Kriegsgefahr in der Ukraine: Bange Blicke gen Osten

Die USA warnen vor einem unmittelbaren Angriff Russlands auf die Ukraine. Doch andere Länder schätzen die Gefahr als weit geringer ein.

Große Menschenmenge mit ukrainischen Fahnen auf einem Platz

Abwarten und Fahne­ schwenken: Demo in Kiew wegen des Konflikts mit Russland am Samstag Foto: reuters

KIEW taz | Noch drei Tage bis zur Intervention“ betitelt das oppositionelle ukrai­nische Portal strana.best einen Artikel zu einem womöglich bevorstehenden russischen Angriff auf die Ukraine. Am Mittwoch soll Russland in der Uk­rai­ne einmarschieren, glaubt zumindest US-Präsident Joe Biden nach Angaben der Plattform politico.com. Insbesondere Israel nimmt sich die US-Warnung zu Herzen, die israelische Zeitung Ha’aretz berichtet, die israelische Regierung habe Warnungen aus den USA erhalten, dass der Einmarsch möglicherweise auch schon am Dienstag stattfinden werde.

Israel und die USA stehen mit ihrer Furcht vor einem russischen Einmarsch nicht allein. 35 Staaten haben mittlerweile ihre Bür­ge­r:in­nen aufgerufen, die Ukraine zu verlassen, da sie einen militärischen Konflikt befürchten. Dazu gehörten Australien, Großbritannien, Lettland, Kanada, Griechenland, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen, Finnland, Südkorea, Japan, Belgien, Deutschland, Litauen, Kuwait und der Irak.

Deutschland hat sein Konsulat von der ostukrainischen Stadt Dnipro nach Lwiw verlegt, auch das US-Konsulat ist bereits nach Lwiw umgezogen, wo es allerdings nur sehr eingeschränkte Leistungen anbietet. Gleichzeitig haben die USA sämtliche Militärberater aus der Ukraine abgezogen, berichtet Pentagon-Sprecher John Kirby auf Twitter.

Zuvor hatten bereits die britischen Militärberater das Land verlassen. Lettland hat sich bereit erklärt, im Kriegsfall zehntausend ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen, berichtet die Wochenzeitung Dserkalo Tyschnja. In der Ukraine selbst ist von Panik wenig zu spüren. Im Straßenbild sieht man keine Militärs, Reservisten wurden nicht einberufen. Der Abgeordnete Wadim Rabinowitsch von der Oppositionsplattform für das Leben berichtet indes auf seiner Facebook-Seite, dass man Abgeordneten nun eine Ausreise untersagt habe.

Immer mehr Flüge gecancelt

Die Türkei sieht keine Anzeichen eines bevorstehenden russischen Einmarsches. In seiner Einschätzung beziehe sich das türkische Außenministerium auf seine Kanäle in Belarus und Russland, berichtet das Portal strana.best. Auch Frankreich sehe keine Anzeichen eines bevorstehenden Einmarsches, heißt es weiter.

Und der Abgeordnete der ukrainischen Regierungspartei Diener des Volkes, Egor Tschernew, der der Vorsitzende der ukrainischen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato ist, sieht in der Kampagne um einen russischen Einmarsch eine „Spezialoperation der USA“, deren Aufgabe es sei, Russland zu dämonisieren und die Nato zu mobilisieren.

Unterdessen werden immer mehr Flüge von der Ukrai­ne und in die Ukraine gecancelt. So musste am Sonntag ein Flug der Fluggesellschaft SkyUP von Funchal nach Kiew im moldauischen Chișinău außerplanmäßig landen, nachdem der Besitzer des Flugzeugs der Fluggesellschaft während des Flugs ein Anfliegen der Ukraine untersagt hatte.

Die Reisenden wurden dann mit vier Bussen in die Ukraine gebracht. Möglicherweise werden in der kommenden Woche viele Flüge ausfallen. strana.best berichtet unter Berufung auf eine eigene Quelle, bei den Versicherern von Flugzeugen gäbe es aktuell Pläne, ab Montag die Versicherungsgarantien für Flüge über der Ukraine zurückzuziehen. Damit wäre dann der internationale Flugverkehr der Ukraine weitgehend paralysiert.

Unterdessen hat der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine am Freitag einen weiteren oppositionellen Fernsehsender, den Kanal Nasch, vom Äther genommen. Man habe sich zu dieser Entscheidung durchgerungen, zitiert das Portal poglyad.tv den Chef des Sicherheits- und Verteidigungsrates, Olexij Danilow, nachdem der Inlandsgeheimdienst SBU antiukrainische Propaganda bei Live-Sendungen des Kanals Nasch festgestellt habe. Der Besitzer des Kanals, Jewgeni Murajew, 45, wehrt sich gegen den Vorwurf, er sei prorussisch.

Russland habe ihn auf eine schwarze Liste gesetzt und verweigere ihm so seit nun schon vier Jahren die Einreise.

Vor einem Jahr hatte der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat den Sendern 112.ua, Zik, Newsone, Ukrlive und Pershij Nesaleshnij, die dem prorussischen Politiker Viktor Medwetschuk zugerechnet werden, die Sendegenehmigung entzogen. Wenig später löschte auch Youtube auf Betreiben der ukrainischen Regierung deren Accounts.

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