auf Einladung des Nabu am „Tag des Wolfs“ ein Herdenschutzprojekt besichtigen. Die Schäferei Wümmeniederung betreibt dort Landschafts- und Biotop­pflege mit vom Aussterben bedrohten Schaf- und Ziegenrassen. Gleichzeitig ist der Betrieb Zucht- und Ausbildungsstätte für Herdenschutzhunde.

Ungeachtet allen Streits bleibt die Zahl der in Niedersachsen in freier Wildbahn lebenden Wölfe stabil. Wie die Landesjägerschaft am gestrigen Donnerstag mitteilte, wurden im ersten Quartal dieses Jahres 44 Wolfsterritorien in dem Bundesland bestätigt: 38 Wolfsrudel, 2 Wolfspaare und 4 residente Einzelwölfe. Dies entspricht exakt den Zahlen aus dem vierten Quartal 2021.

Zugleich wurden in Niedersachsen 19 Wölfe tot aufgefunden. Die meisten von ihnen starben durch Verkehrsunfälle. Zwei Wölfe wurden mit Genehmigung des niedersächsischen Umweltministeriums erschossen.

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