Biden telefoniert mit Putin: Diplomatie oder Abschreckung

US-Präsident Biden und der russische Staatschef Putin drohen sich im Ukraine-Konflikt gegenseitig. Forderungen kommen von beiden Seiten.

Joe Biden sitzt am Schriebtisch und telefoniert in seiner privaten Residenz

Biden und Putin führten am Donnerstag ihr zweites Gespräch binnen eines Monats Foto: Adam Schultz/The White House via ap

WASHINGTON taz | Die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland bleiben trotz eines fast einstündigen Telefongesprächs zwischen US-Präsident Joe Biden und Präsident Wladimir Putin weiter angespannt. Und das, obwohl Biden seinem russischen Gegenüber am Donnerstag zwei Optionen zur Entspannung der anhaltenden Krise an der ukrainischen Ostgrenze anbot: Diplomatie oder Abschreckung.

Für welchen dieser beiden Wege sich die USA am Ende entscheiden, hänge ganz von Moskau ab, erklärte ein US-Regierungsmitglied im Anschluss an das Gespräch zwischen den beiden Staatsoberhäuptern. „Sollte sich Russland dazu entscheiden, mit einer Invasion in die Ukraine voranzuschreiten, dann werde dies massive Kosten und Konsequenzen nach sich ziehen,“ sagte der Offizielle.

Damit gemeint sind sowohl wirtschaftliche Kosten als auch ein potenzielle Präsenzstärkung der Nato in ihren östlichen Mitgliedsstaaten und zusätzliche Hilfen für die ukrainische Regierung zu deren Selbstverteidigung.

Konkrete Entscheidungen wurden während des Telefonats allerdings nicht getroffen. Die US-Regierung bezeichnete den Ton des Gesprächs als seriös und inhaltlich gehaltvoll. Das Weiße Haus bestätigte zudem, dass die Initiative für das Gespräch von Moskau ausging.

Weitere diplomatische Gespräche

Biden, der das neue Jahr in seinem Strandhaus in Delaware einläuten wird, verständigte sich mit Putin darauf, dass beide Seite in den kommenden Wochen weitere diplomatische Gespräche führen werden. Diese starten mit einem bilateralen strategischen Stabilitätsdialog am 10. Januar in Genf. Danach folgt der Nato-Russland-Rat am 12. Januar und ein Dialog der Organisation Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 13. Januar.

„Präsident Biden wiederholte, dass es nur im Rahmen von Deeskalation zu bedeutsamen Entwicklungen während der kommenden Gespräche kommen werde,“ sagte die US-Regierungssprecherin Jen Psaki in einer Pressemitteilung.

Ob Russland bereits eine Entscheidung über eine mögliche Invasion der Ukraine getroffen habe, war aus dem Telefongespräch nicht zu erkennen, sagte ein US-Regierungsmitglied. Präsident Biden machte klar, so der Offizielle weiter, dass die USA ohne eine Beratung und Beteiligung von Verbündeten keine Entscheidungen über die Sicherheitslage in Europa treffen werden. Präsident Putin soll sich damit einverstanden gezeigt haben.

Die Nato und der Osten

Die Krise an der russisch-ukrainischen Grenze spitzt sich derweil weiter zu. Noch immer befinden sich Zehntausende von russischen Soldaten in Grenzgebiet. Moskau begründet dies damit, dass der östliche Vormarsch der USA und seinen Nato-Verbündeten eine Bedrohung darstelle. Noch vor den Weihnachtsfeiertagen veröffentlichte Russlands Regierung deshalb eine Liste von Forderungen an die USA, die zur Sicherheit in ganz Europa beitragen sollen. Dazu gehört unter anderem eine Garantie, dass weder Georgien noch die Ukraine jemals der Nato beitreten werden.

„Seit der Auflösung der Sowjetunion haben wir fünf Erweiterungswellen der Nato miterlebt. Bei verschiedensten Veranstaltungen im Nato-Hauptquartier in Brüssel wurde russischen Vertretern seit 2005 erklärt, dass die größte Gefahr für das Bündnis aus südlichen Gebieten wie dem Iran komme. Auf unsere Frage, 'warum die Nato ostwärts, Richtung russische Grenze expandiere?’, haben wir nie eine klare Antwort erhalten“, schrieb der russische US-Botschafter Anatoly Antonov am Donnerstag in Foreign Policy.

Dies und das „schleichende“ Vordringen der Nato in das ukrainische Gebiet stellen eine wachsende Gefahr für Russland dar, so der Botschafter.

Sowohl Biden wie auch Putin bestätigten während ihres Telefonats, dass es durchaus Bereiche gäbe, in denen beide Nationen ihre Beziehungen verbessern könnten. Zugleich gäbe es allerdings auch Bereiche, in denen eine Einigung unmöglich erscheint. Was genau damit gemeint wäre, wurde nicht weiter erläutert.

Eine Garantie darüber, welche Länder in Zukunft der Nato beitreten dürfen und welche nicht, lehnt die US-Regierung jedoch kategorisch ab. Diese Entscheidung liege einzig und alleine bei der Nato und der Regierung des entsprechenden Landes.

Beide Regierungschefs versuchten ihre Belange deutlich zum Ausdruck zu bringen. Laut einem Kreml-Berater warnte Putin die USA allerdings vor dem Einsatz drastischer Wirtschaftssanktionen. „Es wäre ein kolossaler Fehler, der schwerwiegende Konsequenzen hätte“, sagte der Berater, der zum „kompletten Abbruch“ aller Beziehungen führen könnte.

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