Wahlen in Kolumbien: Klatsche für die Rechte

Kolumbien auf Veränderungskurs: Bei den Kongress- und Vorwahlen für die Präsidentschaft ist der Linke Gustavo Petro der große Gewinner.

Portrait von Gustavo Petro.

Überstrahlte alle bei der Wahl: der Linke Gustavo Petro Foto: Jose Ayma/imago

BERLIN taz | Der Pacto Histórico (Historischer Pakt) gehört im Senat jetzt zu den stärksten Parteien, im Repräsentantenhaus zu den beiden zweitstärksten. Insgesamt haben Oppositionsparteien stark zugenommen und die Regierungspartei Centro Democrático von Präsident Iván Duque musste eine Klatsche einstecken. Kolumbiens Expräsident und Senator Álvaro Uribe, einer der mächtigsten Männer im Land und von derselben Partei, ist nicht wieder angetreten. Erstmals waren mehrere Sitze – wie im Friedensabkommen vorgesehen – für Opfer des bewaffneten Konflikts reserviert. Doch einige KandidatInnen hatten ihre Kandidatur aus Angst um ihr Leben vorab zurückgezogen. Die Sicherheitslage in den Regionen hat sich massiv verschlechtert.

Gustavo Petro

„Wir werden schon in erster Runde gewinnen.“

Gleichzeitig mit den Abgeordneten bestimmten die KolumbianerInnen am Sonntag in Vorwahlen die KandidatInnen der großen Parteibünd­nisse für die Präsidentschaftswahl am 29. Mai. In Kolumbien gibt es keine Fünfprozenthürde, ­weshalb das Parlament sehr kleinteilig ist. Die KandidatInnen der Bündnisse Pacto Histórico, Centro Esperanza (Zentrum Hoffnung) und Equipo por Colombia (Team für Kolumbien) haben daher die größten Chancen auf Erfolg.

Kandidat Gustavo Petro hat mit knapp 4,5 Millionen Stimmen mit Abstand die meisten abgeräumt – und geht jetzt offiziell am 29. Mai für Pacto Histórico ins Rennen. Der Politiker wird in der ausländischen Berichterstattung oft als „Ex-Guerillero“ tituliert. Unterschlagen wird dabei gern, dass sich das ehemalige Mitglied der M-19 vor mehr als 30 Jahren demobilisierte. Er ist derzeit Senator, war bereits zweimal Präsidentschaftskandidat und führte in seiner Zeit als Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá wichtige Neuerungen ein.

Die Überraschung des Tages war aber das Abschneiden von Francia Márquez Mina. Sie ist die erste afrokolumbianische Präsidentschaftskandidatin und trat wie Petro für Pacto Histórico an. Die 39-jährige Anwältin, Feministin und Aktivistin für Menschenrechte und Umweltschutz stammt aus der Konfliktregion Cauca und wurde wegen ihres Engagements für die Umwelt mit dem international renommierten Goldman-Preis ausgezeichnet. Sie überlebte mehrere Attentate. Márquez hat eine bodenständige und konkrete Sprache in den Wahlkampf gebracht und gibt den Bevölkerungsgruppen eine Stimme, die im politischen Establishment bisher kaum eine haben – Frauen, Afros, Indigene, Arme. Ohne Ressourcen für einen teuren Wahlkampf erzielte sie am Sonntag 783.000 Stimmen. Das sind 60.000 Stimmen mehr als der Konservative Sergio Fajardo, der jetzt fürs Konkurrenzbündnis Centro Esperanza offiziell bei den Präsidentschaftswahlen antritt.

Cyberattacken und Anschläge am Wahltag

Es bleibt abzuwarten, ob Petro nach diesem Ergebnis wie angekündigt mit Francia Márquez als Vizepräsidentin antritt. Sein größter Konkurrent ist Medellíns ehemaliger Bürgermeister Federico Gutiérrez von Equipo por Colombia. Am Sonntag holte er 2,1 Millionen Stimmen. Außerdem treten noch fünf weitere KandidatInnen im Mai an, darunter die im Ausland bekannte, von der Farc jahrelang entführte Ingrid Betancourt. „Wir werden schon in erster Runde gewinnen“, kündigte Petro am Sonntag an. Tatsächlich stehen die Chancen dafür gut.

Kolumbien ist im Umbruch. In den Monaten vor den Wahlen waren KolumbianerInnen immer wieder auf die Straßen gegangen und hatten gegen die Regierung, die Morde an AktivistInnen und demobilisierten Farc-KämpferInnen sowie soziale Ungerechtigkeit protestiert. Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften teils gewaltsam unterdrückt, mehrere Menschen getötet. Die Wahlen galten als politische Fortführung der Proteste. Die Mobilisierung und Aufklärungsarbeit war groß. Denn um die Stimme abgeben zu können, ist ein kompliziertes Registrierungsverfahren nötig, das teils digital stattfindet – eine Herausforderung für Menschen in abgelegenen oder armen Gegenden.

Die Wahlen am Sonntag wurden allerdings überschattet: Mindestens zwei Soldaten kamen laut Angaben des kolumbianischen Militärs bei Bombenanschlägen ums Leben, zwei weitere wurden verletzt. Die Internetseite der Wahlbehörde Registraduría war außerdem am Sonntag mehrere Stunden lang gestört. Die Behörde sprach von einem Cyberangriff. Laut Wahlbeobachtungsmission MOE verzögerte sich dadurch die Stimmabgabe, die Auszählung fand aber korrekt statt.

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