Amerikaner und der Krieg: „Weckt mich, wenn's vorbei ist“

Viele US-Bürger fragen sich, ob Trumps Unterwürfigkeit oder Bidens Schwäche Putin motivierte. Manche wollen nichts vom Krieg hören.

Wandbild auf dem sich Putin und Trump küssen

Wandbild in Litauen: War Trump zu unterwürfig oder Biden zu schwach? Das fragen sich viele US-Bürger Foto: Mindaugas Kulbis/ap

Ein US-amerikanischer Kolumnist, dessen Analysen zur Ukraine ich gern lese, wies jetzt darauf hin, dass viele Menschen in den USA dieses Land erst seit ein paar Wochen zur Kenntnis nehmen. Es sei ganz einfach, schrieb er nun: Seine Landsleute müssten das Recht eines Volkes – hier: der Ukrainer – unterstützen, sich selbst zu regieren. Ganz einfach. Und ich verstehe auch, warum er darüber nicht hinausgeht.

Auch wenn die Präsidenten Biden und Putin sich verbal attackieren und Militärkonvois durch weit entfernte frostige Gegenden rollen, ziehen manche Amerikaner die Decke über den Kopf und sagen: „Weckt mich, wenn’s vorbei ist.“ Für mich war die Ukraine manchmal nicht eindeutig von Russland unterscheidbar, angesichts einer teilweise gemeinsamen Geschichte, wirtschaftlicher Abhängigkeiten und der dauernden Einmischung Russlands in die Politik und Finanzen des Landes.

Aber manche Leute sehen das ganz anders und sprechen von Entkolonisierung und dem Kampf der Ukraine um Unabhängigkeit. Manche Experten, Journalisten und Politiker aus allen Lagern der USA äußerten sogar leises Misstrauen, was US-Präsident Joe Biden da im Schilde führe. Wollte er nicht doch einfach von all dem ablenken, was er – angeblich oder tatsächlich – nicht auf die Reihe bekommt?

Einerseits behaupten diverse Republikaner, dass Putin sich nur traue, gegen die Ukraine vorzugehen, weil Bidens Schwäche ihm das erlaube. Manche Demokraten sagen hingegen, hier sehe man die Folge Trump’scher Unterwürfigkeit gegenüber dem starken Mann aus Moskau. Einige Republikaner sind sich mit Leuten auf der Linken darin einig, dass Putin durchaus das Recht habe, Russland vor einer vermeintlichen Bedrohung seiner Sicherheit zu bewahren, und deshalb den Konflikt im Osten der Ukraine schüre.

Das geht oft einher mit der Trump’schen Logik, dass hier nicht die USA, sondern Europa und die Nato am Zug seien (als ob die USA in der Nato nur eine Nebenrolle spielten und als ob Putin nicht Europa übergehe und stets mit den USA direkt reden wolle). Es gibt Argumente auch von Demokraten und Linken, man solle sich heraushalten, doch die Ursache – Putins Bedrohung der Stabilität in Europa – wird anders interpretiert.

In den Augen einiger dieser Leute sind wir gerade aus einem Krieg ausgestiegen und sie wollen nicht gleich in einen neuen verwickelt werden. Manche glauben hingegen, Putin und Russland suchen Streit, um ihrem maroden Land neuen Schwung zu verschaffen. Andere glauben hingegen, Putin fühle sich als Opfer und er versuche deshalb, aus der politischen und wirtschaftlichen Instabilität der USA Profit zu ziehen.

Im Gegensatz dazu wird an den Kalten Krieg und der Verpflichtung der USA zur Nato und zu Europa erinnert. Schließlich haben wir einen Präsidenten aus der Ära, in der das Militärbündnis als unantastbar galt, und als sein Gegenüber einen KGB-Veteranen, der die USA und die Nato als Erzfeind sieht.

Im vergangenen Sommer traf ich ukrainische Begleiter Präsident Selenskis in Washington. Sie ersuchten um Militärhilfe, machten aber deutlich, dass die abtrünnigen Gebiete Donezk und Luhansk nicht die einzigen Probleme der Regierung in Kiew seien. Da seien auch die Korruption, die Veränderung ablehnende Bevölkerung und die wirtschaftlichen und ökonomischen Probleme.

Die Ukrainer haben mich beeindruckt: Man muss Mitgefühl haben mit jemand, der sich einer grobschlächtigen und brutalen Denkweise und großem Machtgefühl gegenübersieht. Aber viel Hoffnung kann man nicht haben.

Aus dem Englischen von Stefan Schaaf

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ist freie Journalistin aus ­Washington, D. C. Sie hat mehr als 25 Jahre für das gemein­nützige National Public Radio (NPR) gearbeitet. Ihre Themen­schwer­punkte waren das Weiße Haus und Sozial- und Gesundheitspolitik.

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